ADA KALEH#
1894: Unter Orsova, rechts auf einer Insel von riesiger Ausdehnung, liegt Ada Kaleh mit seinen im Verfall begriffenen Festungsbauten.
Bekanntlich wurde die Inselfestung Neu-Orsova, so ihr ursprünglicher Name, von Kaiser Leopold I., 1718 angelegt und, als sie durch den Passarovitzer Frieden an Österreich zurückkehrte, unter Kaiser Carl VI., in ihren heutigen Stand versetzt.
Wie alle österreichischen Festungsbauten dieser Epoche, wirkten sie mächtig und uneinnehmbar.
Ada Kaleh bildete unstreitig eine der strategisch starken Positionen der unteren Donau, die von besonderer Wichtigkeit das aus zwei gesonderten Bastionen und einem höher befindlichen Wachtturm bestehenden Elisabeth-Fort, welches im Jahr 1736 durch General Hamilten erbaut und zu Ehren der Kaiserin „Elisabeth-Schanze“ genannt wurde. Gegen einen Angriff vom Wasser aus war die Festungsbauten durch eine natürliche Barrikade, das von den Schiffern seit Alters her gefürchtete „Eiserne Tor“, geschützt. In den Jahren 1854 bis 1858 wurde durch die österreichische Regierung und ebenso durch die Dampfschifffahrtsgesellschaft Sprengungen veranlasst, das den speziell hergestellten Dampfer bei jeden Wasserstand ab nun zugute kam.
Durch die gegenwärtige Regulierung des Eisernen Tores, die von den Regierungen der Uferstaaten vorgenommen wird, hofft man die letzten Übelstände, die der freien Schifffahrt entgegen stellt, vollständig zu beheben. In dem für Österreich verhängnisvollen Krieg in den Jahren 1737 bis 1739 hatte Ada Kaleh schwere Kämpfe zu bestehen. Der Feldzug von 1737 verlief für die österreichischen Teilnehmer um Orsovo und Ada Kaleh wie so oft ungünstig, dass die Armee den Rückzug in aller Eile antreten musste und von dem siegreichen Vezier bis nach Belgrad zurück gedrängt wurde. Damit war zugleich das Schicksal für Orsova und Ada Kaleh entschieden. Ungeachtet der abgegebenen Versprechungen, Orsova zu halten, übergab es Kommandant von Kornberg unter der Bedingung freien Abzuges nach Belgrad an die Türken. Wegen seines Vergehens sollte Kornberg vor ein Kriegsgericht, er entzog sich jedoch durch Selbstmord der kriegsrechtlichen Untersuchung.
Der nach dem unglücklichen Feldzug von 1738 abgeschlossene Belgrader Friede 1739 überlieferte Orsova formell an den Sultan.
Im Jahr 1789 wurde Ada Kaleh unter persönlicher Intervenierung Kaiser Josephs II., belagert und nach langwieriger Blockade von den Österreichern 1790 genommen, doch wurde es durch den Frieden von Sistova mit Orsova neuerdings den Türken zugesprochen; lange Zeit war es nun als äußerste Enklave zwischen Serbien und Österreich im Besitz der Türkei. Bei der Festsetzung der neuen Grenzen der Türkei im Berliner Vertrag wurde Ada Kaleh vergessen, und so wurde am 25. Mai 1878 von den Österreichern neuerlich wieder besetzt, war sie doch für sie strategisch von großer Wichtigkeit, wenngleich die Insel sowohl vom serbischen wie vom rumänischen Ufer aus vollkommen dominiert wird.
In Ada Kaleh betraten die ungarischen Flüchtlinge Kossuth, Perczel und Andrassy in dem Revolutionsjahr 1849 den türkischen Boden, nachdem sie vorher bei Orsova die ungarischen Krönungsinsignien vergraben hatten, um diese vor den Österreichern in Sicherheit zu bringen.
Am 25. Mai 1878 war die Aktion Österreichs Ada Kaleh zu besetzen vollbracht. Zwei Kompanien des 78. Infant. Regiments, Baron Soksevic hat die nächst Orsova gelegene türkische Inselfestung Ada Kaleh besetzt, nachdem die 600 Mann bestehende türkische Besatzung geräumt worden war. Seit dem Jahr 1864 wehen zum ersten Mal wieder die Fahnen Österreichs außerhalb der Grenzen des Reiches, stehen österreichische Truppen wieder auf fremden Boden.
