DAS VEILCHEN#

violett
Veilchen

„Kaum eine Blume nimmt, nächst der Königin der Blumen, der Rose, eine höhere Stellung ein, als das bescheidene Veilchen“ stellte bereits Theophrastus Paracelsus einst fest, und diese Ansicht des Begründers der modernen Heilkunde bestätigt die Kultur- ud Literaturgeschichte auf jedem Blatt. Es gibt kaum ein Volk das diese duftende, liebliche Pflanze nicht in sein Herz geschlossen hätte. Homer und Ovid, Goethe und Shelley haben sie verherrlicht, Mozart und Cornelius haben ihr ihre schönsten Töne gewidmet. Mohammed hat den Veilchenduft über alle anderen Düfte gestellt: „Die Herrlichkeit des Veilchens ist wie die Herrlichkeit des Islams über alle Religionen.“ hat er schwärmend ausgerufen. Shakespeare liebte es als seine Lieblingsblume, auch die große französische Clairon widmete ihm eine leidenschaftliche Neigung, und einer ihrer Verehrer hat ihr darum 30 Jahre lang, tagaus, tagein jeden Morgen ihr einen Veilchenstrauß überreicht. Goethe trug gern Veilchensamen in seiner Tasche und streute sie am Weg aus, eine Gewohnheit, der Ilm Athens Umgebung seinen Veilchenreichtum verdankt. Friedrich Wilhelm III., bekränzte das Bild seiner dahingegangenen Lebensgefährtin mit Veilchen; in der Erinnerung an die Mutter liebte auch der Kaiser Wilhelm I., die Blume besonders, und den ganzen Winter hindurch pflegten liebende Hände sein Frühstücksgeschirr mit Veilchen zu schmücken. Diese Vorliebe erbte Kaiser Friedrich, der das Veilchen vor allen anderen Blumen zu seinem Liebling erhoben hatte. So ist von je dies bescheidenste aller Kinder Floras wohl am meist gesucht, am innigsten geschätzt worden.

Wenn der Frühling ins Land zieht, kündet ihn das Veilchen als die lieblichste Botin, und gern hat sich von je die Volksfantasie mit dem Ursprung des holden Wunders beschäftigt. Eine orientalische Sage erzählt, dass Adam, als ihm der Herr nach 100 Jahren der Buße seine Sünden vergab, Tränen der Freude und der Demut vergossen habe, und ihnen sei das Veilchen entsprungen. Die Griechen meinten, Jupiter habe die versteckte Blume als eine Nahrung für die geliebte Jo geschaffen, die die eifersüchtige Juni nicht so leicht bemerken konnte. Schöner ist die hellenische Mythe, die die Verbreitung des Veilchens auf Proserpina zurückführt. Als sie auf Sizilien, sonnigen Fluren Blumen sammelte, wurde sie von Pluto überrascht und in den dunklen Hades entführt. Da ließ die Erschrockene ihren Strauß fallen, seine Veilchen aber verbreiteten sich von da über die ganze Erde. Hiervon schreibt sich bei den Hellenen die Bedeutung der Blumen zugleich als ein Zeichen des Todes, dessen traurige Herrin nun Proserpina wurde, wie auch der Jungfräulichkeit, deren Ende das Veilchen für die Göttin bedeutete. Die Bildsäulen der Laren wurden mit Veilchen bekränzt der Grabhügel damit geschmückt, der Sarg der Jungfrau mit ihnen bestreut. Doch wurzelt die Stellung des Veilchens als Symbol der Kindlichkeit und Unschuld nicht in einer spezifisch nationalen Vorstellung der Griechen, sondern entspringt den lieblichen Eigenschaften der Blume die das zarteste Alter des Jahres begleitet. Darum hatten auch die Gallier die gleiche Auffassung von ihr und kränzte das Lager der Braut mit Veilchen, und bei unseren Vorfahren trugen die Mägdlein bei den Frühlingsfesten duftende Veilchen auf dem Haupte.

Am innigsten aber war das Veilchen von je mit der Vorstellung der Bescheidenheit und der Treue verbunden. Als Symbol dafür haben sie schon im Orient die Hirten verehrt. Abraham a Santa Clara schmückt die Braut im hohen Lied mit dem Veilchen der Demut; in der Ritterzeit sandte es die Dame ihrem Getreuen als ein Zeichen der Beständigkeit, und Goethe hat dem Blümlein der Bescheidenheit ein unvergängliches Denkmal gesetzt: „Ich ging im Wald so vor mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn..“

