ADA CHRISTEN#
Eine der bemerkenswertesten Frauen ihrer Zeit war die Schriftstellerin Ada Christen die durch ihre realistisch sozialkritischen Romane ihre Leser oft unangenehm berührte. Die am 6. März 1844 geborene Wienerin hinterließ ihre wunderbaren Eindrücke von Abbazia in Gedichtform:
Ew'ges Meer, wie bist Du herrlich, Wenn der Sturmwind dich bewegt, Wenn die Brandung wild entfesselt Schaum bedeckt ans Ufer schlägt - So hab' ich dich still bewundert Dort an Abbazias Strand Dort in jenem Tropengarten, Hingepflanzt von Feenhand, Über meinem Haupt die Berge Mit dem letzten Sonnenglüh'n, Unter meinem Fuß die Brandung, Kund um mich ein duftig Blüh'n, Wogenschaum und fremde Blumen, Vogellied und Sturmgedröh'n, Kampf und Friede, Licht und Schatten Ewig groß und ewig schön.
Diese schwungvollen Strophen der Sappho Österreichs, wurden von ihr im Fremdenbuch der Villa Angiolina verewigt.
Die Dichterin, eines von 16 Kindern, die eigentlich Christine Friderik hieß, durchlebte in ihrem Leben viele Höhen und Tiefen. Schon als Kind bekundete sie bereits bedeutende geistige Begabung und rege Fantasie. Mutig strebte sie vorwärts, obwohl der Kampf mit dem Dasein wahrscheinlich nicht leicht gemacht wurde. Ada war das 14. Kind, zierlich, rotblondes Haar, blaue Augen, oft ein Ausbund, liebte es, selbsterfundene Geschichten zu erzählen, bald schlimme Streiche ersinnend, gegen die die ganze Strenge der viel geplagten Mutter nicht aufkam. Einmal hatte sie eine Kostprobe einer Tollkirsche versucht und wurde halbtot zur Mutter gebracht, nur ein Zufall rettete das Kind.
Da sich der Vater 1848 am Aufstand beteiligte wurde er verhaftet und nun begann der Ruin der Familie und bitterste Not wurde ihr täglicher Begleiter. Jeder musste sich eine Arbeit suchen.
Anfangs hatte Ada sich der Bühnenlaufbahn gewidmet, doch bald wandte sie sich der Schriftstellerei zu. 1864 heiratete sie den Stuhlrichter Sigmund von Neupauer zu St. Gotthard in Ungarn. Rasch hatte sie sich an das schöne neue Leben gewöhnt. Doch im zweiten Jahr der glücklichen Ehe verfiel ihr Mann dem unheilbaren Wahnsinn. Sie brachte ihn nach Wien. Nach drei Jahren erlöste ihn der Tod. Und all diese Erlebnisse fanden ihren Niederschlag in ihren Werken und zeichneten sie aus.
Nach dessen frühen Tod kehrte sie nach Wien zurück wo sie bald Eingang in die literarischen Kreise fand. In Ferdinand von Saar fand sie einen Förderer und Protektor der sofort ihr Talent erkannt hatte. Schon mit dem ersten Buch, den „Liedern einer Verlorenen“ das 1868 erschienen war, begründete sie ihren literarischen Ruf. Der stimmungsvolle Gehalt dieser erotischen Verse erregte allgemeines Aufsehen. In dieser Zeit war das ein schlagender Beweis, dass der Verfasserin ein guter Wurf gelungen war. Freilich waren auch Stimmen gleich zur Hand, die da von Ada Christen Gedichten meinten, sie hätten nur deshalb Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, weil sie Blüte der Sünde sind. Andere hingegen priesen ihr Talent als ein wahrhaft eminentes. Die Dichterin erlangte schnell einen Namen und so erschien bald darauf eine zweite Sammlung.
Ihr erstes Opus verursachte so manchem Kritiker Kopfzerbrechen, Vermutungen aller Art bezüglich der Autorschaft tauchten auf und als man dem Pseudonym auf den Grund gekommen war, drängten sich Leute, welche sie früher ignorierten, um sie und buhlten um ihre Bekanntschaft und Annäherung. Je mehr diese Neugierde überhand nahm, desto mehr zog sie sich in das Privatleben zurück, wo ihr die wahren Freunde nahe standen.