Die Besetzung der Insel war politisch mehr als wichtig und ist der Beginn des aktiven Eingreifens Österreichs in die orientalische Angelegenheiten und Österreich kann faktisch den Friedensvertrag von San Stefano als für sich in keiner Weise verpflichtend bezeichnen. Österreich hat damit ein Faktum geschaffen, welches eine der ersten Bestimmungen des Friedens von San Stefan aufhebt. Im dritten Artikel des Vertrages, der von den Grenzen Serbiens handelt, heißt es: „Ada Kaleh wird geräumt und geschleift werden. Eine serbisch-türkische Kommission wird an Ort und Stelle unter Assistenz eines russischen Kommissars die definitive Grenzlinie in einem Zeitraum von drei Monaten feststellen“...
Nach dem Frieden von San Stefano hätte die Pforte die Festung und Insel räumen und die Werke schleifen müssen. Acht Tage vor dem letzten Termin, am 25. Mai, räumt allerdings die Pforte Ada Kaleh, aber die Festung wird an Österreich übergeben, was beim Frieden von San Stefano nicht voraus zu sehen war. Die Pforte hat eine der von ihr übernommene Verpflichtung nicht erfüllt und Österreich hat ohne Rücksicht auf die von Russland festgesetzten Stipulationen nach seinem eigenen Ermessen gehandelt, indem es die von den Türken ihm übergebene Festung mit seiner Macht besetzte. Damit ist die Annullierung des Friedens von San Stefano eingetreten. Egal welche Verhandlungen zwischen England, Russland, zwischen Österreich und Russland während der letzten drei Monaten über den Vertrag geführt wurden, bis jetzt wurden keine der Bestimmungen jenes Vertrages durch eine Tatsache null und nichtig geworden. Das ist durch Österreich geschehen. Man fragt sich, mit wessen Einverständnis hat Österreich gehandelt als es von Ada Kaleh Besitz ergriff ? Ins Spiel kamen allerdings wieder die Pforte, Russland und Serbien. Die Pforte hatte längst kein Verfügungsrecht mehr. Russland könnte nun dagegen protestieren, denn Russland hatte das Recht zu bestimmen was mit Ada Kaleh zu geschehen hat. Ob ein Einverständnis zwischen Österreich und Russland bestand, war unbekannt. Man wusste nicht ob Andrassy Russland über die Besetzung vorher informiert oder ob er selbständig gehandelt hatte um eine Tatsache noch vor dem Kongress schaffen wollte, dass Österreich keinerlei Rücksichten auf den Vertrag von San Stefano zu nehmen brauchte. Außerdem sollte es zeigen, dass Österreich bei der Neuordnung der orientalischen Verhältnisse über gewisse Punkte nicht mit sich transigieren lassen wolle.
Serbien erhebt jedoch den Anspruch auf die Insel, obwohl der Friedensvertrag ihnen diese nicht zugesprochen hat....
Mai 1913: Aus Budapest kommt in später Abendstunde die überraschende Meldung, dass Ada Kaleh wurde von dem Obergespan des dort an die Donau grenzenden Komitats Krasse-Szöreny im Auftrag der ungarischen Regierung annektiert. Die Annektion erfolgte bereits am Montag und sozusagen in aller Stille, da es sowohl die gemeinsame, wie die österreichische und die ungarische Regierung unterließ, die Öffentlichkeit von diesem Schritt zu informieren. Noch fehlte die amtliche Bestätigung. Außerdem musste die Besitznahme noch gründlich untersucht werden.
Nach den Militärkarten (Generalkarte) und Spezialkarte verläuft die Reichsgrenze im Stromlauf der Donau südlich von Orsova, so dass diese Insel der Monarchie einverleibt erscheint. Trotz ihrer Kleinheit bedeutet die Insel Ada Kaleh für die Beherrschung der Donau an unserer Südgrenze eine militärische Bedeutung.
April 1923: Gibt es einen neuerlichen Konflikt um die Insel Ada Kaleh. Diesmal zwischen Rumänien und der Türkei. Wie Bukarest von der türkischen Regierung unterrichtet wurde, besitzt die Türkei das Souveränitätsrecht über die umstrittene Donauinsel und habe aus diesem Grund, den Wunsch der dortigen Bevölkerung folgend, nach diesem Eiland zur Ausübung des obersten Richteramtes einen Kadi entsandt.
