DAS ZENTRALBAD#
In der Weihburggasse im 1. Bezirk wurde 1888 gerade das neue Wiener Zentralbad errichtet und ging seiner baldigen Vollendung entgegen. Bekanntlich wollte schon Erzherzog Johann die beiden Häuser Nr. 18 und 20 ankaufen um daraus ein Palais zu errichten. Nachdem er den Plan wieder verwarf, erwarben die Architekten Endl und Honus den Baugrund um selbst ein mit allem erdenklichen Komfort ausgestattetes Zentralbad zu erbauen. Als Endl starb setzten Honus und Lang das Werk fort. Die Anrainer verwahrten sich zwar gegen die Anlage eines Bades, allein alles war erfolglos, denn die Bauführenden wiesen die Anwendung aller möglichen Schutzvorrichtungen nach und so wurde am 8. November 1888 durch die Statthalterei die endgültige Baubewilligung erteilt.
Die Anstalt wird eine wahre Sehenswürdigkeit Wiens werden und Wannenbäder, Dampfbäder Moor und Medizinalbäder uam., enthalten.
Wer in der Sommerzeit Wien nicht verlassen kann hat trotzdem die Möglichkeit sich zu erfrischen, denn in der Kaiserstadt entstanden in den letzten Jahrzehnten mehrere Badeanstalten unter welchem das vor einigen Jahren erbaute Zentralbad eines der bedeutendsten und dem Zweck entsprechende der Haupt- und Residenzstadt Wien ist. Die Erbauer dieser hervorragenden Badeanstalt, deren Architekten machten Studienreisen ins Ausland und sammelten für das zu errichtende Werk die nötigen Daten. Und wie man nun feststellen kann ist es ihnen tatsächlich gelungen mit dem Zentralbad eine hygienische Musteranstalt allerersten Ranges zu verwirklichen.
Vornehm und imposant von außen, verrät das Innere bis in die kleinsten Details wahre Kunst, während die technischen Einrichtungen in den Bädern den Superlativ architektonischen und baulichen Wissens bedeutet.
Das Zentralbad ist eigentlich eine Kuranstalt im Herzen von Wien und eine bequeme Erholungsstätte für diejenigen die beruflich an die Stadt gebunden sind und keine auswärtigen Kuren aufsuchen können.
Aber auch dem Fremden kann die Einrichtung viel bedeuten, wenn dieser in einem Hotel älteren Stils abgestiegen und sich vielleicht ein wenig verwöhnen lassen möchte, da wäre er im Zentralbad an der richtigen Adresse. Zu den allgemein bekannten Badeeinrichtungen des Zentralbades kommen noch hinzu Wannen- und Ruhekabinen, Massagen, Wasserheilverfahren, Heißluftbehandlung, elektrischen Lichtbädern und elektro therapeutischen Verfahren und allen anderen Medizinbädern.
Die Leitung der Anstalt ist stets bemüht dieses bedeutende Kuretablissement auf seinem Niveau zu erhalten und als erstklassiges Institut weiter empfehlen zu können.
1913 erhielt die Arbeiter Zeitung von einem Stammgast des Zentralbades eine Nachricht mit folgendem Inhalt: „Seit vielen Jahren besuche ich regelmäßig das Zentralbad in Wien. Obgleich mir der Aufenthalt in den nicht ventilierten Kellerräumen des Dampfbades nicht gerade angenehm war, so blieb ich meiner Gewohnheit treu, weil das tüchtige langjährige Badepersonal sich ehrlich mühte, dadurch Ersatz zu schaffen, dass es Wünsche der Stammgäste genau kannte und sie mit Eifer erfüllte.
Seit dem neuen Jahr ist es anders. Zu Neujahr verließ plötzlich der langjährige Direktor dieses Bades seine Stellung, der Besitzer des Bades übernahm selbst die Leitung, und statt das Bad einer gründlichen Erneuerung zuzuführen, wechselt er fleißig und gründlich sein bewährtes Personal. Ich könnte nun einfach ausbleiben, aber ich glaube, dass diese Sache von allgemeinem Interesse ist. Darum wende ich mich an Sie. Außer dem Direktor entließ der Besitzer den Verwalter, den Betriebsleiter, zwei Empfangsfräulein und neunzehn Badediener und Dienerinnen, so dass mehr als die Hälfte des Personals schon entlassen ist.
