DIE KORALLENFISCHEREI#
1877: Die Mode der Korallen ist dem Wechsel unterworfen. Die Brünetten lieben sie viel mehr als de Blondinen. Unter dem Konsulat und während der ersten Jahre des Kaiserreiches war die Koralle im Schwung. Josephine war brünett, die Tallien war brünett, Madame Recamier war brünett. Die Restauration dekretierte den Tod der Korallen. Die Herzogin von Berry war blond und mit ihr der größte Teil der Hofdamen. Unter Ludwig Philipp schienen sie wieder zur früheren Geltung zu gelangen, aber ihr Regiment dauerte nur kurze Zeit. Es kam das Kaiserreich, und die Koralle wurde wieder bei Seite gelegt, weil die Montijo blond war. Gegenwärtig scheint es, als habe zwischen Blondinen und Brünetten ein Kompromiss stattgefunden. Die rosafarbige Koralle ist das neutrale Terrain, auf welchem sich die schönen Frauen insbesondere in Frankreich begegnen. In Italien, in Spanien, in Südamerika und im Orient ist die Koralle niemals in der Mode weniger geworden, weil hier der größere Teil der Frauen brünett ist. Frankreich ist es, welches zum größten Teil die Märkte der ganzen Welt mit dem submarinen Produkte der Korallen versorgt, und es besitzt schon seit dem 16. Jahrhundert ein gewisses Privilegien der Korallenfischerei an den Küsten des Mittelmeeres. Heute sind es indessen nicht mehr die Franzosen selbst, welche der Korallenfischerei obliegen, sondern sie verpachten dieselbe gegen eine gewisse Entschädigung an Andere.
Im Frühling jedes Jahres zieht eine kleine Flotte von 600 Barken mit einer Bemannung von 5000 bis 6000 aus den südlichen Höfen Italiens nach Calle, einer im äußersten Osten der algierischen Besitzungen Frankreichs gelegenen Stadt. Die Barken, fein und solid gebaut, sind vortreffliche Segler, und sobald sie gewisse Förmlichkeiten erfüllt und 600 bis 800 Lire Fischereiabgabe entrichtet haben, gehen sie in See und beginnen ihre schwierige Arbeit. Gegenwärtig schicken sich die Eigentümer der Korallen Fischerei Barken von Torte del Greco zu einem Versuch an, welcher, wenn es gelingt danach angetan ist, ihre Anstrengungen ihre Geschicklichkeit und wohl auch ihre Verwegenheit glänzend zu belohnen. Sie rüsten für das Frühjahr 6 Korallen Barken von bedeutend größeren Dimensionen als denjenigen der sonst für diese Fischerei übliche Fahrzeuge aus, und werden dieselben nach jenem Teil des atlantischen Ozeans entsenden, wo selbst zwischen den Bermuda Inseln und Neu Schottland vor einigen Monaten eine außerordentlich ergiebige Korallenbank entdeckt wurde.
Der Umstand, dass es Italiener sind, welche sich anschicken, jene reiche Geldmine auszubeuten, ohne befürchten zu müssen, dass ihnen fremde Spekulanten einer anderen Nation zuvorkommen könnten, ist darin begründet, dass es in Europa nur eine Gattung Seeleute, und zwar die italienischen, und ganz besonders die neapolitanischen gibt, welche im Stande sind, die außerordentlichen Mühseligkeiten dieser anstrengenden und beschwerlichen aller Fischereien auszuhalten. Die Korallenfischerei erfolgt mittelst eines sehr einfachen Apprates. Zwei Holzstücke in Gestalt eines viereckigen Kreuzes, in der Mitte, wo dieselben miteinander verbunden sind, ein Stück Blei oder gegossenes Eisen welches durch seine Schwere das Kreuz auf den Meeresgrund versenkt. An den vier Armen des Kreuzes sind Streifen von Hanf und alte Stricke angebracht. Die Hanfstreifen und das Netzwerk aus alten Stricken werden durch eine ungefähr 5 Fuß lange feste Schnur zusammen gehalten, so dass das Kreuz, wenn es auf den Meeresgrund herabgelassen ist und von der Barke gezogen, weiter geht, in seinen verwickelten Maschen alle ihm auf dem Wege begegnenden Korallen ablöst und auffängt. Ist dann der richtige Augenblick gekommen, so macht die Barke Halt und dann beginnt die mühevolle Arbeit, indem es heißt, dass durch alle die aufgefangenen Korallen und den Widerstand des Wassers sehr beschwerte Kreuz mittelst der Winde zu Tage zu bringen. Diese beschwerliche Arbeit dauert 18 Stunden im Tag. Ist die Barke zur Genüge beladen, so kehrt sie in den Hafen zurück, bringt die Beute ans Land, versorgt sich mit frischem Mundvorrat und kehrt wieder aufs Meer zurück. Die Korallenfischerei ist von allen Fischereien die anstrengendste, woran unsere Frauen, wenn sie die schmucken Korallen in den rosigen Ohrläppchen tragen, wahrscheinlich noch niemals gedacht haben. Es gibt vier Gattungen Korallen. Die rote Koralle ist die lebendige Koralle, rosarot. Je nach den Abstufungen in der Farbe unterscheidet man Schaum vom Blute, Blut-Blut, erstes, zweites, drittes Blut u.s.w. Der Preis wechselt zwischen 45 bis 70 Lire pro Kilogramm. Die schwarze Koralle ist jene, die in Gestein eingelassen ist, und hat eine Wert von 12 bis 15 Lire. Die tote. Koralle oder die faule Koralle, deren Preis zwischen 5 und 20 Lire pro Kilogramm schwankt, Endlich die weiße Koralle, welche selten ist und deren Farbe von einer besonderen Krankheit herrührt.
QUELLE: Salzburger Volksbatt 15. März 1877 S 2, ANNO Österreichische Nationalbibliothek Foto: Graupp
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