ANTON HANAK#
1934: In der Künstlerwelt hält der Tod zu dieser Zeit reiche Ernte, auf den Architekten Adolf Loos folgt der große Dichter Jakob Wassermann und zuletzt kaum 58 jährig, der geniale Bildhauer Anton Hanak, ein Künstler von ganz großem Format, der wie Rodin, die menschliche Gestalt zu sinnreichen Symbolen umwandelt, das Gigantische ins Schwerelosigkeit versetzend.
Anton Hanak ist am 22. März 1875 in Brünn geboren. Wie so viele Künstler und Gelehrte aus diesem Kronland, wurden berühmte Persönlichkeiten und trugen zur Bereicherung unseres Landes bei.
Er begann seine musikalische Laufbahn als Chorknabe und Musikant, brannte jedoch mit 14 Jahren durch, wurde wieder heimgeholt, als unverbesserlicher Starrkopf in ein fadenscheiniges Alltagsgewand gesteckt und mit fünf Gulden in die Welt geschickt, um sich seine eigene Existenz zu gründen. Wohin trieb es ihn, natürlich nach Wien wo er neben den Nordbahnhof das Denkmal des Admirals Tegetthoff, erfuhr nach verschiedenen Umfragen bei den kunstsinnigen Passanten in der Praterstraße, dass es von einem Bildhauer gemacht sei, und beschloss daraufhin, ebenfalls Bildhauer zu werden. Sein erster Lehrmeister war ein Handwerker in der Vorstadt, bei dem er das Schnitzen von schmückenden Möbelteilen betrieb, und es nach vier Jahren bis zum Gesellen brachte In den nächsten fünf Jahren folgte die Wanderschaft. Nachdem ihm schon in Salzburg der Bildhauer Potschacher auf die Kunstakademie hingewiesen hatte, trat er nach seiner Rückkehr nach Wien in die Klasse Edmund Hellmer ein, wo er, allerdings nur im Sinne des Modellierens nach der Natur, zum figuralen Plastiker erzogen wurde. Es folgte der obligate Rompreis, dann die Heimkunft und seitdem der übliche Wiener Künstlerkampf gegen Missgunst und Unverständnis. Fünf Jahre steht er kämpfend in den Reihen der „Sezession“, dann zieht er es vor, sich völlig abzuschließen. Aus dieser Einsamkeit holt ihn 1911 Josef Hoffmann hervor und führt ihn nun als dritten im Freundschaftsbund, dem gereiften Gustav Klimt zu. Von da an beginnt seine Arbeitsgemeinschaft mit dem Baumeister Hoffmann, namentlich auf der Ausstellung in Rom, in Dresden und in Köln, später auch in Stockholm und in Kopenhagen. Im erste Kriegsjahr wird Hanak als Lehrer an die blühende Wiener Kunstgewerbeschule berufen. Von der beispiellosen Hingabe der ihn anvertrauten, nach neuen Zielen verlangenden Jugend begleitet, stellt er hier sein Programm auf die einfache Basis von Material und Handwerk und verwirft das akademische System der Heranbildung eines lust- und leidenschaftslosen Kunstproletariats. Aber diese Lehrtätigkeit hundert ihn nicht an der eigenen unermüdlichen Arbeit. Sein Atelier liegt außerhalb der Stadt, unter den alten Bäumen im Prater. So kann er auf seinem täglichen Weg, der ihn früh morgens, bei Wind und Wetter von seiner Behausung auf dem Bisamberg in die abgelegene Werkstatt führt, das kleine, verwirrende Getriebe umgehen und bleibt allein mit sich und der Landschaft, um mitzuerleben das lautlose Gleiten der Jahreszeiten.
1913: Bildhauer Anton Hanak wurde vom Minister für öffentliche Arbeiten zum Professor an der Kunstgewerbeschule des österreichischen Museum für Kunst und Industrie ernannt.