Diese Leute wurden alle ohne Angabe von Gründen gekündigt und jeder zur selben Stunde mit einer dreitägigen Lohnabfertigung entlassen. Sie sollten mit den Badebesuchern nicht mehr zusammenkommen und diese nicht über die Entlassungen unterrichten können. Aber meiner Aufmerksamkeit entging das nicht. Das ganze Personal ist in Furcht und Erregung. Niemand weiß, ob er nicht abends schon entlassen ist. Ich will nur einige krasse Fälle zur Beleuchtung des Gesagten anführen. Der Badediener Lustig diente fünfzehn Jahre. Er wurde plötzlich grundlos entlassen, ebenso der Kabinendiener Wilczek. Dessen Vater diente dreiundzwanzig Jahre im Zentralbad, der Sohn zwölf Jahre. Dieser steht nun mit seiner Familie arbeitslos da. Betriebsleiter Sigel war fünfundzwanzig Jahre im Zentralbad in Stellung und wurde durch Seckatur zur Kündigung gezwungen. Die Bediensteten müssen für abhanden gekommene Wäsche aufkommen. Alljährlich zahlen diese im wesentlichen nur auf Trinkgeldeinnahmen angewiesenen Menschen Hunderte von Kronen für Wäscheersatz. Die meisten beziehen nur 6 Kronen an Wochenlohn, wofür sie täglich zwölf Stunden ohne Essen- und Ruhepausen in den dumpfen moderigen Räumen zubringen müssen. Ein Diener musste sogar von seinem Trinkgeld das er von den Badegästen erhält, durch mehrere Jahre an zwei andere Bedienstete wöchentlich 12 bis 14 Kronen an Lohn zahlen; das wurde anlässlich des Dianabadskandals eingestellt,, weil man eben einen Skandal fürchtete; doch anstatt dass dem Diener das Geld rückvergütet worden wäre wurde er kurzerhand entlassen. Wenn diese saubere Wirtschaft nicht in die Öffentlichkeit kam, so ist es nur dem Umstand zuzuschreiben, dass sich keiner der Bediensteten zu reden wagt. Jeder fürchtet, die Entlassung. Vom Badeverwalter wurden vor einigen Wochen abwechselnd alle Badebediensteten zwangsweise zehn bis vierzehn Tage beurlaubt, doch nur darum, damit den Leuten kein Lohn gezahlt werden muss. Dagegen erhielten sämtliche Angestellten mit Monatslohn nicht einen Tag Urlaub. Diesen wäre auch während der Urlaubszeit der Gehalt zu zahlen. Ich glaube nun im Namen vieler Stammgäste zu handeln, wenn ich gegen dieses schmutzige Ausbeutungssystem, das jetzt im Zentralbad herrscht, Einspruch erhebe, umso mehr, als es ja eigentlich nur die Besucher sind, die den Besitzer, den Herrn Moscode Majo, das Badepersonal entlohnen. Von dem Wochenlohn von 6 Kronen lebt keiner“.
Einen grässlichen Unfall gab es im Juli 1915 im Zentralbad. Der 65 jährige Maschinist Karl Dill wollte in einem Wasserreservoir eine Reparatur ausführen und schlüpfte durch die engen Öffnungen in ein Reservoir, in dem das Wasser fast zwei Meter stand. Man nimmt an, dass er auf einen Pfosten stand und durch die Hitze ohnmächtig geworden ins Wasser stürzte. Als nun ein anderer ;Maschinist nach ihn rief und nie eine Antwort bekam, .lief er hinauf und verständigte die Feuerwehr. Bald darauf kam ein Hilfszug und machte sich unter den schwersten Umständen an die Bergung des Verunglückten. In die Tiefe des zweiten Kellergeschosses musste die Mannschaft mit Behelfen hinab. Um die herrschende Hitze zu mindern wurden während des Kriechens durch die Röhren nasse Kotzen auf die Röhren gelegt. In dem zweiten Reservoir herrschte eine Gluthitze und die Mannschaft musste mehrmals abgelöst und gelabt werden. An der Sohle des Reservoirs fand man den Körper Dills liegen. Da sie das Wasser nicht ablassen konnten, wurde Dill mit einer Kralle an die Oberfläche gezogen. Die Feuerwehr legten dem Toten eine Leine um und mit ihm mussten sie wieder durch die Rohre schlüpfen. Sie waren total erschöpft. Dem Toten hing die Haut in Fetzen herab.
In eine fatale Lage geriet der Schauspieler Arnold Korff als er zu Weihnachten 1917 das Zentralbad besuchte. Ein unbekannter Langfinger hatte, während Korff sich im Bad erfrischte, die Schuhe und Gamaschen gestohlen. Im Bad war man über den Diebstahl sehr aufgebracht, noch dazu weil am Vortag einem anderen Besucher dem Buchhalter Moritz Robinson aus einer Brieftasche sieben Hundert Kronen entwendet wurden. Das Personal passte nun besonders gut auf. Einem Badediener war ein junger Bursch aufgefallen, der sich öfter im Zentralbad aufhielt. Nach einigen Tagen ließ sich der junge Mann wieder sehen. Während dieser sich badete wurde seine Kabine untersucht und siehe da, man fand die Schuhe des Schauspielers, der gerade anwesend war und sein Eigentum sofort erkannte. Weiters entdeckte man einen Schlüssel zur Kabine 44 aus dem Herrn Robinson das Geld gestohlen wurde. Der junge Badegast wurde sofort festgenommen. Es war der 16jährige Schauspieleleve Josef Leitzinger. Er war der Sohn eines Markthelfers. Er musste dann noch weitere Diebstähle zugeben. Er wurde zu 15 Monate schweren Kerker verdonnert.
Um das Jahr 1922 stand das Zentralbad vor der Schließung, zwei Millionen Defizit.
