DER ZAHNSTOCHER#
Der Zahnstocher ist auch heute noch ein wichtiger Gegenstand um sich nach dem Essen von störenden Elementen zwischen den Zähnen zu befreien. Sie sind Hüter und Schützer der Gesundheit.
Die Anfertigung der Zahnstocher nimmt 1892 in Portugal eine hervorragende Stelle ein, da in Lissabon und Coimbra viele Menschen beschäftigt werden, die mit einigem Geschick vortreffliche und nach vielen Länder exportierte Waren zu mäßigen Preisen liefern. Das Material wird von der weißen Weide Salix alba entnommen. Die dazu benutzten Werkzeuge bestehen in einem einfachen Messer, damit die rohen Holzstücke verarbeitet werden.
In Kanada werden in einer großen Fabrik die M. Hutchinson in Scheerbroke angelegt hat, ungeheure Mengen von Zahnstochern erzeugt. Die amerikanischen Pflanzer der Gegend bringen die ungefähr die 3 Fuß lang geschnittenen Stämme in ungearbeiteten Zustand und erhalten 3 bis 4 Dollar für einen Klafter. Der irische Holzblock, von der Rinde befreit, und darauf glatt gedreht, also abgerundet, dann in Bänder geschnitten, deren Breite und Länge der Zahnstocher entspricht. Die Bänder werden über eine Walze gerollt, durch Anwendung eines zweiten Werkzeuges an beiden Rändern so verdünnt, wie es für die Spitze der Zahnstocher erforderlich ist und zuletzt unter einem Zylinder geführt der mit 43 Messern versehen ist und sich mit solcher Schnelligkeit dreht, dass es möglich wird, in einer Minute 600.000 Zahnstocher zu schneiden. Nachdem die Zahnstocher getrocknet sind, werden sie von Mädchen zu je zwei Tausend in Schachteln von starkem Papier verpackt.
Der Zahnstocher wird von manchen mit großer Scheu und fast im Verborgenen verwendet. Es gab jedoch Zeiten, in denen der Zahnstocher ein sichtbares Zeichen, ein stolzer Hinweis vornehmer und eleganter Lebensführung darstellte und demzufolge die kostbarste Ausführung erfuhr. Den Zahnstocher öffentlich zu zeigen gehörte zum guten Ton, daher musste dieses Utensil haltbar und aus erlesener Kunst bestehen. Die Römer bevorzugten bei ihren Zahnstochern das Holz des Mastix Baumes oder bedienten sich auch der Federpose, wie es noch später üblich war. Um sie dauerhafter benützen zu können, wurden sie aus edlen Metallen gefertigt, meist aus Bronze. Im Chaos der Völkerwanderung ging auch diese Errungenschaft menschlicher Kultur verloren, und tauchte wieder in der Zeit der Ritter auf. Im Mittelalter schien er noch selten gewesen zu sein. Der französische König Karl der V., hinterließ 4 Zahnstocher, die die Form kleiner Messer hatten und in einem Etui getragen wurden, und sein Nachfolger Karl VI., war auf ihren Besitz nicht wenig stolz. Die Tischsitten der Renaissance verboten das Herumstochern in den Zähnen. Erasmus von Rotterdam empfahl den Zahnstocher aus Holz, eine Federpose oder ein kleines Knochenstück. Die feinen Leute führten erlesen ausgestattete Garnituren bei sich, deren Inhalt ein Zahnstocher, ein Ohrlöffel und oft noch einen Kopfkratzer, sowie aus einer Pinzette bestand. Diese Garnituren glichen wahren Kunstwerken und wurden an goldenen Ketten mit anderen Schmuckstücken getragen und zeichneten den Besitzer dadurch aus.
Den Höhepunkt der Zahnstochermode erreichte man im 16. Jahrhundert wo berühmte Nürnberger Goldschmiede nur mit diesem Gegenstand beschäftigt waren. Zu den Vorkämpfern gehörte der Admiral Goldigny der mit dem Zahnstocher ausgezeichnet umzugehen verstand. Im 17. Jahrhundert gewann der Zahnstocher an Wichtigkeit in den eleganten Toilettenbestecken die die Herren auf ihre großen Tour mit sich führten. Auch in der Barockzeit blieb er unverzichtbar, sowie im 18. Jahrhundert gab es kostbare Anfertigungen. Später kamen Seidenfäden zur Verwendung. Um die Zahnstocher auch jetzt noch bei sich zu führen gab es Hülsen aus Silber oder Nickel.
Die Gegenstände für die Zahnpflege wurden allmählich erweitert, Es gab nicht nur die Seidenfäden, das Zahnpulver und später die Zahnpasta sowie die Zahnbürste und Mundwasser. 1849 gab es eine Zeitung „Der Zahnstocher“. Die in Gasthöfen bei Tisch bereit gestellten offenen Zahnstocher sind aus hygienischen .Gründen zu meiden.
Parreidt hat festgestellt, dass die Schneide- und Eckzähne in 96, die kleinen Backenzähne in 92 von 100 Fällen an den Berührungsflächen zuerst erkranken, darum das Rinigungsinstrument, den Zahnstocher fleißig einzusetzen.
In weiteren Kreisen dürfte es kaum bekannt sein, dass ein hervorragender, südmärkischer Wirtschaftsartikel, die Zahnstocher aus dem fleißigen Gottscheer Ländchen stammt. Besonders ihre gediegenen Holzwaren haben der Gottscheer Hausindustrie einen weit verbreiteten Ruf erworben. So übertreffen auch ihre Zahnstocher, verfertigt aus bestem Alpenholz. Südmark-Zahnstocher sind im Einzelverkauf in der Geschäftsstelle des Vereines Südmark, Graz, Joanneumring 11, zum Preis von 20 Heller für ein Paket zu 500 Stück, Hartholz flach und 12 Heller für ein Paket zu 500 Stück, Weichholz flach, erhältlich. Größere Kartons feinst geschliffener Zahnstocher, ungefähr tausend Stück werde zu Kr. 1.10 und 90 Heller abgegeben. Seine große Zeit war vorbei, unauffällig, kaum sichtbar so wurde mit ihm seither umgegangen.
QUELLEN: Villacher Zeitung, 18. Juli 1912, S 2, Neuigkeitsweltblatt 3. Mai 1893, S 5, Lavanttaler Bote 27. April 1904, S 2, Pilsner Tagblatt, 27. September 1926, S 2, Civiltechiker, 1. Juni 1893 , S 6, ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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