DIE TOLLKIRSCHE#

nicht kosten
Tollkirsche sehr giftig

Atropa belladonna, was für ein verführerischer schöner Name, aber Vorsicht, sie ist sehr giftig, und so mancher Unwissende bezahlte es mit seinem Leben. Sie ist die Königin der Nachtschattengewächse und ist in unseren Breiten die einzige heimische Art. Atropa ist von der griechischen Schicksalsgöttin Atropos hergeleitet. Der Wirkstoff Atropin findet in der Augenheilkunde Verwendung.

Den Völkern des Altertums scheint die Tollkirsche unbekannt gewesen zu sein, denn in keiner der Schriften wird sie zu dieser Zeit erwähnt.

Der erste Beschreiber und wissenschaftliche Entdecker der Tollkirsche ist der bekannte Naturforscher des sechszehnten Jahrhunderts Hieronymus Tragus, und nennt die Pflanze in seinem neuen Kräuterbuch den schwarzen Garten-Nachtschatten. Peter Andreas Mathioli beschreibt die Belladonna noch genauer. Diese beiden Botaniker und zahlreiche Schriftsteller nach ihnen erzählen manche bedeutende Vergiftungsfälle, die durch den Genuss der Früchte der Belladonna bewirkt wurden, und sie geben auch Nachweis über den ärztlichen Missbrauch dieser Pflanze, Buchmann sagt in seiner Geschichte der schottischen Begebenheiten, die Schotten hätten den Saft der Tollkirsche jenem Brot und Getränk, welches sie während des Waffenstillstandes an die Dänen abliefern mussten, zugesetzt, und alsdann, nachdem die Dänen durch den Genuss in Schlaf und Betäubung verfallen waren, den größten Teil der Armee Suenos (Swenos) erschlagen. Zu den Zeiten Matthioli vermengte man die Wurzel der Tollkirsche mit jenen Speisen, welche man Schmarotzern zuerst vorsetzte; diese konnten alsbald nicht mehr schlingen, und mussten, wie man dies eben beabsichtigte, beim Anblick der besten Speisen hungern.

Nach E. Gmelin und J. M. Faber gehen die Leichen solcher Menschen, welche in Folge der Belladonna-Vergiftung verstarben, sehr schnell, schon nach 12 Stunden danach, in Fäulnis über, werden dabei teilweise oder ganz schwarzblau, oder bedecken sich ganz mit Brandflecken: sie werden stark aufgetrieben, aus den Öffnungen des Körpers, besonders aus dem Mund, läuft blutige Flüssigkeit, und endlich löst sich die Oberhaut ab; die von ihnen aufsteigenden Gase und Dämpfe verbreiten großen Gestank. Öffnet man die Körperhöhlen, so findet man zunächst im Kopf die Gehirnhäute, die Blutleiter und das Gehirn selbst mit schwarzen Blut überfüllt; die gleiche Überfüllung mit Blut gewahrt man im Herzen, in den großen Venen, in der Leber; Milz usw. die Harnblase ist voll von Urin. Die Pupillen sind sehr bedeutend erweitert. Die Schleimhäute der Gedärme sind stellenweise gereizt, mitunter entzündet, was darauf hindeutet, dass der Tollkirsche auch reizende Wirkungen zukommen.

Versuche über die Beziehungen der Tollkirsche zum tierischen Organismus wurden in früheren Jahrhunderten von Johann Gessner, J. J. Manget, P. Rossi u. A. angestellt. Die in unserer Zeit vorgenommenen Versuche haben so manche Aufklärung über die wahre Wirkung der Tollkirsche gegeben,

