DAS BRACHY TELESKOP#
1880:Der große Mathematiker Joseph Louis Lagrange (1736 bis 1813) hat behauptet, dass das Fernrohr den Astronomen macht. Wenn dieser Ausspruch nicht ganz richtig ist, da ja das Altertum glanzvolle Namen, wie Hipparchos und Ptolemäus, aufweisen kann, so muss man dennoch zugeben, dass wir die großartigsten Entdeckungen, welche der Himmelskunde seit zwei Jahrhunderten gelungen sind, wenigstens teilweise dem Fernrohr zu verdanken ist.
Aber nicht nur der Himmelsforscher vom Fach zieht aus dieser Erfindung Nutzen, sondern jeder interessierte Mensch hebt seinen Blick des öfteren mit Vorliebe zu den ewigen Gestirn empor und sucht sich mit Hilfe eines guten Telekops in die Unendlichkeit des Weltalls zu vertiefen.
Wie bekannt, gibt es zwei Arten von Fernrohren: Dioptrische und katoptrische Teleskope; ein größeres Instrument der ersten Art nennt man gewöhnlich einen Refraktor, von der zweiten dagegen eine Reflektor. Eine sichere Entscheidung der Frage, welche von den beiden Arten den Vorzug verdient, ist gegenwärtig noch nicht möglich; in dieser Beziehung hängt viel davon ab, für welchen Zweck man es zu verwenden gedenkt, welche Anforderungen werden gestellt. Natürlich spielt auch der Preis eine große Rolle. Oft leistet ein bescheidenes mehr als ein kolossales Instrument.
In diesem Fall ist das Brachy Teleskop, ein Spiegel Fernrohr, das im Jahr 1876 von J. Forster und K. Fritsch erfunden. Diese junge Erfindung hat bereits zahlreiche Anhänger gefunden, denn der Inhaber Karl Fritsch ist stets bemüht an dem Instrument immer weitere Verbesserungen vorzunehmen. Die Konstruktion des Brachy Teleskop ist so originell, dazu die großen Vorzüge die es zu bieten hat. Der Effekt aller Spiegel Teleskope liegt darin, das ein Hohlspiegel von einem entfernten, hellen Gegenstand in der Nähe des Brennpunktes ein umgekehrtes Bild erzeugt. Dieses kann nun auf verschiedene Weise betrachtet werden und darauf beruhen eben die zahlreichen Arten von Reflektoren. Wie das aber auch geschehen mag, so wird in keinem Fall, wie es ja natürlich ist, der zentrale Hauptstrahl benutzt werden können, sondern man muss sich begnügen, jenen zentralen Punkt, welche zur Unwirksamkeit verurteilt ist, auf ein Minimum zu reduzieren.
In dem Fernrohr von Newton werden die von dem Hohlspiegel zurück geworfenen Strahlen kurz vor ihrer Vereinigung durch einen kleinen Planspiegel, der gegen die optische Achse des Hauptspiegels unter einem Winkel von 45 Graden geneigt ist, aufgefangen und in ein Seitenrohr reflektiert, wo das Bild mittels eines Okulares angesehen wird. Der kleine Spiegel hält somit die ganze Zentralpartie der Lichtstrahlen ab; außerdem hat dieses Fernrohr noch die Unbequemlichkeit an sich, dass der anvisierte Gegenstand sich nicht vor dem Beobachter, sondern zu seiner Seite befindet.
Die Instrumente von Gregory und Cassegrain sind zwar so eingerichtet, dass man das zu beobachtende Objekt gerade vor sich hat, unterscheiden sich aber von den früheren durch eine Abänderung, die kaum als Verbesserung angesehen werden kann. Statt eines ebenen Spiegels ist ein gekrümmter enthalten. Da die optische Art desselben mit der des großen Spiegels zusammenfällt so muss man, um das entstandene Bild betrachten zu können, den großen Spiegel in der Mitte durchbohren, wodurch die optische wichtige Stelle ganz weggeschnitten wird, während sie beim Newton Teleskop zwar vorhanden, aber dennoch ganz wirkungslos ist.
