ERZHERZOGIN HILDEGARDE#
Befinden der Erzherzogin Hildegarde: Folgende Bulletins wurden gestern ausgegeben: „In der Krankheit der Frau Erzherzogin Hildegarde ist seit gestern eine Verschlimmerung eingetreten; das Fieber ist heftiger, die Kongestionen gegen Kopf und Brust sind in Zunahme, der Husten vermehrt. Die Nacht war sehr unruhig. Die durchlauchtigste Kranke wurde dem eigenen Wunsch zufolge mit den heiligen Sakramenten versehen. Wien, den 31. März 1864 Schmerling Regierungsrat
„Seit heute morgens im Fieber keine Veränderung; die Kongestionen gegen den Kopf dauern fort. Die örtliche entzündliche Affektion der Lunge in der Zunahme. 12 Uhr mittags, Professor Johann Oppolzer, Schmerling Regierungsrat
Täglich wurde man über den Krankheitsverlauf der Erzherzogin Hildegard durch die Tageszeitungen informiert.
Wie die Korrespondenz Gall am 2. April meldet: „Die Krankheit der Frau Erzherzogin Hildegarde hat im Verlaufe des vormittags eine so bedenkliche Wendung genommen, dass um 10 Uhr in der Hofburgkapelle das hochwürdigste Gut ausgesetzt wurde und die Hofgeistlichkeit und Hofdienerschaft fortwährend Gebete für die hohe Kranke verrichteten,“
Das Fremdenblatt am 3. April 1864 meldet: „Wir stellen die schmerzliche Nachricht von einem Trauerfall in der Familie unseres Monarchen an die Spitze dieses Blattes, weil alle Ereignisse und Betrachtungen in diesem Augenblick vor der Teilnahme der Bevölkerung an der Trauer in der höchsten Region zurücktreten
Gestern um drei Uhr morgens ist Ihre kaiserliche Hoheit Frau Erzherzogin Hildegarde nach neuntägigem Leiden selig im Herrn entschlummert Die allgemeine Trauer über den Verlust der hohen Frau ist um so größer, als eine der herrlichen Eigenschaften ihrer edlen Persönlichkeit, ihre gemütvolle Liebe zu den Mitgliedern ihrer Familie die nächste Veranlassung zu der plötzlich ausgebrochenen Krankheit und deren raschen tödlichen Verlauf war. Die Anwesenheit der Frau Erzherzogin am Sterbelager ihres geliebten Bruders weil. Sr. Majestät des Königs Maximilian von Bayern, der erschütternde Eindruck des so rasch erfolgten Hintrittes machte ihre zarte Konstitution empfänglicher als gewöhnlich für den verderblichen Einfluss der rauen Jahreszeit bei der Rückkehr aus München und hinderte jegliche Wirksamkeit der Arzneikunst.
Die Frauenwelt hat eine ihrer schönsten Zierden verloren. Eine im hohen Grade sympathische Individualität, vereint mit Einfachheit und milder Anspruchlosigkeit der Erscheinung, Wohltätigkeitssinn und unvergleichlichen Tugenden als Hausfrau und Mutter haben der erhabenen Hingeschiedenen stets das Herz der Bevölkerung gewonnen und werden sie in deren Angedenken unvergesslich machen. Ein besonders schöner Zug im Leben der hohen Frau war das sorgfältig bewahrte Geheimnis ihrer umfassenden Wohltätigkeit, wobei sie den wiederholt ausgesprochenen Grundsatz befolgte: „Die Linke soll nicht wissen, was die Rechte tut“
Erzherzog Albrecht der pflichtbewusst und ganz in seiner militärischen Berufung aufging, brach deswegen einen Urlaub ab. Hildegarde mit ihren Kindern fühlte sich von ihrem Gatten vernachlässigt und wußte sich nicht anders zu helfen, als sich an den Kaiser zu wenden. Dieser forderte Albrecht auf, sofort Urlaub zu nehmen!!
Die Frau Erzherzogin Hildegarde Louise Charlotte Therese Friederike war am 10. Juni 1825 geboren, hatte also kaum das 39. Lebensjahr vollendet. Ihr Vater, König Ludwig von Bayern, Großvater des jetzt regierenden Königs Ludwig, ist noch am Leben und weilt gegenwärtig aus Gesundheitsrücksichten in Algier, Von ihren vier Brüdern ist der König Max von Bayern kürzlich gestorben und hat Otto als König von Griechenland manche harte Prüfung erfahren. Prinz Luitpold ist mit der Erzherzogin Auguste von Toskana und Prinz Adalbert mit einer Infantin von Spanien vermählt, Von ihren drei Schwestern war Mathilde Großherzogin von Hessen, Adelgunde ist die Gattin des Herzogs von Modena und Alexandra unverehelicht. Am 1. Mai 1844 erfolgte die Vermählung der Frau Erzherzogin Hildegarde mit Sr. k. Hoheit Erzherzog Albrecht. Zwei Erzherzoginnen, Maria Theresia gegenwärtig im 18. und Mathilde im 15. Jahr trauerten am Sterbelager der zärtlich liebenden Mutter. Vorgestern um 9 Uhr früh hatte die hohe Kranke die letzte Ölung von ihrem Beichtvater Pater Donin in Gegenwart Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin, Ihrer Majestät der Kaiserin Maria Karolina und aller in Wien anwesenden Mitglieder des kaiserlichen Hauses erhalten. In der Nacht vom 1. auf den 2. April um 10 Uhr versammelte sich das ganze Haus des Erzherzogs Albrecht angehörige Personal von den Kavalieren bis zum letzten Diener in den zum Zimmer der hohen Kranken führenden Appartements. Nach einem alten schönen Brauch des kaiserlichen Hauses wurden alle Flügeltüren bis zu dem äußersten Appartement geöffnet und war für jedermann aus der Stadt, der mit hereintreten wollte, um seine Gebete mit den Angehörigen zu vereinigen, der Eintritt bis zum Dahinscheiden der hohen Kranken gestattet.