Im Jahr 1824 veröffentlichte Flourens zu Paris eine Schrift, worin er unter anderem meint, dass die Belladonna und ihre Zubereitung zunächst auf jenen Teil des Gehirns, welchen man die Vierhügel nennt, wirken; daraus dürfte sich nun ein Teil der Einwirkung der Tollkirsche auf das Sehorgan erklären lassen. Die Pupille wird bei jeder Anwendungsart der Belladonna stark erweitert; Bally beobachtete im Jahr 1827 die fragliche Wirkung nach endermatischer Einverleibung auf dem Rücken des Fußes; Runge sah Pupillen-Erweiterung eintreten, wenn der Harn eines durch die Tollkirsche vergifteten Kaninchens in das Auge anderer Tiere gespritzt wurde. Nach Segalas wirken die Zubereitungen der Belladonna, wenn sie durch die Luftröhre in die Lungen gespritzt werden, um siebenmal (?) stärker auf die Regenbogenhaut des Auges ein, als bei der unmittelbaren Einverleibung in die Bindehaut des Auges. Während die Untersuchungen der vorigen Jahrhunderte (von Rossi um 1760) von geringer Einwirkung der Wurzel usw. der Belladonna auf Hunde zeugten, belehren uns die im Jahr 1824 von Schubarth veröffentlichten Experimente, die er mittels des Extraktes des Krautes anstellte, eines anderen; er löste 54 Gran des Extraktes in Wasser auf und gab sie einem Hund ein: nach Ablauf von etwa 45 Minuten war der Puls auf hundert Schläge in der Minute gestiegen, das Sehloch sehr beträchtlich erweitert - eine Erscheinung, die länger als vierundzwanzig Stunden andauerte, - das Auge auch gegen den heftigsten Lichtreiz unempfindlich; es zeigten sich allerhand Gesichstäuschungen und man bemerkte zweimal Erbrechen. Ein anderer Hund bekam eine Drachme des frisch bereiteten Extraktes; unter anderen Erscheinungen kam die bedeutende Lähmung der hinteren Gliedmaßen vor. Im wesentlichen dieselben Ergebnisse bekam Schubarth bei den weiteren Prüfungen der Tollkirsche an Hunden. Hertwig experimentierte an Pferden; er fand stets Erweiterung des Sehloches,die Erscheinungen heftiger fieberhafter Aufregung, typische Auftrieb des Unterleibes, Darmverstopfung, in einigen Fällen auch Darmgrimmen und bedeutende Schwäche in den Hinterextremitäten; selbst vor dem Tod der Tiere konnte er keine völlige Betäubung und Bewusstlosigkeit wahrnehmen.

giftig
Blüten der Tollkirsche

Eusebe de Salle nahm 20 Gran des frisch bereiteten wässerigen Belladonna-Extraktes vor dem Schlafen gehen (alle zwei Stunden) ein. Um Mitternacht erwachte er mit heftigen Drang zu, Harnlassen, konnte aber nicht; sein Puls war unregelmäßig, die Atmung erschwert und ebenfalls unregelmäßig; die Pupillen zeigten beträchtliche Erweiterung, das Sehvermögen war gänzlich aufgehoben; außerdem fühlte er große Schwere im Kopf, Schwindel, große Mattigkeit, nur mit aller Kraft konnte er sich aufrecht halten. Das geschah Anfang der dreißiger Jahre.

Purkinje, der 20 Tropfen der Tollkirschen-Extrakt Lösung einnahm, fühlte schon eine halbe Stunde später Trockenheit im Mund, im Rachen, in der Nase usw. der Puls war aussetzend, Stuhlverstopfung, der Harn unter Beschwerden in kleinen Mengen entleert. Waltl erlebte, nach Einnahme von 2 Gran Pulver, der Tollkirschen Wurzel, Trockenheit im Hals, sein Gesicht war stark gerötet, die Pupille erweitert, das Sehen schlecht und all die gleichen Symptome.

Orfila teilte mit, dass 150 Soldaten mit Tollkirsche vergiftet wurden und beobachtete die Erweiterung und Unbeweglichkeit der Pupille, entstellte Augäpfel, Trockenheit des Mundes, Ekel, Schwächegefühl, kaum stehen, beständiges Bewegen der Hände und Finger, schmerzhaftes Sprechen, stets Stuhldrang, Ohnmacht, Delirien, beständiges Lachen udglm. Nach wiederkehrenden Bewusstsein kehrte Besserung ein, Erinnerung fehlte.

Über die Tollkirsche und deren Vergiftung sind aus den vergangenen Jahrhunderten zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen vorhanden. In neuer Zeit wurde die Wirkung der Belladonna und ihres wirksamen Stoffes, des Atropins auf das Sehorgan von der Wissenschaft weiter studiert und an Vögeln, Fröschen und anderen Tieren ausprobiert, gab es dieselben bekannten Erscheinungen.

