FERDINAND VON ARLT#

Augenarzt
Ferdinand Ritter von Arlt

Im April 1887 fand an einem Sonntag in Obergraupen in Böhmen die Feier der Enthüllung der an dem Schulhaus angebrachten, dem Andenken Arlts gewidmeten Gedenktafel statt. Der langjährige Freund Prof. Arlts, der Bergwerksbesitzer Herr Schiller, die Weiherede und skizzierte in derselben hauptsächlich die herzlichen Beziehungen des Verblichenen zu seiner Heimat, ein Moment, welches das lebhafteste Interesse jedes Heimatgenossen erregen muss. Die Rede in ihrem Wortlaut war folgend; „Geehrte Anwesenden! Zu einer ernsten Feier haben sich die Bewohner dieses stillen Gebirgsdorfes und mit ihnen zahlreiche Verehrer und Freunde eines großen Toten zusammengefunden, um an der der Erziehung der Jugend geweihten Stelle die Wiederkehr des Tages zu feiern, an dem 75 Jahren Ferdinand Ritter von Arlt das Licht der Welt erblickte.

Die Gemeinde Obergraupen hat mir den ehrenvollen Auftrag erteilt, diesen Akt dankbarer Pietät zu vollziehen und die Enthüllung der an diesem Schulgebäude gestifteten Gedenktafel einzuleiten. Tief bewegt leiste ich Folge in der Hoffnung, dass die schlichten Worte, die aus dm Herzen kommen, den Weg auch finden werden zu den Herzen. Nicht kann es mir in den Sinn kommen, Ferdinand von Arlt in seiner wissenschaftlichen Größe würdigen oder auseinandersetzen zu wollen, wie er der Augenheilkunde Epoche machende neue Bahnen wies – ein beredter Mund wird dies an würdigerer Stelle tun – meine Rede soll nur gelten dem edlen Menschen Arlt, dem echten Sohne dieser Berge, der auf der Höhe des Ruhmes stehend, treu an seiner Heimat hing und mit der reichen Erfahrung seines Lebens auch dieser nur zu dienen strebte. Und welche Stelle in Obergraupen redet lauter von Ritter von Arlt Liebe zur Heimat, als die Schwelle dieses Hauses?

Er selbst , hier in Obergraupen in kargen Verhältnissen geboren, hatte früh mit den Sorgen des Lebens zu kämpfen; er sah, wie der in harter Arbeit grau gewordene Vater sich mühen und plagen musste, um die zahlreiche Familie zu erhalten, und wie der Vater trotzdem noch bemüht war, nicht allein dem älteren Bruder eine bessere Erziehung angedeihen zu lassen, sondern auch seinen Wissensdrang zu stillen. Wie schwer mochte dem kleinen, ziemlich zarten Ferdinand im Winter oft der steinige Schulweg von Obergraupen nach Graupen geworden sein und wie groß war die Freude, als auch er vom Vater in Leitmeritz untergebracht wurde! Und als der würdige Vater zu früh den Seinen entrissen wurde und die fromme Mutter, die schlicht und recht in ihrer Kinder Herz den milden frommen Sinn pflanzte, allein das Anwesen verwalten musste und den fernen Söhnen nicht mehr das bieten konnte, was der Vater geleistet hatte, da zeigte sich in Ferdinand, obwohl noch fast ein Knabe, voller Mannessinn, und mit eigener Kraft, durch Stunden geben, erhielt er sich selbst und den älteren Bruder. „Allerdings“, so sagte Ritter von Arlt noch vor drei Jahren, als er mir von seiner Jugend erzählte, „allerdings haben wir abends oft nur Wasser und Brot gehabt, allein“ - so setzte er fröhlich hinzu - „es hat nach getaner Arbeit doch gut geschmeckt“.