Dieser Depesche stand man zuerst fassungslos gegenüber, erst als man erkannte um welche mysteriöse Insel es sich handelt, die seit dem Weltkrieg einen wichtigen Bestandteil des groß rumänischen Staates bildete. Trotzdem herrschte große Aufregung, mit welchem Recht erlaubt sich die türkische Regierung einen Kadi auf rumänisches Territorium zu senden? Was geht überhaupt in Ada Kaleh vor, von dessen Existenz man bisher kaum eine Ahnung hatte.? Hier musste Klarheit geschaffen werden und sie sandten einen Regierungskommissar mit allen Vollmachten versehen. Nach der Annektion von Bosnien und der Herzegowina durch die österreichische Regierung, stand es nun unter der Oberhoheit des Sultans von Konstantinopel. Die Bevölkerung bestand aus mohammedanischen Türken die seit Jahrhunderten dort leben und sich durch Tabakanbau und Schmuggel erhielten. Wie sich herausstellte war der Kadi nur einer religiösen Mission nachgekommen.
Juli 1939: Eine Meldung bringt die fast vergessene Insel Ada Kaleh wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Der größte Teil der Bevölkerung der Insel wird demnächst in die Türkei zurückkehren. Sie die die Einfahrt des Eisernen Tores beherrschten, dürfte wohl der glücklichste Ort Europas sein, Sie lehnen jeden modernen Fortschritt ab und gehen ihrem Gerbe nach weben Teppiche, treiben Tabakanbau und erzeugen Rahat, das berühmte orientalische Zuckerwerk und leben von dem das auf der Insel gedeiht. Noch dazu herrscht hier Steuerfreiheit. Ein Gouverneur, Mitglied des rumänischen Parlaments, herrscht wie ein Fürst, sein Monatsgehalt beläuft sich auf 30.000 Lei. Bis vor kurzem waren die Männer auf der Insel vom Militärdienst befreit, das hat sich geändert.
Die Insel ist ein Fremdenmagnet geworden, denn hier konnte man billige bulgarische Zigaretten oder vortreffliche Spirituosen und andere schöne Dinge erwerben. Außerdem war Orsova eine Schnellzug Station und hatten es die Ausflügler oder Besucher nicht weit zur Donauinsel. Diese Invasion brachte Geld, daher war die Insel von Geldnöten bisher verschont geblieben. Abgeschieden von dem Weltgeschehen führten sie ein ruhiges, ereignisloses Leben.
Der ungarische Dichter Moritz Jokai hat in seinem Roman „Der Goldmensch“ die Niemandsinsel darin verewigt.
April 1948: Nach den Friedensverträgen halten Sowjettruppen den Balkan besetzt, obwohl sie dazu kein Recht haben. Sie geben sich als Gäste und Beschützer aus. Ihr Stützpunkt ist keine andere Insel als die uns bekannte Ada Kaleh. Acht Küstenwachboote patrouillieren ständig auf der Donau. Die Insel beherrscht den gesamten Stromverkehr und jedes Schiff muss sich der russischen Kontrolle fügen. Auf der Insel gibt es zwei Sperrzonen. E gibt Küstenbatterien, eine Flak, Radiostationen und ein Hangar für Wasserflugzeuge befindet sich im Bau. Die Deutschen hatten die Unabhängigkeit der Insel respektiert, denn sie nutzten die Insel als Erholungsstätte für ihre Soldaten. Titos Partisanen haben die Insel ebenfalls heimgesucht.
Doch mit der Herrlichkeit der Inselbewohner war es zu Ende als russischen Truppen sich der Insel bemächtigten und mit großer Strenge herrschten. Ada Kaleh das Hawaii der Donau, der letzte Stützpunkt der ottomanischen Kultur in Europa. Der Hilferuf an die Vereinten Nationen war nicht angekommen.
Schlimme Zeiten kamen auf die Bewohner der Donauinsel zu als 1964 mit dem Bau des Wasserkraftwerks beim Eisernen Tor begonnen wurde, 1967 wurden die Einheimischen unfreiwillig deportiert und 1971 versank Ada Kaleh für immer in den Fluten und war Geschichte.
QUELLE: Die Zeit, 15. Mai 1913, S 1, Ödenburger Zeitung, 2. Juli 1939, S 5, Linzer Tagespost, 28. Mai 1878, S 1, Dillinger Reisezeitung, 1. Februar 1894, S 2 und Bild, Wiener Kurier, 19. April 1948m S 2. ANNO Österreichische Nationalbibliothek.
Hinweis: Ada Kaleh (AEIOU)
https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/ADA_KALEH