Das Personal des Zentralbades wurden Ende Februar durch die Mitteilung der Badeleitung völlig überrascht, dass die Eigentümer des Bades entschlossen seien, den Betrieb einzustellen und sämtlich Angestellte zu entlassen.
Das Zentralbad zählt zu den vornehmsten Bädern der Stadt und ist das einzige im ersten Bezirk. Wenn es durch die hohen Preise nur von Menschen besucht werden kann die es sich das leisten können, so ist es dennoch wie jedes Bad in der an solchen Anstalten in nicht allzu reichen Großstadt, eine Notwendigkeit. Das Zentralbad gehört inzwischen einer englischen Gesellschaft, deren verantwortlicher Leiter der Rechtsanwalt Dr. Oskar Brecher ist. Er war es der den Angestellten des Bades von der Schließung wegen des Defizit von 2 Millionen Kronen eröffnete. Diese Mitteilung rief bei den 50 Angestellte große Erregung hervor. Gerade die Erhöhung der Preise habe sehr viele Gäste vertrieben . Trotzdem gehe das Bad ganz gut und eine Schließung wäre eine Katastrophe für die Bediensteten.
Dr. Brecher schlug den Angestellten vor den Betrieb selbst zu übernehmen, der Betriebsrat war sofort damit einverstanden. Die erste Woche ergab ein sehr günstiges Resultat und es wurde ein ansehnlicher Überschuss erzielt. Trotz allem schwebte das Personal in großer Sorge um die Zukunft. Es hat sich nämlich unter ihnen das Gerücht verbreitet, dass die Eigentümer entschlossen seien das Zentralbad unter allen Umständen zu sperren. Das Gebäude soll angeblich an ein Konsotium verkauft werden welches beabsichtigt, das Bad in ein Vergnügungslokal umzuwandeln.
Im Jahr 1925 starb der bekannte und beliebte Franz Fabrizi. Er war in seinem Beruf als Hühneraugenoperateur sehr gesucht und war viele Jahre nicht nur im Zentralbad sondern musste auch Kaiser Franz Joseph von dem Übel befreien. Noch in seinen alten Tagen erzählte er davon wie er abgeholt wurde entweder in die Hofburg oder nach Schönbrunn und sogar nach Ischl wurde er geholt. Stets um 9 Uhr musste er seines Amtes walten.
Fabrizi musste sich einer Operation unterziehen, einige Wochen darauf ist er im Spital der Barmherzigen Brüder gestorben. Als habe er sein Ende geahnt so hatte er sich von jeden im Zentralbad verabschiedet.
1926 scheint das Zentralbad wieder in einer Zeitung auf , mit der Bemerkung seit Jahren die Badeanstalt der guten Gesellschaft und der Sportwelt zu sein. Besonders für korpulente Personen durch ihre einzigartige amerikanische Methode Gelegenheit, unter ärztlicher Kontrolle Entfettungskuren zu betreiben, welche allgemein lebhaften Beifall und Anerkennung fanden. Erstklassige Dampf und Wannenbäder, von Fachärzten geleitete Verjüngungskuren physikalische Therapie, Orthopädie, all das in vollendeter Art haben das Zentralbad zu einer internationalen Stätte moderner Körperkultur gemacht.
Mit ermäßigten Preisen wird im Jahr 1933 in den Zeitungen geworben. Nicht nur das Zentralbad hatte die Preise reduziert sondern auch das Pfannsche Schwefelbad in Meidling, Dianabad, Michaelerbad, Margaretenbad, Beatrixbad. Clusiusbad (Georgsbad) und Brünnlbad
Wieder scheint das Zentralbad am Ende zu sein, denn 1936, heißt es Zentralbad im Konkurs und beschäftigte das Wiener Zivillandesgericht Dr. Milan Pächter des Bades, das einer GesellschaftmbH., gehört, ist Herr Karl Hitz. Dieser gab als Grund des Konkurses an, dass er einen zu hohen Pachtschilling zahlen musste. Außerdem war der Kohlenverbrauch für die alten Maschinen so hoch, dass es nahezu unmöglich war, den Betrieb aktiv zu gestalten. Nach vorläufiger Schätzung betragen die Aktiven 10.000, die Passiven ungefähr 80.000 Schilling.
Im Vorjahr weilte der damalige Prinz von Wales und jetzige König Eduard VIII., von England bei seinem Wiener Aufenthalt im Zentralbad als Badegast. Bei der Tagsatzung wurde ein Gläubigerausschuss gewählt. Die Forderungen müssen bis Mitte März angemeldet werden.
Das Zentralbad führt seit 130 Jahren den Namen Kaiserbründl und ist in Wien eines der schönsten Saunas der Welt
QUELLEN: Fremdenverkehr 6. August 1911, S 13, Hausfrau 1933 Heft März S 6, Neues 8 Uhr Blatt 3. Mai 1918, S 3, Arbeiter Zeitung 3. Oktober 1913 S 5, , 20.Juli 1915, S 5, Krone 11. März 1922, S 4,, 6. August 1925, S 7, Neuigkeitsweltblatt 9. November 1888, S 3, Wiener Sonn- und Montagszeitung 29. März 1926, S 10. Kleine Volkszeitung 7. Februar 1936. ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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