Rastlos vorwärts ging es auf der Bahn des Wissens, immer begleitet von der treuesten Liebe zur Heimat, in die er froh in den Ferien zu den Seinen zurückkehrte, um seine geliebten Berge zu genießen. Froh war er, wenn er wieder in die schlichten Verhältnisse des verwaisten Vaterhauses heimkehrte, wo die Mutter mit dem inzwischen ihr zur Stütze heranwachsenden jüngsten Bruder, den wir noch heute unter uns sehen, in mütterlicher Treue waltete. Mit welcher innigen Freude wusste Ritter von Arlt noch als Greis von seinem Kirschbaum an der Bergschmiede zu erzählen, der ihm vorbehalten war und dessen spät reifenden Kirschen er allein in den Ferien pflücken durfte.!

So vollendete er allmählich seine der medizinischen Wissenschaft gewidmeten Studien, im Wesentlichen immer auf die eigene Kraft gestellt, und als er endlich nach langem geistigen Ringen die erste wissenschaftliche Arbeit der Öffentlichkeit übergab, da stellte der Jüngling, der im Kampf ums Dasein seine Kraft gestählt hatte, der auch fern vom Vaterhaus stets das Bild der frommen, stets hilfsbereiten Mutter vor Augen hielt, der als Hintergrund dieses ernsten Familienkreises das harte, an Entbehrung reiche, genügsame Leben dieser Berge aus eigener Erfahrung kannte, dem aber auch, wenn es aus dem Vaterhaus herausblickte in die lachende Ebene, das Herz überquellen mochte vor Lebenslust und Freude - den Wahlspruch an die Spitze: „Primum humanitas, secundum scientia“ - „Erst Menschenliebe, dann Wissen!“

Wie oft geht es im Leben wie in der Natur! Wie die herbstlichen Stürme die Rosen entblättern, so verblassen die Ideale der Jugend und das warme Fühlen des Jünglings erstarrt unter dem eisigen Hauch der bitteren Erfahrung. Ferdinand von Arlt aber ist dem Wahlspruch seiner Jugend treu geblieben, und obwohl er im Reich des Wissens der Ersten einer war und zu den höchsten Ehren emporstieg, bei deren Annahme er in dankbarer Bescheidenheit des väterlichen Hauses gedachte - größer als seine Ehren, größer als sein Ruhm blieb Ferdinand von Arlts Menschenliebe!

Sie wissen alle, geehrte Herren, wie er vor 20 Jahren unter wesentlich anderen Verhältnissen, mit seinem Bruder vereint, dieses Schulhaus errichtete, nachdem alle Schwierigkeiten der Verpachtung der Gemeindegründe überwunden waren, in hochherziger Weise die Mittel zum Bau gewährte, aber auch fest darauf bestand, dass jeder Hausvater in Obergraupen beim Bau mithelfen musste. Damals war Ritter von Artl mir wörtlich gesagt: „Ich wünsche nicht, dass die Obergraupner einfach sagen, „der Professor hat uns die Schule gebaut, sondern man soll sagen: Er hat uns beim Schulbau geholfen – wir haben alle daran gebaut“. Er wollte die Liebe zur Schule dadurch in jedes Haus pflanzen und er wollte dies darum,weil er selbst an sich erfahren hatte, dass die Schule es ist, die die Keime entwickelt, welche der Himmel in die Brust der Menschen gelegt hat......“

Ferdinand Arlt am 18. April 1812 zu Obergraupen unweit der Badestadt Teplitz zuerst das Licht der Welt. Nicht Reichtum, nicht Wohlhabenheit umgaben und schmückten seine Wiege. Kein Wunder, war doch sein Vater ein schlichter Bergschmied. Reich gesegnet war dieser nur mit seinen Kindern. An eine höhere Schulbildung war daher auch nicht zu denken, die war zu kostspielig.

Geburtsort
Graupen
Studium
Leitmeritz

Leitmeritz
Kaiser Franz Joseph Denkmal
Ferdinand Arlt sollte mit den vielversprechenden Anlagen trotz der beschränkten Vermögensverhältnisse seiner Familie nicht verkümmern. Zum Glück gab es einen Onkel der Lehrer in Weißkirchlitz war, und sich des talentierten Knaben annahm und unterwies ihn vom 9. bis 13. Lebensjahr. Daher durfte er im November 1825 das Gymnasium zu Leitmeritz, und sein Talent und Fleiß hatten bald die schönsten Fortschritte aufzuweisen. Nach Wunsch der sehr religiösen Mutter sollte Arlt Priester werden.