Man verglich sie auch mit Heine und riet ihr davon Abstand zu nehmen.
In der Laibacher Zeitung war über Ada Christen folgendes zu lesen: „Zu den originellsten Erscheinungen in unserer neuen Literatur gehört unstreitig Ada Christen, jene rasch berühmt gewordene Wiener Dichterin, die sich bekanntlich gleich einem Phönix aus dem absoluten Nichts gänzlicher Unbekanntheit durch ein einziges kleines Büchlein, genannt „Die Lieder einer Verlorenen“, sofort zur Höhe einer höchst beachtenswerten dichterischen Individualität emporgeschwungen hat. Es war der Typus ausgeprägter Originalität, versetzt mit einem leisen Anfluge Heines Weltschmerzes, der ihren Liedern einen ganz eigentümlichen Reiz verlieh und die Sängerin derselben rasch zur allgemein gelesenen Modedichterin.
Freilich , wie viel zu diesem ganz ungewöhnlichen Erfolg das mystische Dunkel beitrug, in das der Name Ada Christen ursprünglich gehüllt blieb, sowie die sonderbar abenteuerlichen Gerüchte, mit denen derselbe eng verwoben genannt wurde...“
Und in der Wiener Zeitung wurde ihr vorgeworfen …..“Trotz eines krankhaften Zuges, dem Schwelgen im Schmerzlichen, ja Peinlichen liegt in den Dichtungen der Ada Christen der Zauber gewaltiger Empfindungen. Wir schütteln das Haupt, allein das Herz ist uns darum doch bewegt, ein Eindruck, der durch das Formelle noch vertieft wird. In strenger Korrektheit fließt die Sprache so natürlich als markig, allen Flitter an Bildern und Worten verschmähend, allein mit einer Präzision des Ausdruckes, die nicht selten von wahrhaft erschütternden Gewalt, eben durch ihre schmucklose Einfachheit. Auch die „Schatten“, der Dichterin neueste poetische Gabe, zeichnen sich durch diese Vorzüge aus.“
Eine weitere Kritik gab es im „Wiener Montags Journal“ Im Deutschen Volkstheater brachte man „Wiener Leut“ ein Volksstück von Ada Christen. „Es war ein Achtungsdurchfall. Im ganzen Haus war das Gefühl verbreitet, dass dem Stück, dessen ernste Szenen, man belachte, eigentlich bitter Unrecht geschehe und selbst die Zischer waren ihrer Sache nicht sicher, sondern zogen sich manchmal vor den wohlwollend Gestimmten schüchtern zurück; dann kamen sie freilich wieder. Aber was ließ sich machen! . Langweiligkeit ist der einzige Fehler, den man diesem dramatischen Erstlingswerk der beliebten Wiener Novellistin mit Grund vorwerfen kann ...“
Außer ihren zahlreichen Werken wie „Aus der Asche“, „Schatten“, „Aus der Tiefe“, in denen sich die Autorin auch als Meisterin der Natur Lyrik erwiesen hatte. War sie Mitarbeiterin verschiedener Wiener Blätter.
Ihre schönste Begabung gelang ihr mit dem Wiener Sittenbild „Unsere Nachbarn“ und in „Jungfer Mutter, eine Wiener Vorstadt Geschichte „. Hier kam Erlebtes zur Geltung, führte sie doch ihre Leser mit Vorliebe in die dumpfe Luft der Stuben der Armut und realen Lebens.
Sie war die Dichterin der Wahrheit.
In der deutschen Literatur wurde Ada Christen mit Recht nur die österreichische Sappho genannt; der glühende Geist durchströmte Stil ihrer Lyrik erinnert an die Dichterin von Lespos.
