AUSZUG AUS DER TAGESPRESSE#
FEBRUAR 1918, FRIEDE MIT RUSSLANDNeue Freie Presse 11. Februar: Auf die Erklärung Trotzkis, der Krieg sei beendet, ist eine Gegenerklärung unsererseits nicht erfolgt und vorläufig auch nicht geplant. Für uns ergeben sich aus der durch dieses Ereignis geschaffenen Lage offenbar nur Vorteile. Unser Verhältnis zu Russland wird nunmehr, wie bereits erwähnt, abhängig gemacht von dem Verhalten Trotzkis uns gegenüber, von der Art und Weise, wie sich die russische Regierung gegenüber unseren Abmachungen mit der Ukraine unter anderem auch hinsichtlich des dort ins Auge gefassten wechselseitigen Austausches der Überschüsse verhalten wird. Wir behalten uns in dieser Beziehung freie Hand vor. Wir nehmen jedoch an, dass wir in dieser Beziehung keinen Schwierigkeiten begegnen und dass alle diese Fragen in befriedigender Weise gelöst werden.
Neues Wiener Tagblatt, 11. Februar. Der Friede mit der Ukraine war der gewaltige Hebel, der den russischen Widerstandswillen aus den Angeln hob. Herr Trotzki sah, dass er das Spiel verloren habe und warf die Karten hin. Er wusste, dass er ohne Frieden nicht nach Petersburg zurückkehren könne, denn nur, um ihn zu schließen, war seine Partei zur Macht berufen worden. Es wird noch mancherlei zu tun und zu sorgen geben, manche Schwierigkeiten werden noch hervortreten. Mit Zuversicht, Stärke und Ausdauer wendet sich unser Auge nach dem Westen. Dort stehen noch unsere Feinde. Grimmiger und entschlossener als je, und gewiss wird es auch mit ihnen noch manchen harten Strauß geben. Aber das Ereignis von Brest-Litowsk wird sie wie ein Keulenschlag treffen
Fremdenblatt, 12. Februar, schreibt über die Beendigung des Kriegszustandes mit Russland: Da Trotzki sich nicht darüber täuschen konnte, dass das russische Volk den Frieden will und unwiderstehlich nach dem Frieden drängt, so fand er den Ausweg, ohne formellen Friedensvertrag die Beendigung des Kriegszustandes zu verkünden. Wir können mit dieser Lösung zufrieden sein. Unsere Kriegsgefangenen werden auch ohne formellen Friedensvertrag entlassen, und da schon im Waffenstillstandsvertrag beiderseitige Kommissionen vorgesehen sind, die über wirtschaftliche und rechtliche Fragen zu verhandeln haben und da diese Kommissionen in Petersburg bekanntlich schon arbeiten, zum Teil schon sogar zu Ergebnissen gelangt sind, so wird sich auf dem Weg partieller Vereinbarungen ein tatsächlicher geregelter Friedensverkehr einstellen, der sich immer weiter entwickeln und schließlich auch zu einem formellen Frieden führen wird. Man muss sich hier auf das Gewicht der Anforderungen der Praxis verlassen. Die Anforderungen der Praxis sind es auch, die den Delegierten der Vierbund Mächte verwehren, ihrerseits gleichfalls eine Erklärung über die Beendigung des Kriegszustandes abzugeben. Es ist daher ein natürliches Gebot der Vorsicht, dass wir nicht auch von unserer Seite den Friedenszustand ausdrücklich als unbedingt unantastbar erklären. Natürlich rechnen wir mit aller Bestimmtheit darauf, dass er es ist; aber wir würden, wenn wir uns durch eine solche Erklärung festlegten, der russischen Regierung damit eine Bürgschaft für alle Fälle geben, auch für Fälle, die uns, wie z. B., eine Störung der ukrainischen Getreidesendungen, recht unangenehm wären: Es wird der russischen Regierung vielleicht selbst nicht unwillkommen sein, wenn sie die allzu turbulenten Agitatoren darauf zu verweisen vermag, dass sie durch ihr Treiben mehr Unheil stiften können als sie glauben. Das Ergebnis der Friedensverhandlungen mit den russischen Delegierten ist von dem Standpunkt zu betrachten, dass es für uns galt, zu erreichen, was praktisch nötig und nützlich ist. Nach mehr als vierzig monatlichem Krieg ist die Hauptsache und das Allerwichtigste das Aufhören des Krieges....
QUELLE: Auszug aus der Tagespresse 13. Februar 1918, S 5, ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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