Zu großer Vollkommenheit wurden die Reflektoren durch Herschel gebracht, welcher den Hohlspiegel schief gegen die Achse des Fernrohres stellte und das durch denselben entworfene Bild, ohne es durch einen zweiten Spiegel reflektieren zu lassen, direkt durch ein Okular betrachtete. Vermöge dieser Konstruktion hat man beim Beobachten den Gegenstand hinter seinem Rücken, man sieht, um populär zu sprechen, an jener Stelle hinein, wo ein gewöhnliches Fernrohr die Objektivlinse hat. Da bei dieser Einrichtung durch den Kopf des Beobachters die Lichtstrahlen teilweise verhindert werden in das Rohr zu treten, so darf dieselbe nur auf Instrumente von bedeutendem Umfang angewendet werden, damit der offene Teil des Rohres noch immer viel größer bleibt, als der verdeckte. Man sieht nun, dass das Teleskop von Herschel zwar die lichtstärksten Bilder liefert, aber in seinen Dimensionen nach einer Seite hin beschränkt ist, indem man bei der Konstruktion unter eine gewisse Größe nicht herunter gehen darf.
Das Brachy Teleskop dagegen kann in allen beliebigen Dimensionen ausgeführt werden, während es doch gleichzeitig den großen Vorzug des Herschel Fernrohr besitzt, dass der weitaus größte Teil der von der Zentralpartie des Spiegels reflektierten Lichtstrahlen bei der Erzeugung des Bildes verwendet wird. Forster und Fritsch erreichten diesen Vorteil dadurch, dass sie den Hohlspiegel des Fernrohres von Cassegrain so lange drehten, bis seine optische Achse aus dem Bereich des kleinen Spiegels um eine durch die Rechnung genau zu bestimmende Strecke hinaus rückt. Durch diese seitliche Stellung des Hohlspiegels entfällt die Durchbohrung desselben, und überdies gewinnt man die ganze zentrale Partie.
Der Gang der Lichtstrahlen wird durch die beigegebene Figur deutlich gemacht. Der in einem Messingrohr Stutzen befindliche Hohlspiegel M wirft die von einem Gegenstand kommenden Strahlen AB konvergierend auf einen kleinen Konverspiegel m, der ebenfalls mit einem kurzem Messingrohr vv umgeben ist, von wo sie abermals reflektiert werden und sich hinter dem großen Spiegel zu einem Bild a, b vereinigen, welches, durch das Okular vergrößert, in A, B gesehen wird.
Da nach dieser Konstruktion der vom kleinen Spiegel reflektierte Strahl zu dem einfallenden nicht parallel ist, so wird zum leichten Aufsuchen eines Gegenstandes links vom Okular ein Sucher S angebracht. Das Okularrohr trägt zugleich beide Spiegel; hinter jedem derselben befinden sich drei Schräubchen s, welche zum Rektifizieren dienen.
Beide Spiegel sind sehr fein polierte parabolische Glasflächen, die auf nassem Wege versilbert werden, sie können zwar im Laufe der Jahre durch atmosphärische Einflüsse ihre Politur teilweise verlieren, so dass eine neue Versilberung nötig wird; die diesbezüglichen Kosten sind aber so unbedeutend, dass man davon ganz absehen kann.