Rittmeister Adalmar Breden war Erfinder der österreichischen Militärkonserven, daher vermögend und in der Gesellschaft hochangesehen, und wurde 1873 ihr zweiter Mann, mit dem sie eine glückliche Ehe führte. Er hatte sich stets mit Erfindungen und deren geschäftlichen Verwendung befasst . Es gelang ihm ein neues Verfahren zur Herstellung von Suppen- und Fleischkonserven zu finden, das bahnbrechend für die Verpflegung der Armee im Krieg werden sollte. Er starb im Jänner 1903.
Einer der sich für Ada Christen und ihrer Kunst begeisterte, war Prof. Hans Brandstetter, selbst ein begnadeter Bildhauer. In seinen Erinnerungen die er 1902 in der Österreichischen Volks Zeitung veröffentlichte wird man über so manches unbekanntes Detail der großen Dichterin informiert. Er hatte Ada Christen bei einem Jour mit Christine Hebbel, Ludwig Ganghofer und Maler Amerling kennen gelernt. Später traf Brandstetter die Dichterin des Öfteren.
Ada Christen bewohnte mit ihrem Gatten, Rittmeister Breden , ein hübsches Wiener Palais. Zu ebener Erde, anschließend an den Speisesalon lag der Wintergarten, wo neben herrlichen Palmen und malerisch gruppierten tropischen Gewächsen ein lustiger Springbrunnen seine Künste trieb und wohl gepflegte Wege zu einem Rundgang, an lauschigen Plätzchen mit Tischen und Bänken vorbei, einluden.
In dieser angenehmen Umgebung trat das Damenquartett Tschampa auf, als Zuhörer hatte Ada Schriftsteller und Künstler eingeladen und Seltenes serviert. Der joviale Hausherr, eine wahre Hühnen Gestalt, hatte in seinen Glashäusern zur Winterzeit Edelobst und Riesen Gurken gezogen.
Ada Christen verriet Brandstetter wer einst hier sein Atelier hatte, an den Wänden waren noch immer die eingemauerten Reliefs aus dessen Zeit zu sehen. Dem berühmten Kärntner Bildhauer und Maler Hans Gasser hatte dieses Refugium in der Rainergasse gehört, wo er seine wunderbaren Werke geschaffen hatte.
Noch in früherer Zeit sollte dieses Schlösschen ein Lieblingsgartenhaus der Kaiserin Maria Theresia gewesen sein. Bildnis Statuen wie Kaiserin Maria Theresia in Wiener Neustadt, Kaiserin Elisabeth für den Westbahnhof in Wien, Feldmarschall Freiherr von Welden, Statue der hl. Elisabeth für das Schloss Laxenburg, Donauweibchen für den Stadtpark, zahlreiche Grabmonumente, Porträtbüsten (Anton von Schrötter). Fürst Metternich ließ sich von Gasser das Stiegenhaus seines Palais ausschmücken, zu seinen Werken zählen zahlreiche Ölbilder, ferner 60 Reliefporträts in Medaillons. Der Palatin Erzherzog Stephan rief ihn nach Budapest wo er sechs Statuen ungarischer Könige schaffte.
Budapest, wo er Heilung suchte, wurde am 24. April 1868 zu seiner Lebens Endstation. Schuld an seinem frühen Tod war eine Verletzung an seiner rechten Hand die er sich bei der Meisselung einer Büste zugezogen hatte, sie heilte nicht mehr, ihr Zustand wurde immer bedenklicher, bis die Wunde brandig wurde.
Er hatte kein einfaches Leben gehabt, Neider und heimliche Feinde hatten ihm zugesetzt. Da er ein großer Sammler von Kunstschätzen war geriet er oft in Geldnöten, allein die durch jüdische Wucherzinsen angewachsenen Wechselschulden (einst zur Einlösung von für ihn zu Schiffe in Triest ankommenden Marmorblöcken kontrahiert) verbunden mit Gassers missbrauchter Nachsicht blieben Parteien seines Hauses oft den Zins schuldig. So wanderte er des öfteren in den Schuldenarrest aus dem seine Freunde Baron Rosthorn, Graf Hanns Wilczek, Hoyos, Edmund Zichy und andere Kavaliere herausholten. Sein nachlässiges Äußeres wurde ebenfalls oft kritisiert. Kein Wunder, war er doch unausgesetzt bei der Arbeit, wurde er davon abberufen, so blieb ihm keine Zeit erst mit der Toilette zu beginnen und Zylinder und Frack anzulegen, sondern rannte wie er war in Blouse und rundem Hut auf die Straße. Selbst in dieser Tracht soll er zu Audienzen erschienen sein. Weiß von Starkenfels ließ ihn angeblich wegen dieser revolutionären Tracht und besonders seines Staats gefährlichen Kalabresers arretieren.
