ALICE BARBI#
1889: ….. und nur selten öffnen die Musen die Schatzkammer der Stimmen; diesmal taten sie es, um eine kostbare Perle daraus heraus zu zaubern, für ihren Liebling; und ein funkelndes Geschmeide legten sie dazu, der mutwilligsten Koloratur und Trillerkünste, und eine frisch duftende Blumenkrone sangesfreudiger Heiterkeit, und sagten zu diesem geliebten Glückskind; „Singe und entzücke!“
Ja wen hätte sie nicht bezaubert und entzückt jene gottbegnadete Sängerin Alice Barbi, die hier in Wien einen sensationellen Erfolg feierte.
Alice Barbi ist am 1. Juni 1858 in Modena geboren und im Alter von 5 Jahren wurde sie von ihrem Vater, der Professor des Violinspieles in dieser Stadt war, in die Musik eingeführt. Erst mit 19 Jahren begann sie ihre Stimme zu kultivieren und bekam den ersten Unterricht vom Professor Zamboni aus Bologna. Daraufhin studierte sie selbst, ausgestattet mit künstlerischen Geschmack und Verständnis hörte sie die großen Künstler die nach Italien kamen und sie oft Gelegenheit hatte, persönlich kennen zu lernen und zwar im Palais der Prinzessin Ida Corsini de Horence. Hier verbrachte Barbi mehrere Jahre ihrer frühesten Jugendzeit, wo sie wie ein Kind des Hauses geschätzt wurde
In Rom trat sie erstmals auf, in einem Konzert des Quirinal und seit damals hat Ihre Majestät die Königin von Italien, welche sich ebenfalls für die Kunst begeistern konnte, und ab nun die junge Künstlerin protegierte. Die Königin schien an Alice Barbi besonderes Wohlgefallen zu finden und immer wieder ihren Konzerten beiwohnte und mit ihren Auszeichnungen belohnte.
Ihre Mezzosopran-Stimme der schönsten Klangfarbe gehört nicht zu den stärksten, und so sind auch keine Effekte zu erwarten, mit der man sonst die Menge erobert. In jedem Satz ihres Gesanges ist die wahrhafte Musikerin die die Kompositionen der Meister zu erfühlen versteht. Ihre Kenntnisse verschiedener Fremdsprachen dienen somit ihrem Vortrag sowie der Aussprache.
Sie ist in ganz Italien bereits bekannt, reiste nach Deutschland, England, Russland und Rumänien und zuletzt eroberte sie auch noch die Musikstadt an der Donau, wo sie mit stürmischen Beifall gefeiert wurde und den ersten Rang unter den Konzert-Sängerinnen einnimmt. Sie bietet Schönes, Wahres und Erhabenes, selbst den einfachsten Melodien weiß sie eine ergreifende Tiefe des Gefühls einzuhauchen.
Aber Alice Barbi ist nicht nur eine Virtuosin ersten Ranges, sondern eine wahrhaft große Künstlerin das spiegelt sich in den Kritiken der Zeitungsjournalen: In der „Neuen Freien Presse“ lässt sich sogar der berühmteste Musikkritiker der Gegenwart Dr. Ed. Hanslik wie folgt vernehmen: „Aus dem musikalischen Getümmel der letzten Wochen sehen wir zwei neue vornehme Gestalten emporragen, von unserem Publikum mit raschem Blick erkannt und liebgewonnen: die Sängerin Alice Barbi und der Pianist Stavenhagen. Fräulein Barbi verfügt über eine weiche, sympathische, nicht sehr umfangreiche Mezzosopran Stimme, die sie mit großer Kunst behandelt, Dass diese Stimme nicht mehr in der ersten Blüte, dafür entschädigt uns die goldene Frucht ihrer künstlerischen Vollendung. In den ganz schmucklosen tragischen Arien von Astorga und Alessandro Scarlatti offenbarte Fräulein Barbi die Schätze einer fast verloren gegangenen klassischen Gesangskunst; eine ruhige, edle Tonbildung, unvergleichliche Oekonomie des Atmens, das schönste Portamento im Anschwellen und Abnehmen des Tones, vor allem eine schlichte Großheit des Vortrages, ohne die jene älteren Arien nicht denkbar oder doch kaum genießbar sind. Wie den pathetischen Ausdruck.so hat sie auch den heiteren, scherzhaften, in ihrer Gewalt, Paisiellos Lied „La Zingarella“, aus dem uns die ganze naive Lebensfülle der neapolitanischen Musik anlacht, kann man nicht schöner hören. Die Barbi ist da in der Tat „La Zingarella graziosa, accorta e bella“, wie es in dem Liedchen heißt. Dabei hält sie auch dergleichen Scherzlieder fern von allem vulgärem Beigeschmack, wie denn überhaupt die Noblesse des Vortrages, in jeder Stilart, uns besonders charakteristisch erscheint für ihre Individualität. Mit gleicher technischer Vollendung und eindringendem Verständnisses sang Fräulein Barbi einige zierliche Romanzen von Monsigny und Bizet, dann deutsche Lieder von Mozart, Schubert und Schumann.......“
Daran ist nicht hinzuzufügen als den Wunsch; „Gebe Gott, dass diese geniale Sängerin noch lange der Welt zur Freude und Wonne ihre lieblichen Weisen ertönen lässt, um zu entzücken und zu beglücken!“
1890: Wohl nie hat eine Künstlerin in uns glühendere Begeisterung geweckt als die gottbegnadete Alice Barbi: leider war es uns nur vergönnt an einem Konzertabend die reizende Florentinerin zu hören: allein es genügte vollkommen, um uns das endgültige Urteil zu bilden, dass eine höhere Vollendung auf dem Gebiet des Lieder Vortrages nicht erreicht werden kann.