Doch die Not war noch immer sein Begleiter, und zwang den Strebsamen, das kaum Gelernte als Lehrender rasch wieder zu verwerten und so gibt Arlt bereits im dritten Gymnasium Jahr private Unterricht-Stunden. Seiner Ausdauer und Sparsamkeit, sowie seiner früh entwickelten Charakterstärke gelang es sogar unter so schwierigen Umständen, sich selbst noch einige Ersparnisse zur Fortsetzung seiner Studien in Prag, wo er die sogenannten philosophischen Jahrgänge absolvierte. Sich selbst seine Existenz schaffend und auf eigenen Füßen stehend wie in Leitmeritz, sehen wir ihn auch in Prag. Im Jahr 1833 wurde ihn eine Erziehungsstelle anvertraut, bei einem sehr wohlhabenden Kaufmanns. Diese Stelle ermöglichte ihm seine medizinischen Studien fortsetzen zu können. Lernend und lehrend zugleich mit Feuereifer und zäher Ausdauer drang der strebende Geist des hochbegabten Studenten mit den besten Erfolgen in die Tiefen der von ihm gewählten Wissenschaft und nach zähen Ringen erreichte er 1837 endlich sein heiß ersehnten Berufsziel und wurde zum Doktor der Heilkunde promoviert.

In Prof. J. R. Fischer hatte der junge Mediziner einen hilfreichen Freund und guten Berater. Er stellte ihm die Assistentenstelle bei der Lehrkanzel für Augenheilkunde in Aussicht. Zugleich riet er ihm, sich auf einige Zeit nach Wien zu begeben um sich weiter zu bilden. Sofort akzeptierte er den gutgemeinten Ratschlag. Nun würde er die berühmten Ärzte Wiens, Rokitansky und Skoda, kennen lernen, für deren epochemachende Lehre und Forschungsweise er durch seinen Prof. Jaksch bestens informiert worden war. Auch den Winter 1840 verbrachte er deshalb in Wien.

In Wien hatte er in der Blutgasse eine Wirtsstube entdeckt, in der das Mittagessen für 15 Kreuzer verabreicht wird, und freute sich, dass die Kurse bei Skoda, Rokitansky und Jäger nur je 30 Francs kosten, ja dass Rokitansky es ablehnt, von dem armen Landsmann , ein Honorar zu nehmen.

Nach Prag zurück gekehrt begegnete dem bisher so Einsamen ein Wesen in voller Jugendblüte. Das Mädchen, die Schwester eines Freundes. Dieser sieht es nicht ungern, dass Arlt sich um sie bemühte, bereitwillig die Lücken ihrer Erziehung ausfüllt, ihr zur Seite zu stehen und wird nicht müde. Auszüge aus Geschichtsbüchern und ästhetischen Schriften für seine Schutzbefohlene anzufertigen. Gern durchwanderte er mit ihr die malerische Umgebung von Prag.

Bei einem Studentenkränzchen wurde er gewahr, dass er einen bevorzugten Nebenbuhler habe, viel jünger, frischer und gewandter als er, der Bergmannssohn, der sich zeitlebens das ungefüge Wesen seiner Heimat bewahrt hatte. Der Schmerz einer stillen Resignation breitete sich wieder über sein Leben, bei seinen Büchern und klinischen Studien suchte er Trost.

Nach Jahren geleitet er einen fremden Arzt in die Heilanstalt für Irre. Unter den kranken Frauen weckt eine Erscheinung sein Interesse. War ihm das Antlitz nicht bekannt? Aber jetzt verfallen. Ein Wärter flüstert ihm zu, dass Enttäuschungen in der Ehe die Unglückliche hierher gebracht ; entsetzt erkennt er, das diese Erscheinung, die so bleich wie eine Leiche vor ihm vorüber schreitet, der Gegenstand seiner ersten Liebe war...

