BERTHOLD AUERBACH#
Berthold Auerbach weilte fern der Heimat als ihn am 8. Februar 1882 in Cannes der Tod ereilte. Er zählte zu den hervorragendsten deutschen Schriftsteller, einer der merkwürdigsten Erzähler unserer Literatur und hatte ein halbes Jahrhundert die Aufmerksamkeit der ganzen gebildeten Welt auf sein Schaffen gelenkt.
Er war geflüchtet um den Huldigungen nicht nur zu seinem 70. Geburtstag am 28. Februar verbunden mit der Bezeugung nationaler Erkenntlichkeit für sein dichterisches Schaffen zu entgehen. Mit einer derartigen überraschenden Situation hatte wohl niemand gerechnet. Statt Feier nun Trauer, wie konnte er nur ihnen diesen Schmerz zufügen.
Berthold Auerbach war am 28. Februar 1812 zu Nordstetten im Schwarzwald geboren und von jüdischer Herkunft vereinigt in seinem geistigen Wesen den durchdringenden Scharfsinn und den Hang zum philosophischen Denken, Eigentümlichkeiten des Judentums mit der Gemütstiefe und der Schwärmerei für die Idylle, für das trauliche. Beschränkte.still umfriedete Landleben des deutschen Poeten. Aus diesen Elementen sind die Dichtungen Auerbachs gewebt und sie geben ihnen den eigenartigen Charakter. Auerbach wurde zum Studium der jüdischen Theologie bestimmt und erhielt seine Schulbildung in Hechingen und Karlsruhe, später kam er auf das Gymnasium nach Stuttgart und studierte dann in Tübingen, München und Heidelberg. Die jüdische Theologie sagte dem geistig bewegten jungen Mann nicht zu, er warf sich auf die Jurisprudenz, aber auch hier fand er keine Befriedigung, er ging zum Studium der Philosophie und Geschichte über. In die Bestrebungen der deutschen Burschenschaft verstrickt, büßte er seine Schwärmerei mit einigen Monaten Festungshaft auf dem Hohenasperg, wo einst Schubart gesessen. Im Jahr 1836 begann Auerbach seine schriftstellerische Tätigkeit, er veröffentlichte eine Broschüre „Das Judentum und die neueste Literatur“ Von dieser sozial-literarischen Studie ging er sofort auf das Gebiet der Dichtung über, er schrieb die philosophischen Romane „Spinoza“ und „Dichter und Kaufmann“, übersetzte auch die Werke Spinozas aus dem Lateinischen. Bis hierher überwog noch das philosophisch Wissenschaftliche in diesen Phantasieerzeugnissen. 1843 erschienen die „Schwarzwälder Dorfgeschichten“, eine Folge von sechs Bänden. Diese Schöpfungen nach der Natur seines Landes, originelle Charakterzeichnungen des gemütlichen, nachdenklichen, weichherzigen und hartköpfigen Volkes, welches diese süddeutschen Marken bewohnt, machten Auerbach zu einem der berühmtesten deutschen Schriftsteller. Keiner der späteren aber erreichte die Anmut den Humor und die Kraft der Darstellung diese Verbindung von geschauter Wirklichkeit mit dichterischer Verklärung, welche Auerbachs Dorfgeschichten eigen sind. Dann folgt in dem Leben dieses Autors wieder eine Periode mehr politischer Tätigkeit, in Almanachen und Kalendern suchte Auerbach die Volksbildung zu heben und im Sinne der bürgerlichen Freiheit und Selbständigkeit zu wirken. Schriften dieser Richtung sind „Der Gevattersmann“, „Schrift und Volk“, „Das Tagebuch aus Wien“ das Drama „Andreas Hofer“ und andere mehr. Bald kehrte Auerbach jedoch wieder in seinen lieben Schwarzwald heim, wo sein Talent stets den frischen Odem fand, den er für seine Schöpfungen brauchte. In rascher Folge erschienen jetzt 1856 die Erzählungen „Barfüßele“, „Joseph im Schnee“ und „Edelweiß“, welche großen Beifall fanden. Dann wandte sich dieser merkwürdige Erzähler dem Roman zu und suchte den Salon- und Hofroman mit der Dorfgeschichte zu verbinden. Dies gelang ihm vortrefflich in „Auf der Höhe“ und im „Landhaus am Rhein“, geistvolle und interessante Schöpfungen. Das Jahr 1871 regte ihn zu seinem Tagebuchroman „Waldfried“ an, diesem folgten die Dorf geschichtlichen Erzählungen „Landolin von Reutershofen“, „Der Forstmeister“, „Unterwegs“ und „Brigitta“.