Seine letzte Ruhe fand der 51jährige Künstler in Villach. Einer der fruchtbarsten und populärsten Künstler Erscheinungen ließ eine Vielzahl von Werken zurück.
Noch eine andere Überraschung konnte Ada Christen Brandstetter bieten. Hinter einem dunkelblauen Vorhang verbarg sich das lebensgroße Gemälde der Bühnen Schauspielerin Josefine Gallmeyer die wie sie ihm verriet ihr eine liebe Freundin gewesen war und zu ihrer Verwunderung gestand ihr Brandstetter, dass auch er zu den Verehrern ihrer Kunst gehörte und er durfte sie oftmals im Thalia Theater in Graz bewundern.
Als Brandstetter wieder bei Ada Christen zu Gast war und sie ihn in ihr Arbeitszimmer in den ersten Stock führte, es war geschmackvoll eingerichtet aber eines berührte ihn eigentümlich, überall hatte sie naturgetreu nachgebildete Totenschädel liegen.
Hans Brandstetter, der Meister eindrucksvoller Kunstwerke war mit Peter Rosegger befreundet und so entstand im Jahr 1883 die liebliche „Waldlilie“, eine Gestalt aus Roseggers „Waldschulmeister“, die im Grazer Stadtpark 1885 enthüllt wurde. Graz hat dem Künstler noch andere bedeutende Werke zu verdanken. So zieren die Universität, das Rathaus, die Herz Jesu Kirche, die Technik, das Opernhaus wunderschöne Gestalten und Gruppen aus des Meisters Hand. Außerdem schuf er noch „Rosegger als Waldschulmeister“.
Seine preisgekrönte Akademiearbeit stellt die bezaubernde Gruppe Maria mit Christus und Johannes dar die 1887 entstanden war. Auch als Schriftsteller war Brandstetter vielfach tätig. 1883 hielt er sich sieben Monate in Rom auf und im Jahr 1895 unternahm er eine Studienreise nach Paris. Seit dem Jahr 1892 war er Professor der Modellierkunst an der Grazer Staatsgewerbeschule. Diese Anstellung ermutigte ihn 1893 einen Hausstand zu gründen. Bis zu seinem Tod im Jänner 1925 arbeitete er und trug zum Ruhm seiner Heimat Steiermark bei.
In der letzten Zeit trat Ada schriftstellerisch nur selten hervor. Auf dramatischen Gebiete hatte sie außerdem wenig Glück.
Nach all den erfolgreichen Glanzzeiten kam auf dem Theater nun ein Misserfolg, der ein schweres Nervenleiden auslöste. Ihr Gatte büßte sein Vermögen ein und musste ein neues Leben beginnen. Draußen in Inzersdorf, an der Laxenburger Straße, im „Einsamhof“ verbrachten beide die wieder ruhiger gewordenen späteren Tage, ist eine ländliche Idylle mit Hühner und Gänse und einem Treibhaus, eben ein kleines Paradies in dem sie wieder glücklich waren. Ada Christen Lebensflamme verlöschte nach schwerer, langwieriger Krankheit am 19. Mai 1901 mit nur 57 Jahren. Aus dieser Fülle von Blütenschönheit und Duft, trug man sie unter großer Beteiligung fort , um sie zur letzten Ruhe zu betten.
QUELLE: Ill. Extrablatt 11. Jänner 1903, 12. Jänner 1903, Presse 16. Februar 1887, Grazer Zeitung 13. Februar 1875, ANNO Österreichische Nationalbibliothek sowie Bilder.
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