Der Aufenthalt in Wien hat ihn wissenschaftlich vielfach bereichert und angeregt, wusste Ferdinand Arlt als Assistent bald durch seine praktischen Erfolge auf dem Gebiet der Augenheilkunde die Aufmerksamkeit selbst entfernter Kreise auf sich zu lenken.

Durch seine Heilungen des Schielens nach der eben erst von Dieffenbach erfundenen Methode, sowie die Folge mehrfacher schwieriger und glücklich ausgeführter Star Operationen gelang es ihm, binnen kurzem sich derart einen Ruf zu begründen, dass er nach zweijähriger Dienstzeit als Primararzt, bereits im Besitz einer ausgedehnten Praxis, daran denken konnte, dauernd in Prag zu bleiben. Er widmete sich nun an der Seite seines Freundes Prof. Jaksch im Verlaufe der folgenden Jahre mit besonderem Eifer und besten Erfolg, Theorie und Praxis verbindend, vorzugsweise der Augenheilkunde, und bald erwarb er sich durch seine glücklichen Operationen, sowie durch seine gediegenen, Aufsehen erregenden Beiträge in der Prager medizinischen Vierteljahresschrift einen stets wachsenden Ruf als Praktiker und als Gelehrter. In Rücksicht auf solche hervorragende Leistungen darf es nicht wundern, dass Ferdinand Arlts schon verhältnismäßig früh im Besitz einer selbständigen Lehrkanzel an der Universität in Prag zu sehen, die er seit Herbst 1846 anstelle des erkrankten Prof. J. R. Fischer zur Supplierung erhielt, nachdem er sich schon vorher als Privatdozent für Ohrenheilkunde und für pathologische Anatomie des Auges habilitiert hatte. Nach dieser dreijährigen Lehrtätigkeit wurde er an Stelle des verstorbenen Prof. Fischer im August 1849 zum ordentlichen Professor der Augenheilkunde in Prag ernannt. Wie bedeutend sein Ruf zu dieser Zeit bereits auch schon im Ausland gewesen ist, lässt die im selben Jahr von Leipzig an ihn ergangene Berufung an die dortige Hochschule erkennen; bereits im Besitz einer Lehrkanzel an der heimischen Universität, lehnte er jedoch diese ehrenvolle Einladung und blieb seiner Heimat treu. Nun da seine Berufs- wie auch Lebensstellung gesichert war, wollte er sich in den folgenden Jahren der literarischen fachwissenschaftlichen Produktion widmen. Bereits 1851 erschienen die ersten Teile seines Handbuches der Augenheilkunde bei Credner in Prag, der dritte Band erfolgte 1856 und war der Abschluss.

Seine literarische Tätigkeit, sowie seine noch immer steigenden Erfolge auf dem Gebiet der Augenoperationen lenkten bald die Aufmerksamkeit der wissenschaftliche Kreise derart auf Ferdinand Arlt, dass er im Jahr 1856 als ordentlicher Professor der Augenheilkunde an die erste und berühmteste Universität des Reiches, nach Wien, berufen wurde. Es war Kaiserin Maria Theresia die 1773 einen eigenen Lehrstuhl für die Augenheilkunde schuf.

Hier begann nun seine unglaubliche Karriere auf dem Gebiet der Augenheilkunde und als Lehrender. Aus allen Ländern der Welt kamen Schüler und Ärzte und staunend sahen sie ihm zu, wenn er vor ihren Augen seine unübertroffene Meisterschaft im Operieren bewies. Arlt besaß die seltene Gabe eines Operateurs, dass er ein Amphideter war, das heißt, dass er mit der linken wie auch mit der rechten Hand gleich gewandt umzugehen wusste.