Dr. Schroff bemerkte nach Einnahme von 0.005 Gramm Atropin, nach 15 Minuten, von der Mitte der Stirne ausgehenden Kopfschmerz, nach einer halben Stunde geringe Erweiterung der Pupille, nach 40 Minuten Trockenheit und Hitze in den Händen, allgemeines Jucken, gleichsam als ob es von Läusebiss, Flohstichen udglm. Herrührte, bald darauf zeigte sich Trockenheit in der Mund- und Rachenhöhle, und das Schlingen wurde nahezu unmöglich; was den Puls betrifft, so fiel dieser anfänglich um zehn Schläge unter das normale Maß, stieg indessen alsbald wieder und machte nach 90 Minuten um 40 Schläge mehr, als im Normalstand. Nun wurde bemerkt: Abgeschlagenheit, Mattigkeit, Zittern in allen Gliedern die Erscheinungen steigerten sich, der Gang wurde derart schwankend und Rauflust kam noch hinzu, welche zur Tat wurde, indem die beiden Experimentatoren anfingen sich zu balgen, die durch drei Tage andauerten. Die Erweiterung der Pupille – wurde nun ein Tropfen einer weingeistigen Lösung des Atropins auf die Bindehaut des Auges gebracht, so entstand zunächst ein vorübergehendes Brennen, jedoch keine Rötung der Membran; nach etwa 25 Minuten aber bemerkte man rasch zunehmende Pupillen-Erweiterung, die 40 Minuten so groß war, dass die Regenbogenhaut des Auges nur als ein sehr schmaler Streifen erschien; 36 Stunden danach zeigt das Sehloch noch eine anderthalbfache Vergrößerung seines normalen Durchmessers, und sogar nach Ablauf von zwei Tagen konnte man Erweiterung der Pupille wahrnehmen. Während dieser Zeit war das Sehvermögen schlecht, und Sehen in der Nähe ganz unmöglich, und dieser Zustand hielt fast 5 Tage an.

1912. Dr. Mitlacher weiß zu berichten, dass die Wurzel der Pflanze 3 bis 4 cm eine besonders gute Droge abgibt doch der Preis ist so gering 90 Heller pro 1 kg, das lohnt sich nicht. Die Tollkirsche liefert nicht nur die Blätter und die Wurzel, sondern auch den Samen wird im Drogenhandel geführt. Von diesen Drogen wird viel aus Österreich exportiert, auch nach Amerika. Der jährliche Bedarf mancher Firmen mit 10.000 bis 50.000 kg von jeder Droge darf angenommen werden.

Die Ernte ist sehr mühsam, erst recht wenn die Blätter einzeln gezupft werden. Ein Bursche bekommt dafür einen Taglohn von 1 Krone 60 Heller, brauchte dazu 7 Stunden, um 8,20 kg frische Blätter - entsprechend. 2.2 kg der Droge zu sammeln. Der Drogistenpreis ist heuer 1 K 60 h gewesen

1923: Die bekannteste Giftfrucht ist die Tollkirsche. In die deutsche Heilkunde gelangte es erst im 16. Jahrhundert durch Konrad Gesner, der das Gift der Tollkirsche, das Atropin als schmerzstillendes Mittel gebrauchte. Merkwürdig nur, beim Menschen kann die Frucht tödlich sein, doch bei Amseln nicht das mindeste. Eifrig picken sie die süßen Beeren ab und erfüllen außerdem als die Verbreiter der Samenkerne zu sein.

1930: Dr. France besitzt einen Urwald-Garten, darin gedeiht auch die Tollkirsche, für ihn die Zauberpflanze, mit all ihren merkwürdigen Besonderheiten.

Allein die Geschichte ist schon merkwürdig. Er gehört zur „Zauberapotheke“ des mittelalterlichen Menschen und hat mitgewirkt bei mancher dunklen und blutig oder „feurig“ ausgegangenen Vergiftungsgeschichte. Die Menschen wussten von dem seltsamen „Giftstoff“ und wie man ihn unwissend oder verbrecherisch missbraucht, doch in der Hand des Arztes ein wunderbares Heilmittel darstellt. Kein anderes Gewächs hat einen so schlechten Ruf wie die Tollkirsche. Schon die Wirkung einer einzigen Beere ist höchst fatal. Sie enthält einen an violette Tinte erinnernden Saft und ein Stück weiches Fruchtfleisch, mit winzigen, an Erdbeersamen erinnernden Kernen. Der Saft schmeckt wohl süß, aber kratzt im Hals und erzeugt Durst. Wer so unvorsichtig war leidet schon bald an Sehstörungen. Die Pupille wird unnatürlich weit und sieht trotz dem immer weniger und vor allem Dinge, die nicht vorhanden sind. Merkwürdige Stimmen sind zu hören, wahnsinnige Angst beschleicht ihn, Dunkelheit breitet sich um ihn aus, im Zustand dieser Betäubung sind feurige, gespenstige Gestalten krankhafter Einbildungen zu sehen, eine Art von Hexen- und Teufels-Sabbath und erleben in ihren Höllenvisionen dahingegangen unter Lähmung, Blindheit, Krämpfen und Zuckungen, Atemnot und allen Zeichen der Vergiftung.