Ich glaube kaum, dass im Bösendorfer Saal ein Zuhörer sich vorgefunden, dessen Herz nicht aus Tiefste ergriffen worden wäre, durch die bald schelmischen, bald tiefernsten Weisen ihrer Lieder. Sie wählte stets Lieder mit denen sie die größten Erfolge verzeichnen kann. Nur mit den Schumann Liedern erfüllte sie nicht die Erwartungen der Zuhörer. Doch dann als das „Brautlied“ angestimmt, die schmelzenden Töne, gleich einem goldenen Quell aus ihrer Kehle flossen, das herrliche Lied in einer ungeahnten Vollendung, eine Vision aus anderen Welten, unseren berückten Sinnen sich offenbarte, da brach der Beifall tosend los. Als wir endlich, berauscht durch all das Herrliche, das wir gehört, den Saal verließen, da glaubten wir einen schönen Traum geträumt zu haben.
Wie alle ihre Konzerte, so war auch die Abschieds-Matinee der gefeierten Sängerin total ausverkauft, ihre Leistungen wie immer über jede Kritik erhaben und der Beifall des begeisterten Auditoriums ein wahrhaft enthusiastischer.
1892 gastierte Alice Barbi im Rudolphinum mit tiefer Wirkung ihrer Liedkunst und hatte das Publikum wie überall in ihrem Bann gezogen. Barbi bedeutet aber schon seit Jahren den Höhepunkt der Gesangskunst in unserem Konzertleben.
1902: Budapest.....indem uns ein Konzert unserer unerreichten und unvergleichlichen Alice Barbi beschieden wurde. Die reine und hohe Kunst der Barbi bedeutet für uns in Budapest einen seltenen, daher doppelten Genuss, da wir für Liedgesang leider nur an Gäste angewiesen sind, sie die Königin unter den lebenden Liedersängerinnen. Der am 8. Jänner in dem prachtvollen Royalsaal veranstalteten Liederabend erfreute sich eines Zuspruchs, wie er hier zu den Seltenheiten gehört.
Baronin Wolff-Stomersee aus Russland, geborene Barbi, weilte 1902 zur Kur in der Winternitz Kaltwasserheilanstalt in Kaltenleutgeben und wurde wieder zur Alice Barbi. Der Wienerwaldort mit seiner Vogelwelt bekam von einer fremden Nachtigall Besuch. Ein Barbi-Konzert im Juli kann unter den Kunstgenüssen wohl als Rarität gelten. Der Saal war voll von einem sehr eleganten Publikum, das sich mit begeisterter Bereitwilligkeit hier eingefunden. Die von Winternitz gestiftete Kinderbewahranstalt in Kaltenleutgeben zu deren Gunsten Alice Barbi sang, dürfte jedenfalls einen reichlichen Ertrag zu verzeichnen haben. Mit donnerndem Beifall wurde die Künstlerin in ihrer weißen duftigen Sommertoilette begrüßt. Eine Fülle von Blumenspenden und Kränze wurden der Sängerin im Laufe des Abends gereicht und verwandelten das Podium in ein buntes Blumenmeer.
1903 durften die Grazer ihren Liebling im Stephaniensaal begrüßen, die nun Baronin und zur Wohltäterin geworden war. Die Kunst der Barbi ist dieselbe geblieben, vielleicht ihre Darbietung noch verfeinert, vielleicht allzu sehr. Ihre hervorragend gewesene Stimmmittel, das muss wahrheitsgemäß festgestellt werden, stark in Abnahme begriffen...
1907: Ludwig Bösendorfer bekam von Alice Barbi, Baronin Wolff-Stomersee Briefe indem sie schrieb, dass durch die russische Revolution das in Livland gelegene Gut von Baron Wolff vollständig verwüstet wurde, viele von ihren Erinnerungsstücke sind dabei vernichtet worden, darunter zwei Klaviere. Nun hat sich die Künstlerin in Wilna, wo ihr Mann zum Kurator des ganzen Lehrbezirkes ernannt worden ist, ein neues Heim geschaffen. Nun will sie ein Klavier aus Wien, das den Namenszug Bösendorfer trägt. Barbi wurde Präsidentin der Wilner Abteilung der kaiserlich russischen Musikgesellschaft, Das Bösendorfer Klavier ist endlich eingetroffen, und es wundert sie, dass es trotz Transport und Kälte gut gestimmt mit seinem warmen Wiener Klänge angekommen ist.
1920: Der italienische Gesandte in Wien Pietro Marchese Tomasi della Torretta der sich kürzlich in London mit Alice Barbi verw. Baronin Wolff- Stomersee vermählte, traf am 12. d. M. mit seiner Gemahlin aus Paris kommend in Wien ein. 1921: Alice Barbi, Baronin Wolff-Stomersee, nun Marchesa della Toretta
1927; Barbis jüngere Tochter Lolette aus erster Ehe, heiratete den italienischen Diplomaten Augusto Biancherie
1932: Drei Jahre nach dem Tod des ersten Mannes heiratete sie den Marchesa della Toretta. Sie hat erwachsene Töchter und Enkelkinder.
Alice Barbi starb am 4. September 1948 in Rom
QUELLEN; Österr. Musik und Theater Zeitung, 1889, H 12, S 1, 1890, H 11, S 5, Deutsche Musikzeitung, 1890, H 3; S 23 Bild, 1902, H 4, S 30, Montags Revue, 1. Februar 1892, S 6, Fremdenblatt 7. Juli 1902, S 6, Grazer Tagblatt, 30. März 1903; S 5, Neue Freie Presse, 14. Juni 1932; S 9, Prager Tagblatt, 13. April 1907, S 8, Wiener Salonblatt, 21. August 1927, S 7, 29. Mai 1920, S 6. ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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