Bei seinen klinischen Lehrgängen begeisterte er den gesamten Zuhörerkreis, nicht durch Redeblüten, dafür hatte er kein Talent, sondern durch die Klarheit seiner Demonstrationen, denn seine Hauptgröße liegt auf der operativen Seite seiner Wissenschaft, da er ein Praktiker war. Seine Artikel in den Fachzeitschriften gaben den Anstoß zur Einführung der allen Augenleidenden wohlbekannten Schriftskalen gegeben und in der Broschüre über Augenpflege forderte er zuerst energisch die Augenärzte auf, die Bestimmung der Augengläser selbst in die Hand zu nehmen und nicht den Optikern zu überlassen.

Er wurde nach und nach von den gelehrten Gesellschaften in Leipzig, Erlangen, Dresden, München, Pest, Paris, ja selbst in Odessa und St. Louis zum wirklichen und Ehrenmitglied ernannt und durch Preise für seine Arbeiten ausgezeichnet. Seine Korrespondenz mit diesen Gesellschaften und mit den berühmtesten Lehrern der Augenheilkunde auf der ganzen Erde würde mehrere Bände füllen.

Mexiko
Kaiser Maximilian

So sandte schon 1865 Kaiser Maximilian von jenseits des Atlantischen Ozeans dem Professor das Ritterkreuz des Goudeloupe-Ordens. Im Mai 1870 erhielt Arlt von dem Kaiser von Österreich den Eisernen Krone-Orden und wurde später gemäß den Statuten in den erblichen Ritterstand erhoben. Diesen Auszeichnungen folgten die Ernennung zum k k Hofrat 1877 und 1878 die Verleihung des Kommandeurkreuzes zweiter Klasse, des norwegischen St. Olavs-Ordens.

Einen namhaften Betrag seines Einkommens verwendete er zur Unterstützung armer, befähigter Studenten und nicht selten beteilt er seine Kranken mit Geldspenden.

Den modernsten Fortschritten passte er sich nicht mehr an, so war für ihn der Augenspiegel, ein sehr wicht iges Instrument, war nicht mehr seine Sache.Von großer theoretischer Wichtigkeit ist in dem Werk „Die Krankheiten des Auges“ enthaltene Thema, worin Arlt nachweist, dass die Kurzsichtigkeit nicht, wie man vermeinte, aus einer bloßen Veränderung der Linse, sondern in der Regel auf Verlängerung der Glaskörperachse beruhe. Außer den bisher erwähnten existiert noch eine große Zahl anderer größerer und kleinerer Arbeiten Arlts darunter hervorragend die „Operationslehre“ im Gräfe-Saemisch Handbuch.

In die Zeit seiner ersten Lehrtätigkeit in der Kaiserstadt fällt vor allem die Veranstaltung einer neuen Auflage der bereits im Jahr 1846 von ihm verfassten populär-medizinischen Schrift „Die Pflege der Augen“ später beteiligte er sich an dem von Prof. Alfred Gräfe herausgegebenen großen Handbuch der Augenheilkunde, für welches er den Artikel; Operationslehre verfasste. Auch in der periodischen Fachliteratur beteiligte Arlt sich sehr rege. Bis 1849 erschienen Artikeln in der Prager med. Vierteljahrschrift und seit 1855 in der Redaktion des Al. v. Gräf Archiv für Augenheilkunde. Viele seiner Veröffentlichungen in den zahlreichen Fachzeitschriften fanden günstige Beurteilungen und allgemeine Anerkennung. Aber auch seine eigenen literarischen Arbeiten widmete er genügend Zeit trotz seines Berufes. So erschienen zwei Monografien „Die Verletzungen des Auges in gerichtsärztlicher Beziehung“ und „Die Entstehungsursache der Kurzsichtigkeit“ bei Braumüller Verlag erschienen und nehmen den 1. Platz ein.

Für seine hervorragende Tätigkeit und hohen Verdienste die er der Wissenschaft und der leidenden Menschheit entgegenbrachte wurde Ferdinand Arlt im Jahr 1870 mit dem Orden der eisernen Krone III. Klasse und damit die österreichische ritterliche Adelsauszeichnung zuteil.