Erst vor ganz kurzer Zeit wurde in der Villa Primavesi am Juliusberg ein neues Werk Hanaks „Das Gebet“, aufgestellt. Die wundervolle Schönheit dieses herrlichen Mädchenkörpers entzückt, wie fast alle anderen Schöpfungen des Meisters, nicht nur durch ihre klassische Ruhe, sondern auch durch seine ganz eigenartige Sinnlichkeit, die den Hanaks Skulpturen eigen ist, eine Sinnlichkeit, die nichts stimulierend Berauschendes, dafür aber die brennende Macht ihrer Natur gewollten Bestimmung hat.
Das Werk in Lebensgröße, vom Meister selbst im Laaser Marmor verarbeitet, ist in dem lieblichen Gärtchen der Villa Primavesi auf einer wohl über zwei Meter hohen Marmorsäule aufgestellt. In den Michaeler-Ausfall sieht man den herrlichen Marmorleib durch neidisches Baumgeäst herab schimmern...
Seine Brunnenfigur „Schönheit“ im Linzer Stadtgarten war der Gegenstand einer kleinen Kunstrevolution. Trotz heftiger Opposition eines Teiles der Bürgerschaft konnte sie für Linz erworben werden.
Dass die Hanak Schöpfungen gerade in Olmütz eine so glänzende Würdigung gefunden haben. So wird die Olmützer Villa, ohne dass es viele Einheimische wissen, ein Mekka der Andacht aller Jünger und Verehrer, die Anton Hanak durch seinen Weltruf in den fernsten Gauen hat.
1920: Einer der großen Säle der Kunstschau enthält ausschließlich die Kolossalstatuen Anton Hanaks, der jetzt als Wiens stärkstes plastisches Talent angesprochen wird. Es sind zwölf Gestalten, die menschliche Erscheinungen und Symbole repräsentieren. Hanak ist so etwas wie ein künstlerischer Metaphysiker.
Hanak hatte viele Jahre gehungert. Die Welt verkannte sein Werk. Es war zu neu, zu tief, zu Nerven erregend, zu aufwühlend, zu sozial-spannend, zu revolutionär. Das Bürgertum lehnte seine Werke ab. Oft dachte der Vereinsamte ans Auswandern. Erst die sozialistische Gemeinde versuchte das Unrecht, das Österreich an seinem großen Künstler verübt hatte, wenigstens teilweise wieder gut zu machen. Tandler. Hanaks Freund wurde sein Wegbereiter.
Menschlich ist Hanak der reinste Typus eines Künstlers. Er ist so sehr dem Ideal hingegeben, dass er seine symbolisierende Anschauung auch auf alles Wirkliche überträgt. Um den Erfolg seiner Arbeit ist er ganz unbekümmert.
Er sieht die österreichische Kultur durch den Krieg und Zusammenbruch zerstört, aber er glaubt unerschütterlich an die Möglichkeit eines geistigen Wiederaufbaues. Deshalb allein hat er sich mit Freunden in der „Kunstschau“ zusammengetan, um zu dieser neu aufbauenden Arbeit aufzurufen. Er glaubt an seine Heimat, an ihre Zukunft und ihre Mission.
Im vorletzten Jahr erkannte zwar nicht Österreich, dafür aber die erneuerte Türkei das überragende Schöpfergenie Hanaks. Im Regierungsviertel von Ankara, der neuen Hauptstadt sollte ein mächtiges Denkmal entstehen, das den Dank des Volkes an den republikanischen Polizisten und Gendarmen, den treuesten Helfern der Republik und des Volkes, ausdrücken sollte. Durch die Kraft seiner künstlerischen Argumente vermochte es Hanak, den Auftraggebern die höhere Idee eines Volksmonuments der jungen türkischen Republik zu suggerieren. Das Denkmal wäre Hanaks großes Lebenswerk geworden, eine Arbeit vieler Jahre. Das Werk sollte jedoch unvollendet bleiben, denn mitten in der Arbeit wurde der Künstler von starkem flatterndem Herzklopfen befallen, das ihn zu einer längeren Bettruhe zwang. Sein Zustand besserte sich, um so überraschender war sein plötzlicher Tod.
QUELLEN: Prager Tagblatt, 9. Jänner 1934, S 5, Österreichische Kunst 1934, H 1, S 5, Neues Wiener Journal, 14. Juni 1920, S 3, Der Kuckuck, 21. Juni 1934, S 7, ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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