Was dieses Instrument gleich beim ersten Anblick besonders anziehend macht, ist seine kompendiöse Gestalt, und da es überdies ein eigentliches Rohr für den großen Spiegel ganz entbehrlich macht, so hat es ein sehr geringes Gewicht. Die Zusammenstellung des Telekopes gestattet dasselbe kürzer als ein Newtons zu machen, von welcher Eigenschaft auch sein Name „Brachy Teleskop“ (Kurzfernrohr) oder „Brachyt“ stammt. In Folge dessen kann es leicht transportiert und in ganz einfacher Weise, ohne alle Vorbereitungen aufgestellt werden. Ein Tourist kann das Instrument, wenn es in die Kassette verpackt ist, ähnlich wie einen kleinen Reisekoffer überall hin mit sich tragen und selbst in der Eisenbahn mitnehmen, während ein gewöhnliches Großfernrohr von gleicher Leistungsfähigkeit, einen eigenen Träger erfordert,
Die aus der Theorie gefolgerte vorzügliche Güte des Instrumentes wird durch die Erfahrung in vollem Umfang bestätigt. Auf der Wiener Sternwarte wurden in den letzten Jahren mit dem Brachy Tekeskop zahlreiche Beobachtungen angestellt, die zur größten Zufriedenheit ausgefallen sind. So wurden mit einem von Fritsch angefertigten Instrument kleinerer Dimension (4 Zoll Spiegeldurchmesser) Doppelsterne wie y Virginis, e Lyrae 5 Lyrae, der Polarstern und Riegel ohne Schwierigkeiten auch bei mittelmäßig reiner Luft aufgelöst. Herr Fritsch hat in Folge dessen von dem Direktor der Sternwarte, Professor Dr. E. Weiß, ein sehr beifälliges Attest erhalten. Unter den mehrfach anerkennenden Urteilen sei auch noch das von Herausgeber der „Gdäa“ Dr. Hermann J. Klein in Köln erwähnt der das Brachy Teleskop wiederholt an himmlischen Objekten geprüft hat. Ausgezeichnete Dienste leistete es ihm z. B., bei seinen Beobachtungen des Mondes und dem Merkur Durchgang am 6. Mai 1878.
Wenn auch beim Brachy Teleskop ein geringfügiger Teil der Lichtstrahlen, wie es eben nicht anders möglich ist, durch den kleinen Spiegel abgehalten wird, so zeigen die Bilder dennoch in Folge der in überwiegendem Maße zur Geltung gelangenden Mittelstrahlen eine eine bedeutende Lichtstärke, und es treten hier nicht solche Unannehmlichkeiten auf, wie sie z. B., in einem Teleskop von Newton bei Beobachtung eines hellen Fixsternes vorkommen. Das Bild erscheint nämlich in diesem Fernrohr von zwei aufeinander senkrecht stehenden Strahlen durchzogen, welche Herr Fritsch der Beugung des Lichtes an dem den Planspiegel tragenden Stäbchen zuschreibt. Ganz auffällig zeigt sich dieser Umstand bei den J. Browning ausgeführten Reflektoren, wo der kleine Spiegel statt von einem, symmetrisch von drei Stäbchen gehalten ist, und das Bild von sechs konstant bleibenden Strahlen durchschnitten wird, die sich oft in sehr störender Weise namentlich bei Beobachtungen von Doppelsternen geltend machen können.
Im vorigen Jahr hat das Bachy Teleskop durch Fritsch eine vollständige parallaktische Aufstellung erhalten, wie sie bei astronomischen Beobachtungen gefordert wird. In dieser neuen Gestalt hat das Instrument zu seinen inneren Vorzügen auch noch eine äußere Vervollständigung und Zugabe bekommen.
Soeben wurde in dessen optischer Werkstätte ein Brachy Teleskop größeren Umfang (8 Zoll Spiegeldurchmesser) mit Azimutal Aufstellung vollendet und ist bestimmt, demnächst an Herrn Doll in Terni Italien abzugehen.
Die wertvollen Eigenschaften des Brachy Teleskop sind die größere Lichtstärke, die schärfere Definition der Bilder, die geringen Dimensionen, der niedrige Preis mit allem Zubehör und Kassette 220 Gulden, ferner eine Brachit auf Gußeisenstsativ mit einfacher Montierung und Orientierungskreisen 280 Gulden; ein Brachy Teleskop mit vollständiger parallaktischer Montierung 450 Gulden.
QUELLE: Neue Ilustrierte Zeitung, 18. Jänner 1880 , S 11. sowie Bilder ,ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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