Als um Mitternacht jener Zustand eintrat, in welchem die Seele sich von dem hinfälligen Leibe los ringt, erschienen Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin ohne jede Begleitung am Lager der geliebten Scheidenden und verharrten daselbst kniend vor dem Lenker der menschlichen Schicksal im innigsten Gebet, bis um drei Uhr die Leiden der Sterbenden der himmlischen Ruhe gewichen waren. Außer den Brüdern des Erzherzogs Albrecht war in diesen letzten Stunden auch die von München herbeigeeilte Schwester der hohen Verstorbenen Herzogin Adelgunde von Modena anwesend.
Se. k. .k. Hoheit Erzherzog Albrecht hat sich gestern mit Familie nach Schloss Weilburg begeben. Die weiteren kirchlichen Feierlichkeiten leitet nach dem Brauch des Hauses das kaiserliche Obersthofmeisteramt. Gestern wurde die Totenmaske vom Gesicht und von der Hand der hohen Verstorbenen und eine Fotografie abgenommen, Heute Sonntag findet die Sektion und Einbalsamierung statt, Montag die Übertragung nach der Hofkapelle, wo der Sarg bis zur Beisetzung in der kaiserlichen Familiengruft bei den Kapuzinern aufgebahrt bleibt umgeben von Leibgarden und Hofstäben. Sternkreuzordensdamen beten abwechselnd an demselben. Die Erzherzogin ist mit einem weißen Seidenkleid angetan, ein einfaches schwarzes Kruzifix in den zusammengefalteten Hände haltend. Zu Füßen, welche mit zahlreichen Blumenkränzen bedeckt waren, auf einen schwarzen Samtpolster lagen 3 Orden, die sie besaß.
Nach dem alten Brauch des kaiserlichen Hauses hat die Beisetzung einen streng kirchlichen Charakter und ist alles militärische Gepränge vermieden. Die Überführung zu der Gruft erfolgt nicht in einem schwarzen Wagen und mit schwarzen Pferden, sondern in dem roten Prachtwagen, gezogen von acht Schimmeln. Die Kapuzinerkirche ist bei Ankunft des feierlichen Zuges gesperrt, an die Pforte wird gepocht, worauf der Pater Guardian von innen fragt, wer Einlass verlangt. Auf die Nennung des Namens der durchlauchtigen Verstorbenen wird die Pforte geöffnet und der Sarg zum Hochaltar getragen und eingesegnet. In der Gruft wird dann der Sarg geöffnet und die beizusetzende hohe Person von dem Guardian agnosciert. Derselbe gelobt sodann, dass er den Sarg bewahren und nur auf Befehl der kaiserlichen Majestät zu öffnen gestatten werde. Der Sarg wird mit zwei goldenen Schlüsseln geschlossen, wovon der eine im Besitz des Guardians bleibt, der andere in der kaiserlichen Schatzkammer hinterlegt wird. Das Herz der hohen Verstorbenen und die Eingeweide, jedes in einer silbernen Kapsel besonders verwahrt, befinden sich bei der Aufbahrung in der kaiserlichen Hofkapelle am Fuße des Sarges und werden dann bei der Beisetzung ersteres in die Lorettokapelle der Augustinerkirche, letztere in die Gruft unter dem Hochaltar zu St. Stephan übertragen.
Kaiserin Elisabeth verblieb die gesamte Nacht bei ihrer Cousine und Vertrauten Hildegarde und war von wahrhaft erhabener Aufopferung. Sie verließ die Sterbende nicht einen Augenblick bis alles vorüber war. Mit ihr verlor Elisabeth die beste Freundin. Sie kehrte in früher Morgenstunde mit einem frischen Blumenkranz zur Totenstätte zurück um wie sie sich ausdrückte, die erste zu sein, die teure Leiche zu schmücken.
Im Jahr 1857 als Ihre Majestäten Ungarn besuchten, war Erzherzogin Hildegarde Elisabeths Begleiterin, die sie mit Freuden in die Geschichte Ungarns einführte.
Wien 5. April 1864 Kondolenzbesuch: Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin fuhren vorgestern vormittags mittels Separatzug nach der Weilburg in Baden und verweilten bei Erzherzog Albrecht und den beiden jungen Erzherzoginnen durch mehrere Stunden. Nachmittags 4 Uhr trafen Ihre Majestäten wieder in Wien ein.
QUELLE: Ostdeutsche Post 5. April 1864 Seite 2, ANNO Osterreichische Nationalbibliothek Bilder: Graupp I.Ch.
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