Neben dem bösen, tödlichen, schrecklichen Geheimnis dieser Pflanze hat sie auch ihr Gutes und segensreiches noch dazu, sie muss nur in sachverständige Hände kommen. Dann kann das Schädliche in Segen umgewandelt werden und die Welt ist nicht mehr der Tummelplatz von Teufeln, sondern die Licht strahlende Schöpfung gütiger Mächte.

Folia Belladonna ist eine Droge. Schwach, bitter, dünn, zerbrechlich sind diese getrockneten Blätter die einen Wunderstoff in sich bergen, das Atropin, das sich chemisch Fabrik mäßig nicht herstellen, nur aus den Pflanzenteilen gewinnen lässt, als weiße, nadelförmige Kristalle vom bitteren Geschmack.

Atropin ist eines der großen Geheimnisse der Natur. Ein Zehntel Gramm wirkt tödlich, noch dreitausendstel rufen stürmische Erscheinungen hervor, aber in ganz großer Verdünnung kann es kein Augenarzt mehr entbehren. Die erweiterte Pupille, macht es bei der Untersuchung der Augen unentbehrlich. Atropin ist ein hilfreiches Mittel bei Atemlähmung, Reizzuständen fast aller inneren Organe, Herzschwäche. Und noch eine ganz unerklärte Eigenschaft wird die Tollkirsche immer berühmt erhalten. Es erlaubt, größere Mengen von schmerzstillendem Morphium anzuwenden. Gibt man mit Morphium gleichzeitig Atropin, dann wirkt es Schmerz stillend.

1933: Atropa Belladonna, die Tollkirsche, eine fast in allen Staaten außer Japan verwendete Heilpflanze, fordert Jahr für Jahr Opfer an Menschenleben aus Unkenntnis ihrer Wirkung. Bella donna heißt ital. schöne Frau, weil der Saft der Beeren als Schminke Verwendung gefunden haben soll, und weil durch das Atropin hervorgerufene Pupillenerweiterung der Frauenaugen als schön galt.

Der erste Schriftsteller, der die Tollkirsche so beschrieb, dass man sie als solcher erkennen konnte ist Saladius Aesculanus aus Ascali di Satiano (Apulien), der um die Mitte des 15. Jahhunderts lebte und wirkte. Er nannte die Tollkirsche Solatrum furiolo. Im Mittelalter war die Tollkirsche zusammen mit dem Bilsenkraut Hauptbestandteil der schon früher erwähnten Hexensalben, nach wissenschaftlichen Untersuchungen ergab, dass die auf die äußere Haut gebrachten Nachtschattenextrakte vom Körper resorbiert werden. Kein Zweifel daher, dass die narkotischen Hexensalben ihr Opfer nicht nur betäubten, sondern dasselbe den ganzen schönen Traum von der Luftfahrt, vom festlichen Gelage, von Tanz und Liebe so sinnfällig erlebte, dass es nach dem Erwachen von der Wirklichkeit des Geträumten überzeugt war. Die Hexensalben stellen ein Rauschmittel dar, zu dem das Volk zu oft gegriffen hatte. Heute dient das daraus gewonnene Atropin als wichtiges Medikament in der Augenheilkunde.

1944: Von den drei Schicksalsgöttinnen der alten Griechen war Atropos die Erfüllung des Unabwendbaren. Ihr gefürchteter Name ist zur Bezeichnung einer der gefährlichsten Giftpflanzen gewählt worden, die jetzt in unseren Wäldern mit dem Beerenansatz beginnt. Die giftigen schwarzen Beeren die an niederen Sträuchern wachsen, sind schön wie kleine schwarze Kirschen und laden verführerisch zum Naschen ein. Die Tollkirsche bringt die Menschen von Sinnen. Das Sehvermögen wird gestört, der Kranke erblindet, Gehörtäuschungen treten auf, der Atem geht schwer. Nach Herzbeschwerden und Harnbrennen führt das tückische Gift den Tod herbei

QUELLEN: Österr, Zeitschrift der Pharmazie 10. August 1912, S 1, 16. Juli 1863, S 7, Arbeiter Zeitung 10. August 1930, S 10, Badener Zeitung 26. Juli 1944; S 2, Grazer Tagblatt 25. Oktober 1923, S 1, Drogisten Zeitung 15. August 1933, S 7. ANNO Österreichische Nationalbibliothek.

Hinweis:

* Tollkirsche (AustriaWiki) und Bilder

https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/DIE_TOLLKIRSCHE