DRAHTSEILBAHN SALZBURG#
1892: Die Entwicklungsgeschichte der schönen Mozartstadt hat abermals ein bedeutungsvolles Ereignis zu verzeichnen den Bau der Drahtseilbahn auf die Veste Hohen-Salzburg. Am 1. August 1892 wurde dieses neue Verkehrsunternehmen, das einen der herrlichsten Punkte Salzburgs dem Massenbesuchs der hier zusammen strömenden Fremden aus aus allen Herren Ländern mühelos zugänglich macht, in Betrieb gesetzt und befördert nunmehr Tag für Tag hunderte von Saisongästen nach der luftigen Höhe des alten Fürstenschlosses, diesem charakteristischen Wahrzeichen im Landschaftsbild Salzburgs.
In Österreich gibt es wohl keine zweite Provinzstadt, die sich eines so rapiden Aufschwunges erfreuen dürfte wie der altehrwürdige Bischofssitz an der Salzach. Innerhalb dreier Dezennien hat derselbe einen erstaunlichen Verjüngungsprozess durchgemacht. An die Stelle der früheren düsteren Befestigung Tore und Wallgräben ist eine ganze stattlicher Neubauten getreten, neue Stadtteile und Parkanlagen sind erstanden, die Salzach wurde einem geregelten Lauf zugeführt und durch schön angelegte Kais in ihrem Bett eingeengt, ein rühriger Verschönerungsverein trug für Herstellung schattiger Spazierwege über den Kapuziner- und Mönchsberg, Sorge, allenthalben wurden herrliche Aussichtspunkte erschlossen, die Stadtgemeinde entfaltete in Bezug auf die Schaffung vortrefflicher sanitärer Einrichtungen eine lebenswerte Tätigkeit, kurz es ist alles geschehen, um Salzburg zu dem zu machen, was es heute ist, zu einer der schönsten und gesündesten Städte unseres großen Vaterlandes. Ganz besonders aber hat das auswärtige Kapital dazu beigetragen, den großen Strom des Fremdenverkehrs nach der Mozartstadt zu lenken. Innerhalb sieben Jahre wurden die Lokalbahn Salzburg Landesgrenze in der Richtung nach Berchtesgaden, die Gaisbergbahn, der elektrische Aufzug auf den Mönchsberg und jetzt endlich eine Pferdebahn durch die innere Stadt und die Festungsbahn ins Leben gerufen. Bei allen dieser Unternehmungen - den elektrischen Aufzug ausgenommen – ist lediglich reichsdeutsches Kapital engagiert.
Die jüngste Schöpfung desselben, eben die Drahtseilbahn, qualifiziert sich in ihrer ganzen Anlage zu einer Sehenswürdigkeit allerersten Ranges. Die Verwirklichung dieses Projektes hat übrigens viel Zeit gebraucht und harte Kämpfe verursacht. Die Idee der Seilbahn wurde schon Ende 1886 ventiliert. Fünfeinhalb Jahre aber wurde deren Ausführung durch Verhandlungen verschleppt, die sich zwischen den Unternehmern und der Stadtgemeinde entspannen, zweimal abgebrochen und immer wieder aufgenommen wurden, bis sie endlich gegen Schluss des Vorjahres zum Abschluss kamen. Mitte April d. J., wurde mit dem Bau endlich begonnen und derselbe in überraschend kurzer Zeit vollendet. Wenn man die ganze Anlage, wie sie heute fix und fertig dasteht, ins Auge faßt, dann begreift man kaum, dass es innerhalb dreier Monate möglich war, dieselbe fertig zu stellen, und man muss den Ingenieuren der Salzburger Eisenbahn- und Tramway-Gesellschaft, der der Bau anvertraut war, aufrichtige Bewunderung zollen für die Riesenarbeit, die sie mit so viel Geschick und bei meist sehr ungünstiger Witterung bewältigt haben.
