DR. PAUL PREUSS#
Wild zerklüftet ragen die schroffen Zacken des Gosaukamms himmelwärts, als einrahmende Kulisse, des Vorderen Gosausees und aus dem Hintergrund grüßt der Eisgigant König Dachstein.
In dieser wunderbaren Gebirgswelt ereignete sich im. Oktober 1913 eine Tragödie. Das gefeierte Idol der Bergsteiger, Dr. Paul Preuss war abgestürzt und tot.
Wohl viele, die die gewagten Touren, des nun Verunglückten kannten, prophezeiten ihm, oder dachten bei sich, dass der kühne Alpinist wohl einst sein Ende in den Bergen finden würde, und dennoch vertraute man immer wieder auf die Gewandtheit und Gewiegtheit dieses überaus tüchtigen Felskletterers, der als einer der bekanntesten Alpinisten der Gegenwart galt und auch als Eisgänger und Schifahrer sowie touristischer Schriftsteller einen guten Ruf genoss. In den „Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereines“ hat Dr. Preuß eine Reihe theoretischer Artikel über das Bergsteigen veröffentlicht, die in alpinen Kreisen oft lebhafte Kontroversen hervorriefen. Im letzten Jahr hat er im Mont Blanc Gebiet eine Reihe von Aufsehen erregenden Erstbesteigungen ausgeführt und mit seiner Seiltechnik abermals eine Diskussion hervorgerufen. Aber auch die herrliche Dolomitenwelt hatte den jungen kühnen Bergsteiger magisch angezogen und zahlreiche Erstbesteigungen durchgeführt. Diese Touren sollten ihm als Vorbereitung für spätere Expeditionen in unerforschtes Hochgebirge Asiens und Afrikas dienen, deren Absicht er hatte. Sein Bestreben war außerdem als Forscher auf einer überseeischen Station für Geologie
Preuß liebte es allein zu gehen, denn nur wenige waren imstande, diesem glänzenden Touristen und Kletterer auf seinen Wegen und dessen Tempo mitzuhalten. Und oft gab es Situationen die seine Begleitung als Gefahr erkannten, gerade diese suchte er und war dann in seinem Element. Durch welche Umstände nun doch sein Tod herbeigeführt wurde, wird ewig ein Geheimnis bleiben.
Nun war ihm eine der schwierigsten Touren im Gosaukamm, die Nordkante des Mandelkogels mit einer Höhe von 2214 Meter, deren Bezwingung wegen übergroßer Schwierigkeit von den Kletterern bisher gänzlich gemieden wurde, ihm zum Verhängnis. Der Todessturz ereignete sich an einer Stelle die noch unberührt von einem Menschen, in einer 400 Meter hohen, fast senkrechten, spiegelglatten Felswand die das Leben des kaum 27jährigen Erstbesteigers beendete
Die Expeditionen, es gab deren mehrere, die am 2. Oktober 1913 aufbrachen um nach dem vermissten Bergsteiger Preuß zu suchen, doch diese mussten ergebnislos die Suche aufgeben. Erst Anton Steinmaier und Führer Hans Hüdl Aussee gingen zur Krautgartenhütte und von dieser zur vorderen Scharwandalm, wo sie den zurückgelassenen Rucksack und Schlafsack Preuß vorfanden. Damit bekamen sie die Gewissheit, dass sich der Gesuchte im Gosaukamm befinden musste, um die Nordkante des Mandlkogls zu erklettern, dabei abgestürzt sei. So eilte man in das Kar der Gamsriese. Unmengen von Neuschnee bedeckte die Felsen und das Schuttkar. Währenddessen waren auch die Mitglieder der anderen Expedition an der Unglücksstelle eingetroffen um zusammen nach dem Abgestürzten zu suchen. Am 14. Oktober mittags nach stundenlanger Suche als einer der Bergführer mit dem Eispickel auf dem Schuttkar die Neuschneedecke durchsuchten stießen sie auf den furchtbar verstümmelten Leichnam des Abgestürzten. Nach der Lage des hart gefrorenen Toten war Dr . Preuß über die fast 400 m hohe Wand des Mandelkogels in die Tiefe gestürzt. Der Körper des Verunglückten war auf die alte, gefrorene Schnee- und Eismasse gefallen und wies zahlreiche tödliche Verletzungen auf, das Antlitz war ganz unkenntlich, ebenso waren die Kleider vielfach zerrissen.
Inzwischen war es 12 Uhr mittags geworden. Unter extremen Mühen gelang es, die Leiche von der Fundstelle auf einen improvisierten Schlitten zu Tal gebracht wo sie um 3 Uhr nachmittags beim Gosauschmied ankamen und mittels Wagen in die Leichenkammer nach Gosau überführt wurde.
Am 15. wurde der Leichnam des Dr. Preuß per Bahn nach Bad Aussee und von hier nach Alt Aussee befördert, wo er am 16. Oktober um halb 11 Uhr am Ortsfriedhof beerdigt wurde. Verwandte, Freunde und Bekannte, ferner Vertreter der Sportvereine, denen der Tote angehört hatte, waren um den reich mit Blumen und Kränze geschmückten Sarg versammelt. Ansprachen wurden gehalten, eingesegnet und der Erde übergeben. All seine Freunde, die von ihm so geliebten Berge die er so oft durchkletterte halten nun feierliche Totenwache.
Ende September war Dr. Preuß der in München seinen ständigen Wohnsitz hatte, nach Alt-Aussee gekommen, wo er in einer Villa des Cafetiers Vesko lebte, und von hier seine Kletterausflüge unternahm, und man war gewohnt von ihm einige Zeit nichts zu vernehmen doch nun war dieser Zeitraum deutlich überschritten und man war besorgt.
Dr. Preuß stammt aus einer angesehenen Wiener Familie, sein Vater war vor Jahren schon gestorben und sein Onkel war als Oberlandesgerichtsrat Dr. Siegmund Preuß bekannt. Schon als Jugendlicher hatte er sich der Hochtouristik gewidmet und beendete seine philosophischen Studien an der Münchner Universität und verblieb nach der Erlangung des Doktorats in München und beschäftigte sich weiter mit seinen Lieblingsthemen der Naturwissenschaft und alpinen Touristik, die schriftstellerisch verarbeitet wurden.
Dr. Preuß war seiner Zeit um Jahrzehnte voraus mit der Ansicht des Freikletterns das für ihn das ideale Leitbild des Felsbergsteigens war, lehnte Anwendung von Haken und allen künstlichen Hilfsmitteln grundsätzlich ab.. Doch diese Erkenntnisse teilten seine Freunde nicht und blieben den Haken und Seilzugsklettern treu.
Er hielt des öfteren in größeren alpinen Korporationen Vorträge, war Vorstandsmitglied der Sektion „Bayerland“, des Deutschen und Österreichischen Alpenvereines. Dieser hat nun einen ihrer hervorragendsten Mitglieder verloren.
Trotz seiner Jugend hatte der versierte Hochtourist 1200 Fels- Schi- und Hochtouren, 150 Erstbesteigungen und 300 Besteigungen im Alleingang bewältigt
QUELLEN;_,,,,Ischler Wochenblatt 19. Oktober 1913, S 2, Steirische Alpenpost, 18. Oktober 1913, S 3, Neues Wiener Journal , 15. Oktober 1913, S 15. ANNO Österreichische Nationalbibliothek,
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