DIE PARLAMENTSGÖTTIN#

K.Kundmann
Pallas Athene, Interessante Blatt

Der imposante Parlamentsbrunnen ist ein sehr beliebtes Fotomotiv der ausländischen Besucher Wiens und zeigen sich fasziniert von diesem außergewöhnlichen Kunstwerk.

In der Architekten Zeitung ist 1902 folgendes zu lesen: „Der Parlamentsbrunnen wird sozusagen brockenweise der ihn umkleidenden Gerüste entledigt, so dass Sonntag den 10. August schon das ganze Marmorwerk auf Distanz gesehen werden konnte, während das granitene Bassin noch von hohen Bretterwänden umschlossen ist.

Auch das Mosaikbild unter dem Portikus glüht in voller Farbenpracht schon zur Ringstraße herüber, wo die Passanten in Rudeln stehen bleiben, um diese ungewohnte Art der Enthüllung eines neuen Schmuckes unserer guten Stadt anzustaunen.

Es ist, als ob man dem Parlament nur widerwillig diese in besseren Zeiten ihm zuerkannte Dekoration verabreichen wollte, als sollte so wenig Aufhebens wie möglich mit dieser Ehrung der Institution gemacht werden, die sich seither übler Aufführung hingegeben hat und erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit auf leidlich bessere Bahnen gebracht wird..... der Stadtrat das Wasser für den Parlamentsbrunnen nur gegen Bar hergeben will. Anderswo wären die Gewässer für einen imposanten öffentlichen Brunnen wahrscheinlich gespendet worden.

….wenn „Donau“ und „Inn“, die auf der Ringstraßenseite, Elbe“ und „Moldau“ , die nach dem Parlament sehen, und die Puttengruppen an den Seiten, die unterhalb der Figuren von Gesetz und Gerechtigkeit stehen, Wasser spenden wollen, dann sollen sie sichs eben kaufen.

Die bezeichneten Gruppen und Figuren umgeben ein eigenartig gestaltetes Postament: eine kanellierte, kurze Säule mit konkavem Profil mit originellem Kapitäl, das die Plinthe für die Pallas Athene trägt, eine Athen promachos, auf den Speer gestützt, in der ausgestreckten Rechten eine Nike; Speer, Nike, Helm und Panzer vergoldet, sonst im blanken Weiß des Laaser Marmors, aus dem Kundmann sie stattlich heraus gemeißelt hat. Die schönste und ruhigste Linie hat sie von der rechten Seite aus gesehen; auf der anderen Seite macht das vorgesetzte Spielbein den Faltenwurf ein wenig unruhig.

Der Gesamteindruck der sechs Meter hohen Figur ist aber ein imponierender, und eine Wirkung voll Noblesse haben die sitzenden Figuren „Gesetz“ und „Gerechtigkeit“ von Tautenhayn sen.“

11. August: Am gestrigen Sonntag gab es eine förmliche Wallfahrt zur Pallas Athene, welche die Hauptfigur des Brunnens vor dem Parlament bildet. Das Brettergerüst ist endlich gefallen, und die plastischen Figuren des Brunnens erstrahlen nun im blendendem Weiß. Sie alle aber überragt die Pallas Athene, deren Helm und Lanze in ihrem goldenen Schmuck weithin erglänzen. Über diede Hauptfigur des Brunnens wurden gestern unter dem Publikum vielfache Meinungen ausgetauscht. Man hatte zuerst den Eindruck des ins riesenhafte Emporgewachsenen. Man soll nur, sagten die Leute die übrigen Figuren, welche sich an die Front des Parlamentes, teilweise auf der Rampe, teilweise in dem Giebelfeld befinden, mit dieser Kolossalgestalt der Pallas Athene vergleichen, sie schrumpfen alle zusammen und die Pferdebändiger kämen überhaupt nicht zur Geltung mit ihrer dunklen Bronzefarbe nehmen sich wie ein schwarzer hässlicher Fleck aus. Die Harmonie der Maße und die Größenverhältnisse der ganzen Fassade jetzt durch das riesige Standbild der Pallas Athene geändert werde, weil letztere für den Beschauer den Maßstab für den Bau biete. Man vergleiche nun die ganze Fassade nach den Verhältnissen dieser Riesenstatue. Jenen Eindruck der ruhigen Größe und breiten Entfaltung, welchen die Fassade des Parlaments früher auf den Beschauer ausübte, hält nun ein großer Teil des Publikums für gestört.

Kundmann
Atelier,Österr.Ill.Zeitung

Stellt man sich gegenüber zum Gitter des Volksgartens um von hier aus die Figur der Pallas Athene zu betrachten ragt sie mit dem Helm bis zum Giebel und verdeckt die ganze Mitte des Portikus, nämlich die mittleren zwei Säulen und den dazwischen liegenden Eingang. Die Fassade zerfällt dadurch in zwei Hälften. Das Gebäude wird überhaupt durch diese Figur in den Hintergrund gedrängt, und sei, wie viele bemerken, nicht mehr die Front des Gebäudes die Hauptsache. Die anderen Figuren des Brunnens wurden vom Publikum weniger beachtet, das sich das Hauptinteresse auf die Riesengestalt der Pallas Athene konzentrierte. Dass die Pallas Athene auf der linken Wange einen ziemlich langen „Schmiss“, nämlich einen Fleck im Marmor, hat, schien viele Beschauer sehr zu belustigen.