Diese Beförderung hatte ihre Geschichte, die übrigens ein Beweis der Wertschätzung, die Arlt in den höchsten Kreisen bereits genoss, deren Stimme für die Karriere eines Akademikers entscheidend sein kann.

Maler Amerling wurde beauftragt ein Porträt von Ferdinand Arlt für die Klinik zu malen. Dieser war davon nicht sehr begeistert, machte daraus das Beste.

Graf Leo Thun, der damalige Unterrichtsminister, hatte auf der Jagd das Unglück, von dem Splitter eines Zündhütchens ins Auge getroffen zu werden. Der Splitter war hinter die vordere Augenkammer gedrungen und Prof. Jäger, ein Veteran der Wiener Schule, wandte vergeblich all seine große Geschicklichkeit auf, den Splitter zu entfernen. Sein Sohn Eduard Jäger, ein berühmter Ophthamologen brachte das Unmögliche zustande, der Splitter wurde extrahiert. Nun versuchte der Vater für seinen Sohn Eduard eine Lehrkanzel für Augenheilkunde in Verbindung zu bringen. Thun winkte ab, diese Stelle war bereits für Prof. Arlt bestimmt.

Viel Ruhm hatte er sich auch um seine engere Heimat erworben. Obergraupen verehrt ihn als den größten Wohltäter der Schule und Unterrichtes. Damit bekamen sie ein wertvolles und kostbares Geschenk. Seit Jahren verbringt er den Sommer in seinem Geburtsort und lässt den Augenkranken Hilfe und Trost angedeihen.

Am 18. April 1882 feierte Prof. Ferdinand Arlt seinen 70. Geburtstag. Die hier gerade weilenden ausländischen Professoren und Ärzte, alle ehemaligen Schüler desselben veranstalteten zu Ehren des Jubilars ein Bankett, an dem auch die Tochter, Schwiegertochter Prof. Arlts teilnahmen.

Das Bankett glich einem Familienfest im engsten Kreis und dem entsprechend waren auch die einzelnen Toaste, die gesprochen wurden. Hofrat Becker, Heidelberg, Dr. Meyer, Paris, Prof. Berlin, Stuttgart, Dr. Bergmeister, Dr. Kerschbaumer und viele andere sprachen sehr gemütlich gehaltene Toaste die dem Jubilar galten. Dann ergriff der so Gefeierte das Wort und erntete sehr viel Beifall. Zum Abschluss bekam die gefeierte Berühmtheit ein Ehrengeschenk das aus kostbaren Glaskrügen bestand, Zu Erinnerung bekamen alle Anwesenden ein Foto zur Erinnerung.

Bis ins hohe Alter war Arlt mit seiner Wissenschaft verbunden. Als er im Jahr 1883 seinen Lehrstuhl an der Universität, den er 27 Jahre inne hatte, verließ, nahm man es betrübt zur Kenntnis.

Am 7. März 1887 kam die Meldung vom Tod des berühmten Augenarztes Ferdinand Ritter von Arlt, der seit 8 Monaten schwer krank in seiner Wohnung, Bellariastraße 12, darniederlag. Die ersten Nachrichten, die über die Erkrankung des bekannten Mediziners ,und Gelehrten, der an einem Fußübel leidend von seinem Landsitz Pötzleinsdorf, Hauptstraße 57, in die Öffentlichkeit drangen, datieren vom 11. August v. J. Auf einer Reise nach Johannisbad in Nordböhmen war Arlt das Unglück zugestoßen, dass ihm eines Morgens beim Verlassen des Bettes eine Vene an einem Bein barst. Man brachte ihn nach Wien und von hier nach Pötzleinsdorf. Schon damals erklärten die ihn behandelnden Ärzte die Professoren Dr. Billroth und Dr. Drasche sowie Dr. Allmayer den Zustand mit Rücksicht auf das hohe Alter des Patienten, der 75 Jahre zählte, für einen äußerst bedenklichen und die Hoffnung auf eine Wiedergenesung erfüllten sich nicht. Die Nachricht von der Erkrankung des berühmten Gelehrten erregte in allen Gesellschaftskreisen große Teilnahme und die Bulletins über den Krankheitsverlauf wurden mit Interesse verfolgt.

