AZIENDAHOF#
Nachdem die Umgebung des Grabens neu gestaltet werden sollte, mussten jene Häuser weichen, die den Graben in Richtung Stephans- und Stock im Eisen Platz abschlossen.
Es handelte sich um 10 Häuser, darunter „Die Goldene Krone“, „Zum schwarzen Elefanten“, „Zur Katze“, „Zur blauen Flasche“ und „Zur weißen Rose“.
In der theresianisch - josephinischen Ära befand sich einst das berühmte Kramer‘sche Literatur Cafe, indem erstmals Zeitungen aufgelegt wurden.
Nach dem Abschluss der Abbrucharbeiten entstand nun durch Eduard van der Nüll und August von Siccardsburg in den Jahren 1865 bis 1867 das erste Warenhaus Wiens, das Haas Haus, das ebenfalls im Zweiten Weltkrieg total ausbrannte. Anschließend an das Haas Haus ließ Nathaniel Freiherr von Rothschild nach den Plänen des damals noch jungen Architekten Carl Freiherrn von Hasenauer der mit seinen 34 Jahren noch eine außergewöhnliche Karriere vor sich hatte, den Azienda Hof 1867.1868 errichten. Als Baumeister fungierte Eduard Kaiser.
Auffällig an den Renaissance Bau war erstmals in Wien, die Glas überdeckte Passage, die daraufhin zahlreiche Nachahmer fand. Auch die reichen Balustraden und die Marmorverkleidungen sorgten bei den Wienern für riesiges Aufsehen und allgemeiner Bewunderung.
Berühmt wurde das Palais nicht nur durch seine architektonische Schönheit sondern durch das Drama, dass sich in diesen Mauern abspielen sollte. Es war der 18. Oktober 1876 als der Geldbriefträger Johann Guga nicht in das Postdirektionsgebäude zurückkam. Guga galt als sehr gewissenhaft und streng und hatte sich bisher nichts zuschulden kommen lassen. Die Polizei wurde verständigt und alle Personen aufgesucht die an diesem Tag Geldsendungen zu erwarten hatten. Doch auf den Besuch des Briefträgers warteten sie vergeblich. Guga hatte oft mehr als 100.000 Gulden bei sich und hatte das Geld stets mit größter Gewissenhaftigkeit den Adressaten zugestellt. Schließlich kam ein Polizeibeamter auch in den Azienda Hof. Hier sollte der Geldbote im vierten Stock, einen angeblich mit 158 Gulden beschwerten, aus Wiener Neustadt abgesandten Brief einem Kaufmann Alfonso Mendoza aus Neapel zustellen. Man hatte Guga wohl hineingehen gesehen aber nicht, dass er die Wohnung wieder verlassen hätte. Die Wohnung wurde aufgebrochen und nun war man mit dem schrecklichen Geschehen konfrontiert. Guga lag in der Mitte des Zimmers in einer Blutlache auf dem Boden. Neben dem Toten bemerkte man die zerrissene, ihres Inhaltes beraubten, mit Blut besudelten Briefe, die durchschnittene Ledertasche und ein langes neues dolchartiges Messer. Der Verbrecher stieß dem Opfer damit in den Hals. Die Ärzte stellten fest, dass der Kehlkopf und die Arterie durchschnitten und den Tod sofort herbeigeführt habe. Die Quartier Geberin konnte den Mann sehr gut beschreiben und somit begann man mit den Nachforschungen.
Der Mörder konnte schließlich in Franzensfeste in Südtirol verhaftet werden. Er war mit der Bahn bis Klagenfurt gefahren, besuchte dort seine Geliebte und benützte den Zug in den Süden. Telegramme hatten alle Polizeistationen über den Mörder informiert. Die Belohnung von 500 Gulden wurden dem Kellner Paulan aus gefolgt dessen Angaben zur Verhaftung des Mörders führte. Der Vorfall sorgte bei den Wienern für Empörung, die Journale berichteten in ganz Österreich über diesen Fall. Der Mörder Enrico Edler von Francsconi so sein Name drohte die Todesstrafe die nicht mehr öffentlich sondern im Galgenhof des Landesgerichtes vollzogen wurde.
Wie die Nachforschungen ergaben, befand sich die Administration des Herausgebers der „Deutschen Musik Zeitung“, Carl Michael Ziehrers im Aziendahof. Diese Wochenzeitung für Theater und Kunst erschien von 1874 bis 1876, dann folgte unter Ziehrers Leitung die „Deutsche Kunst und Musik Zeitung“ von 1877-1880. Für sein hervorragendes Sortiment war die k.k. Universitätsbuchhandlung R. Lechner bekannt, der von der Wollzeile in das prächtige Gebäude am Graben übersiedelt war. Als älteste Versicherung darf wohl die k.k. Azienda Assicuratrice inTriest genannt werden, die einst von dem Kaufmann Joseph L. Morpurgo und dem Rechtsanwalt G.Rosmini gegründet wurde. Morpurgo war es auch der das Versicherungswesen im gesamten Reich der Monarchie forcierte. In allen großen Städten gab es daher Niederlassungen und es könnte sein, dass der Aziendahof dadurch zu seinen Namen kam. 1872 wurde von Moriz Thilen ein Spielwarengeschäft eröffnet. Das großen Zuspruch fand. Der Inhaber der besten und billigsten sowie feuerfesten und einbruchssicheren Kassen, M. Adlersflügel, warb in der „Bombe“ für sein Produkt. Die Niederlage befand sich im Aziendahof und die Fabrik in Mariahilf in der Wallgasse. Ebenfalls in der „Bombe“ war die Anzeige der Mme. Oppel für ihre modernen Damenhüte zu finden, deren Erzeugnisse im Aziendahof man erwerben konnte.
Die „Bombe“ dürfte in dieser Hinsicht sehr gefragt gewesen zu sein, denn auch das im Aziendahof befindliche Parfumeriegeschäft Avis war 1876 dort enthalten. Für die Filz- und Seidenhut Fabrik warb Wilhelm Pless gleichfalls in der „Bombe“. In der Passage des Aziendahofes bot L. Kugler sein Export-Flaschenbier in Kisten an. Der Zahnarzt Dr. Julius Herz hatte in diesem Prachtbau seine bestimmt gut besuchte Ordinantion eröffnet. Ein gutes Geschäft wird wohl Josef Schick mit seinen elastischen Bruchbändern gemacht haben. Weiters war der Verlag des Georg Müller im Aziendahof etabliert. Der Aziendahof war zuerst ein Rothschild-Besitz, dem folgte Alfons Pereira-Arnstein um dann neuerlich in den Besitz des Eugen von Rothschild 1912 gelangte.
Im Zweiten Weltkrieg kam das Ende des Aziendahofes der am 11. April 1945 ausbrannte.Im März 1947 wurde der einst so bewunderte Aziendahof demoliert.
QUELLE: Neue Freie Presse 1876 19. Oktober S 5, Fremdenblatt 1876 16. November S 2, und Bild,Ill. Fremdenzeitung 1908, Heft 12, S 19 ANNO Österreichische Nationalbibliothek