Die Festungsbahn beginnt in der Festungsgasse vor dem ehemaligen Michael Haydn Haus, das in ein schmuckes Stationsgebäude verwandelt wurde, steigt ziemlich steil bis zu der mächtigen Quadermauer des unteren Hasengrabens empor, durchbricht diese in einem 22 m langen Tunnel und mündet in den vorgenannten Hasengraben, eine kühn vorspringende Bastion, von deren Terrasse man einen unvergleichlich schönen Fernblick genießt. Das Bahnniveau mit seinem eisernen Oberbau hat eine Steigung von 58 Prozent, die Länge der Trasse, in der Steigung gemessen, beträgt 200 m; an jener Stelle, an welcher sich die beiden auf und ab verkehrenden Wagen – das Leergewicht eines jeden beträgt 5500 kg – begegnen, d. i., ungefähr in der Mitte der ganzen Bahnlänge, ist eine Ausweiche und die Zwischenstation „Mönchsberg“ angelegt. Die Spurweite beträgt einen Meter.
Im Souterrain des oben genannten Stationsgebäudes sind die für den Betrieb der Bahn notwendigen Maschinen aufgestellt: eine Turbine von 13 Pferdkräften, welche durch das dem „Am Kanal“ entnommene Wasser in Bewegung gesetzt wird, und zwei Pumpen, die das Wasser in einer neben dem Bahnkörper laufenden Rohrleitung bis zu Höhe der Festung in ein daselbst befindliches Reservoir mit 300 m³ Fassungsraum treiben. Der Überschuss an Wasserkraft wird zur elektrischen Beleuchtung der mit allem Komfort ausgestatteten Restauration „Hasengraben“ verwendet, Aus dem genannten Reservoir gelangt das Wasser durch eine 50 m lange Rohrleitung bis zu dem in der Endstation befindlichen Personenwagen, um in dessen hohles eisernes Untergestell eingelassen zu werden. Die Schwere des Wassers muss das nötige Übergewicht herstellen, durch welches der an der Ausgangsstation befindliche Wagen langsam bergan geführt wird. Die beiden Wagen sind durch ein 33 mm starkes Drahtseil verbunden, das am höchsten Punkt der Bahn in der Neigung von 61 Prozent um eine Leitrolle geführt ist, und laufen außer auf dem Schienengeleise noch mit je zwei Zahnrädern in einer Riggenbach Zahnschiene. Es geschieht dies zur Erhöhung der Sicherheit für das Publikum; denn in dem ganz undenkbaren Fall, als das starke Drahtseil reißen sollte, wirken auf die beiden Zahnräder Bremsen, deren eine automatisch, die andere durch den Zugsbegleiter in Tätigkeit gesetzt wird, was das sofortige Stillstehen des Wagens zur Folge hat.
Die Baukosten der Seilbahn dürfen zírka 230.000 Gulden betragen. Da die jährliche Besucherzahl der Festung bisher trotz des beschwerlichen Anstieges schon über 20.000 betrug, so ist ein Prosperieren des Unternehmens zweifellos zu gewärtigen; dies schon deshalb, als durch die Seilbahn ein Punkt der Festung dem allgemeinen Besuch erschlossen wurde, der dem Naturfreund einen Ausblick in die landschaftliche Umgebung Salzburgs nach allen Seiten hin, auf das Hochgebirge und ins flache Land gestattet, der seinesgleichen an Schönheit und Abwechslung suchen dürfte. Noch umfassender gestaltet sich das Panorama vom sogenannten Aussichtsturm, an dessen Fuß die Hasengrabenbastion liegt, und zu dem im nächsten .Jahr ein elektrischer Aufzug geführt werden wird. R.Freisauff.
QUELLE: Salzburger Chronik, 29. März 1888, S 2, Salzburger Volksblatt, 22. Juli 1893, S 2. 9. Oktober 1891, S 2, 3. August 1892, S 2, ANNO Österreichische Nationalbibliothek, Bilder: I. Ch. Graupp
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