Der neue „Schmuck von Wien“ zieht viele Besucher an, allerdings nicht so viele, als es der Fall wäre, wenn eine festliche Enthüllung desselben stattgefunden hätte. Der bequeme Wiener, der nur durch eine Sensation aufgerüttelt werden kann, ist sich dessen gewiss, dass ihn über kurz oder lang sein Weg an dem Platz vorüber führen wird, wo diese Neuigkeit zu bewundern sei. Viele vermuten sogar, dass es nur kaum mehr ein Jahrzehnt dauern wird, bis die grauen Becken des Bassins auch Wasser erhalten, die Wasserspeier in Tätigkeit gesetzt werden. Allerdings ist das in Berücksichtigung des bisherigen Tempos bei der Schaffung des Brunnens ein beinahe sträflicher Optimismus.

1. September: Der reiche figurale Schmuck des österreichischen Reichsratsgebäudes auf dem Franzensring in Wien ist mit der Aufstellung des mächtigen Pallas Athene Brunnens vor der Rampe des Palastes vollendet. Auf reich ornamentiertem Säulensockel erhebt sich stolz aufgerichtet, völlig im klassisch-griechischen Vorbild gehalten, die Statue der Weisheitsgöttin.

Wien
Parlament, Ill.Wr.Extrablatt

Prof. Karl Kundmann, dem Schöpfer des Werkes und der rückwärts des Sockels angebrachten Gruppe „Elbe und Moldau“, verdankt Wien auch das Schubertdenkmal im Stadtpark und das Geillparzerdenkmal im Volksgarten. Die Vordergruppe des Brunnens „Donau und Inn“, hat Hugo Hertl geschaffen. Zu Füßen der Göttin Athene rechts und links, befinden sich die allegorischen Figuren der ausübenden und der gesetzgebenden Macht, die Professor Tautenhayn geformt hat.

Nun ist das grandiose, künstlerische Werk mit der Aufstellung des herrlichen Pallas Athene Brunnen vollendet, und wird gewiss dieser monumentale Bau in seiner Gesamtwirkung beitragen, ein Anziehungspunkt und eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges für Einheimische und Fremde zu werden.

Bildhauer
Karl Kundmann,Österr.Ill.Zeitung

Eine weitere Zeitungsstimme: Göttlich schön, in Ehrfurcht gebietender Größe, schimmernd in der Weiße des Marmors und gleißend von Gold ragt sie von ihrem säulenartigen Piedestal empor, diese herrlichste Tochter des ewigen Vaters Zeus: Pallas Athene. Gleich einer Wiedergeburt des wunderbarsten Künstlertraumes der Antike, der Athene Parthenos des Phidias, mutet sie dem Beschauer an. Auch für den Redakteur ist die Pallas Athene zu groß geraten.

Selbst Leserbriefe an die Redaktionen so mancher Zeitung beschäftigen sich mit diesem Thema: „.....muss etwas erwidert werden. Wahrhaft schönheitstrunken beim Anblick dieses neuesten Monumentalwerkes muss jeder kunstsinnige Mensch von höchster Bewunderung für die Künstler erfüllt sein, die es geschaffen. Man muss die abfälligen Äußerungen in dem berührten Artikel über die Hauptfigur des Brunnens, als eine nach jeder Hinsicht hin unbegreifliche Kritik finden und berührt mich dies bei dem mir bis nun als echten kunstverständigen Wieners erschienenen Einsenders höchst befremdend. Es erscheint mir durchaus nicht richtig, dass sich die Hauptfigur von allen Seiten dem Beschauer störend vor das Auge stellt, vielmehr haftet gerade an dieser Figur der Blick voll Entzücken und muss sie sofort lieb gewinnen. Die anderen einzelnen Figuren sind der Pallas Athene ebenbürtig und vereinigen sich zu einem Monumentalwerk von beispielloser Pracht und Schönheit, würdig unserer glühend geliebten Vaterstadt. Die Pallas Athene von ihrem Platz zu entfernen hieße einfach das ganze grandiose Kunstwerk verstümmeln und die jetzige, die Seele mit sich fortreißende Wirkung aufheben. Mein Wunsch ist daher, den Brunnen in seiner Ausführung zu belassen..“ Wie so mancher Besucher feststellte, störte ihn die alles überragende Pallas Athene und sie zweifelten an der nun herrschenden Harmonie des Gesamtobjektes. Das wäre auch kein Wunder, denn Theophil Hansen hatte diesen Parlamentsbrunnen nicht in seinen Plänen vorgesehen gehabt, sondern nur eine Austria die nun zur Pallas Athene umgewandelt worden war. Auch die Rossebändiger wurden erst nachträglich nach dem Tod des Architekten hinzugefügt. Ob Theophil Hansen damit einverstanden ist, bleibt dahingestellt. Gewaltige Umbauten wurden in jüngster Zeit im Parlament vorgenommen. Nach mehr als 5jähriger Bauzeit (2023) geht die Sanierung des Parlaments dem Ende zu. Die Fertigstellung zog sich endlos dahin.

QUELLEN: Dillingers Reisezeitung, 1. September 1902, S 5,Neue Freie Presse, 11. August 1902; S 5, Ill. Wiener Extrablatt, 23. August 1902, S 6, 15. September 1902, S 11, Architekten und Baumeister Zeitung, 17. August 1902, S 5, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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