Mitte August vorigen Jahres wurde an dem Patienten die erste Amputation des Fußes, und zwar ohne Narkose vorgenommen; mit wahrhaft Bewunderung werter Geduld ertrug der alte Mann alle Stadien des Wundprozesses und nur selten kam über seine Lippen eine Klage über seine qualvollen Schmerzen. Ende August trat in dem Befinden Professor Arlt soweit eine Besserung ein, dass vorderhand die Sorge um sein Leben etwas schwanden und auch der Transport über die Wintermonate in Wien konnten durchgeführt werden. Mitte September zeigte es sich, dass die Gangrän – Gewebsnekrose beim Patienten immer weitere Fortschritte machte. Alle weiteren bis vor kurzem noch an ihm vorgenommenen operativen Eingriffe ertrug er mit derselben Geduld wie die ersterwähnte Operation. Seit Wochen hatte sich der Zustand des Professors immer mehr und mehr verschlechtert und in letzter Zeit war noch dazu eine Lungen- und Rippenfellentzündung hinzu gekommen, so dass seine Umgebung stündlich auf das Schlimmste gefasst war. Als der Hofrat Mittags fast ohne Todeskampf verschied, waren seine Söhne Dr. Ritter Ferdinand von Arlt der seit 1872 mit Marie von Hönigsberg, Tochter des Badearztes von Gastein, Benedikt von Hönigsbeg verheiratet und Wilhelm von Arlt, sowie die Tochter Matia die mit Hauptmann Sindl verheiratet, anwesend. Die beiden Ärzte Dr. Billroth und Dr. Drasche hatten vorher dem Raum verlassen. Seine Gemahlin Maria Theresia geborene Dietrich, starb bereits am 21. Jänner 1876 mit 63 Jahren, an Lungenentzündung.

Arzt
Robert Gersuny

Ein willkommener Anlass wieder Ferdinand von Arlt zu gedenken war die Enthüllung des Reliefporträts in den Arkaden der Wiener Universität am 9. Juli 1896. Einer konnte dieser Feierlichkeit allerdings nicht mehr beiwohnen: Prof. Theodor Billroth, der zwei Jahre vorher in Abbazia verstorben ist, war von Arlts Wesen und Können sehr beeindruckt gewesen. Er bewahrte noch auf dem Höhepunkt seines ruhmvollen Lebens die Erinnerung an seine schlichte Herkunft und all das Elend dessen teilnehmender Zeuge er gewesen. In seiner Biografie gibt Arlt zu, dass er ein sehr bewegtes Leben hinter sich und durch wiederholtes Zusammentreffen günstiger Umstände mehr erreicht als er erhoffen konnte.

Zu Arlts Schülern zählte unter anderem Carl Theodor in Bayern, der Bruder Kaiserin Elisabeths, der Augenarzt wurde und in München und Meran seinen Beruf ausübte und arme Menschen umsonst behandelte.

Theodor Billroth hat durch Jahrzehnte an der Seite Arlt an der Facultät gewirkt und es ist anzunehmen, dass Billroth durch Arlts Einfluss hierher berufen wurde. Erst die Krankheit Arlts führte beide Koryphäen zusammen, denn Billroth übernahm die traurige kollegiale Pflicht, den unter furchtbaren Qualen Leidenden als Arzt beizustehen