Veilchen
Kaiserin Eugenie

Im Altertum war Athen die Stadt des Veilchens par excellence. Die Athener liebten das Veilchen über alles, und um sich seiner stets erfreuen zu können, legten sie große Veilchenzüchtungen an. So fand man, wie Aristophanes erzählt, auf dem Markt vor Athen auch im Winter diese Kinder des Frühlings. Beim Fest und Gelage durften sie, besonders in der Form von Kränzen, nie fehlen; im Frühling wurden die Kinder, die das dritte Jahr erreicht hatten, mit Veilchen bekränzt, worin wir wohl mehr eine Lenzesfeier, als den Ausdruck des Dankes dafür, dass die Kleinen das gefährlichste Alter überstanden hatten, zu sehen haben. Das Veilchen wurde geradezu eine Art Wappen für Athen „Die Veilchenkränze“ wurde die Stadt genannt, und Pindar sang: Da verbreiten liebliche Veilchendüfte sich über das Land.

Das Wonneland

Die Römer übernahmen diese Vorliebe. Aus Henna in Sizilien und aus dem blumenreichen Pästum bezogen sie besonders schöne Veilchen. Aber bei ihnen nahm die Vorliebe für die Blume allmählich üppige Formen an. In verschwenderischen Reichtum wurde die Blume verwandt, um Veilchengärten zu halten, wurde die Erde der nährenden Olive entzogen, und eine kunstreiche Industrie verwandte das Veilchen um dem Wein seinen süßen Duft mitzuteilen. Diese Erfindung haben übrigens, wohl völlig selbständig von den römischen Gourmands, auch die Orientalen gemacht. Ihr feinster Sorbet ist nach einer Mitteilung von M., von Strantz ein Decoct von Veilchen und Zucker, und Lane, der unvergleichliche Kenner des modernen Ägypten, versichert, dass dieses Produkt allerdings der köstlichste Blütennektar sei, den man sich denken könne.

Von so luxuriöser Verwendung ist das deutsche Mittelalter ganz frei. Es gibt kaum eine Blume, der das Volk damals eine, fast darf man sagen, rührender Verehrung entgegen gebracht hätte, als das Veilchen. Auch Heilkraft ist dem Veilchen zu eigen: wenn man das erste Veilchen, das man im Frühling findet, kaut, so schützt man sich gegen das kalte Fieber.

In Bezug auf viele Blumen hat der Geschmack gewechselt, in Bezug auf das Veilchen nie und gerade in der neuesten Zeit hat es in Geschichte und Volksleben wieder eine bedeutsame Rolle gespielt. Es ist zur Parteiblume geworden, zur Blume der Napoleoniden. Die Stellung verdankt es Josephine. Als sie damals noch Frau von Beauharnais, im Gefängnis saß und traurig ihre Verurteilung erwartete, überreichte ihr das Töchterlein des Gefängniswärters einen Veilchenstrauß. Diese Liebesgabe empfand sie als großen Trost, und als sie am nächsten Tag ihre Befreiung erfuhr, sah sie in dem Veilchen eine Vorbedeutung. Fortab war das Veilchen ihr Liebling, sie umgab sich mit seinen Blüten, stickte sie auf ihre Kleider und bevorzugte die veilchenblaue Farbe. Als sie Napoleon erstmals begegnete war sie mit Veilchen geschmückt. Als sie mit ihm zum Traualtar trat trug sie einen Veilchenstrauß in der Hand. Alljährlich an ihrem Hochzeitstag sandte der Gemahl ihr Veilchen.

Kein Wunder dass der dritte Napoleon, der in allem seinem großen Ahn anzuknüpfen suchte, das Veilchen zu hoher Ehre brachte. Es wurde gewissermaßen offiziell, und die schöne Eugenie begünstigte es selbst im höchsten Maße.

Als Napoleon III., auf der Totenbahre lag umgaben ihn Veilchen. So wurde das Veilchen wie bei den Hellenen wieder zur Totenblume.

Als Veilchen Paradies darf wohl die Riviera genannt werden, wo weite Veilchenfelder balsamischen Duft verbreiten und Cannes und Nizza allein alljährlich etwa 60.000 Pfund Veilchen liefern. Hier ist auch die Geburtsstätte der feinsten Veilchenparfüme.

Auch in Deutschland wurden in Erfurt und Potsdam Veilchen gezüchtet. Ein ganz besonders schönes Veilchen verdanken die Gärten von Sanssouci, Kaiserin Friedrich, die es aus England hierher importierte. In England genießt das Veilchen außerordentliche Liebe.

Aber wenn eine Blume der Kunst widerstrebt, so ist es diese herrliche Schöpfung der Natur. Gerade Märzveilchens süße Bescheidenheit ist sein wirksamster Reiz.

QUELLE: Innsbrucker Nachrichten, K. Münch ÖNB. Bildmaterial: I.Ch. Graupp

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