Eine Lungenentzündung´ und deren Folgen setzten dem Schaffen dieses ausgezeichneten Schriftstellers fast plötzlich ein Ziel. Fassen wir das Urteil über das reiche und mannigfaltige Schaffen dieses Autors in wenigen Worten zusammen: Die Nachwelt wird Auerbach als den Vollender einer Erzählungsgattung stets hoch in Ehren halten, als den Schöpfer der Dorfnovelle, des Dorfromans, sie wird auch anerkennen, dass in allem, was dieser rastlos schaffende Mann geschrieben, ein starker, origineller Geist lebt und ein edles, warmes Herz schlägt, das stets das Glück seiner Mitmenschen wollte und für jede Kreatur Liebe und Verständnis hatte.
...An jeder bedeutsamen Wendung im Leben des deutschen Volkes nahm Auerbach den wärmsten schriftstellerischen Anteil und mit den hervorragendsten Repräsentanten desselben stand er in freundschaftlichem Verkehr. Im deutsch-französischen Krieg loderte sein deutscher Patriotismus in hellen Flammen auf, er schrieb nach der Eroberung von Elsaß die Schrift „Wieder unser“, und war wegen seines patriotischen Feuereifers vehementen Angriffen in vielen Journalen ausgesetzt. Und dieser Mann, der sein ganzes Leben , sein Dichten und Denken dem deutschen Volk widmete, Millionen und Millionen Deutscher durch seine oft gedruckten Werke entzückte und belehrte und den deutschen Sprachschatz durch die Einführung und Verbreitung von Worten und Wendungen aus dem Munde des Volkes in seinen zahlreichen Schriften bereicherte, wurde plötzlich aus der deutschen Gemeinschaft ausgestoßen, als Semit mit seinen Stammgenossen, mit denen er sich brüderlich verbunden fühlte, nach Asien verwiesen! Diese Wolken des Rassenhasses mussten den Abend seines Lebens umdüstern, und in trüber und bitterer Stimmung schied einer der größten deutschen Schriftsteller unserer Zeit von der deutschen Nation...
Was nur wenige wissen werden, Berthold Auerbach war langjähriger Vorleser bei Kaisern Augusta gewesen, doch als die antisemitischen Wirren mit Stöcker an der Spitze begannen, fiel auch Auerbach als Opfer jener Partei am preußischen Hof, die mit den Antisemiten sympathisierten. Wie zu bemerken war, dass Kaiserin Augusta selbst die heftigste Gegnerin nicht allein der Entlassung Auerbachs, sondern der genannten antijüdischen Bestrebungen überhaupt war, wie ja später ihr Testament glänzend erwiesen hat,
Auerbach der zu den Lieblingsschriftstellern der deutschen Nation zählt, war ein Günstling der Weimarer Prinzessin, die zu den Füßen Goethes gesessen und später deutsche Kaiserin wurde.
Bei dieser Gelegenheit sei für die Wiener Lesewelt besonders interessant erwähnt, dass Auerbach langjähriger glänzender Mitarbeiter der „Neuen Freien Presse“, Josef Oppenheim der im Juli 1900 verblich, gleichfalls wie Auerbach , in seinen jungen Jahren ein hoch orthodoxer Talmudist gewesen .
Auerbachs Gattin Nina, geb. Landesmann verschied hoch betagt . am 29. September 1900. Ihre Eltern hatten in Wien ihren Wohnsitz.
QUELLE: Die Neuzeit 24. Februar 1882, S 1, Neue Ill. Zeitung 19. Februar 1882 S 1, Illustrierte Welt 1882 , Heft 34 Seite 2, Die Neuzeit 12. Oktober 1900 Seite 2,BILD:Neue Illustrierte Zeitung, 19. Februar 1882 , S 1. ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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