Arzt
Dr. Theodor Billroth

In einem Brief den Billroth am 9. August 1886 an Gersuny richtete: „Ein großer Teil der Ferien ist schon geopfert. Doch nun kommt ein trauriges Motiv für mein eventuelles längeres Verbleiben in Wien. Unser lieber, guter alter Arlt ist schwer krank. Er hat vor etwa 8 Tagen ganz plötzlich eine Thrombose in der Art poplitea links bekommen; zweifellos durch einen anfangs nur auf der Bifurkation reitenden Embolus. Gleich darauf absolute Anämie des Fußes, und nun nach und nach Aufhören der Zirkulation im ganzen Unterschenkel, wenigstens in den tiefen Partien. Die Haut ist kalt, marmoriert und von einer kolossalen Hyperästhesie, Lymphangitis an der inneren Seite des Schenkels hinauf. Dabei ruhiger, voller Puls und bis jetzt feuchte Zunge, keine Temperaturerhöhung. Am Herzen nichts Abnormes hörbar und perkutierbar; von einem Aneurysma keine Spur zu finden, die Quelle der Embolie unfassbar. Der Körper des Vierundsiebzigjährigen kräftig, wie der eines Vierzigjährigen. Der Puls von einer Völle und Kraft und Ruhe und Regelmäßigkeit, dass ich froh wäre, wenn ich einen solchen Puls hätte. Dabei die wahnsinnigsten Schmerzen im Bein; es ist Herz zerreißend, das Leiden des standhaften Mannes zu sehen. Ängstlich mit allen Narkotikis, wie alle alten Ärzte, habe ich ihm heute endlich selbst eine volle Spritze einer 5 % Morphinlösung appliziert. Dabei sagte er: „Gott ist mein Zeuge! Ich bin dazu gezwungen!“ Doch hatte er endlich Linderung. Schon seit Monaten leidet er an Agrypnie. Und dabei diese Selbstlosigkeit. Allmeyer und ich hatten ihm die Injektion gemacht gegen Abend; wir blieben bei ihm, bis die Morphinwirkung eintrat. Und er sagte; „Kinder Ihr habt den ganzen Tag gearbeitet, quält Euch nicht mit mir, geht!“ Ist das nicht großartig, welch ein Mensch!

„Arlt in solchem Fall ohne autoritative ärztliche Behandlung, jetzt, wo eventuell die Amputationsfrage – grässlich! - ernsthaft gestellt werden muss! Das ist unmenschlich, undenkbar vor unserer ganzen Zunft! Ich werde also bleiben, bis es zu einer Entscheidung gekommen ist. Bis jetzt ist keine Aussicht auf Demarkation; eine Amputation jetzt wäre nach meiner Erfahrung kein Remedium, nicht einmal ein anzeps, denn die Thrombose kann sich ohne Ende hinauf erstrecken nach und nach. Ich bin entschlossen, nur dann die Amputation zu machen, wenn sich eine deutliche Demarkation gebildet hat. Jetzt ist die Frage, ob er das erlebt; sein jetziger Zustand ist derart, dass ich es für möglich halte. Möglich ist es aber auch, dass er vorher der kalten Sepsis erliegt....“

Einen ähnlichen Brief bekam auch sein Freund der Komponist Johannes Brahms: „Wenn ich fort kann, weiß ich noch nicht. Mein alter Lehrer und Kollege Arlt, der berühmteste Augenarzt unserer Zeit, der Lehrer des großen Graefe, liegt an Altersbrand schwer darnieder...“

Ein Meister seines Faches, einer der letzten von jenen, die mit ihrem Glanz die Ruhmeshalle der Wiener Universität erfüllt hat, ist mit ihm entschwunden.

Vom Dachgiebel der Wiener Universität und vom Allgemeinen Krankenhauses wehten als Zeichen der Trauer schwarze Fahnen. Das Begräbnis findet am 9. März 1887 um 15 Uhr 45 statt. Nach der Einsegnung in der Votivkirche wird die Leiche Ritter von Arlt zur Beisetzung in der Familiengruft auf dem Zentralfriedhof gebracht.

QUELLEN: Wiener Allgem Zeitung 18. August 1882, S 4, Neues Wiener Tagblattm 8. März 1887, S 3, Neue Freie Presse, 19. November 1887, S 1, Teplitz schönauer Anzeiger,10. Jänner 1880, S 2, Presse 9. Juli 1896, S 14, Neue Ill. Zeitung 9. Oktober 1881 S 1, Bild, S 7. Bildmaterial: I. Ch. Graupp. ANNO Österreichische Nationalbibliothek

Hinweis:

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