FERDINAND VON HEBRA#
Am 5. August 1880 verlor die medizinische Wissenschaft wieder einen ihrer Größen. Ferdinand von Hebra war im 64. Lebensjahr nach langwieriger Krankheit im Kreis seiner Familie an Herzverfettung gestorben.
Der Brünner, trat nachdem er mit glänzendem Erfolg die medizinischen Studien absolviert hatte, als Operationszögling in das Krankenhaus ein. Sein Interesse galt alsbald der Behandlung der Hautkrankheiten die zu dieser Zeit wenig Beachtung fand und unter allen medizinischen Disziplinen die wenig kultivierte. Nicht nur, dass ihr jede exakt wissenschaftliche Basis fehlte, dass die Lehrsätze, auf welche sie ruhte, unklar und schwankend waren, machten sich gerade hier auch Vorurteile, Aberglaube und Halbwissen in der schlimmsten Weise geltend, es galt nicht nur aufzubauen, sondern all die Widerstände zu besiegen. Zu einem solchen Werk war nicht nur der Scharfsinn, das Talent, der Forschergeist und die reiche Erkenntnis der neu gewonnenen Errungenschaften der medizinischen Wissenschaften nötig, es bedurfte hierzu auch der energischen, rücksichtslosen Entschiedenheit eines Mannes, der, von der Wahrheit seiner Lehre überzeugt, dieselbe mutig und entschlossen zum Siege führt. 1844 trat Hebra mit seinem ersten Werk hervor, welches diesem Gebiet gewidmet war, und großes Aufsehen in der medizinischen Welt hervorrief. Bereits zwei Jahre vorher hatte er sich als Dozent an der Klinik der Hautkrankheiten habilitiert und im Jahr 1849 wurde er zum außerordentlichen Professor, 1869 zum ordentlichen Professor an der Wiener Hochschule ernannt.
1879 im Frühling war er ernstlich erkrankt Im Sommer transportierte man ihn nach Reichenau, doch dort verschlimmerte sich sein Zustand derart, dass man für ein ei Aufkommen des Kranken wenig Hoffnung hatte. Hebra war verheiratet und hatte fünf Kinder, zwei Söhne und drei Töchter. Ein Sohn war im Feldzug 1866 an dem er als Kadett teilnahm, gefallen. Der älteste Sohn Hans, ist Doktor der Medizin und hat den Vater während seiner Krankheit als Vorsteher in dessen Privatheilanstalt für Hautkranke, vertreten. Ein anderer Sohn ist Gutsbesitzer. Eine der Töchter ist mit Professor Dr. Kaposi verheiratet, die zweite hatte erst im verflossenen Monat auf das Drängen des totkranken Vaters, einen Ingenieur geheiratet.
Hebras Ruf wurde durch seine Studien über die Entwicklung der Scabies (Krätze) begründet. Früher war man der Meinung, dass die Scabies wie andere Hautkrankheiten durch abnorme Saftmischung entstehe, dass sie eine Diskrasie sei, bis Hebra an seine eigenen Fingern die Scabies züchtete und die Milbe zeigte, welche ihre Brutgänge in die Haut gräbt, wie der Borkenkäfer seine Brutgänge in die Fichtenrinde. Einmal zu einer Fürstin gerufen, machte er ihr die Mitteilung, dass sie an der Krätze leide. Die Fürstin protestierte. Doch Hebra meinte, er könne wegen ihr der Krankheit keinen neuen Namen geben. Einmal wurde ein Kranker vorgeführt dessen Arm über und über mit Teer bestrichen war. Hebra fuhr ihn an: „Welcher Esel hat Sie so angestrichen wie ein Wagenrad?“ Der Wärter flüsterte dem Arzt den Namen eines seiner ausgezeichneten Schüler ins Ohr, auf dessen Geheiß der Kranke behandelt worden war.. „Ah, das ist etwas anderes, der weiß, warum er es angeordnet hat". In einem Streit über Hautkrankheiten suchte ein Arzt die Anschauungen Hebras zu bekämpfen. „Das verstehen Sie nicht“, rief ihm Hebra zu, worauf der Arzt beleidigt und selbst beleidigend erwiderte: „Grob kann man bald werden!“ - „Freilich, aber zum Esel muss man geboren sein“, war Hebras schlagfertige Antwort. Wenn ein Patient kam, besah Hebra die Hände desselben und freute sich, wenn er den Beruf des Betreffenden richtig erkannt hatte. Diese Spielerei betrieb Hebra mit großem Eifer und brachte es darin zur großen Fertigkeit. Er sagte einmal darüber: „Zwanzig Jahre habe ich gebraucht, bis ich diese Kunst erlernt habe.“
Die Rigorosanten hatten oft unter Hebras derben Witz zu leiden. Ein Kandidat hatte bei dem Rigorosum sehr wenig gewusst und war trotzdem nicht geworfen worden. Als Hebra nach beendeten Rigorosum den Prüfungssaal verließ und den glücklichen, freudestrahlenden Kandidaten vor der Türe erblickte, rief er ihm zu: „Sie sind selbst einer ...“ Auf die Frage des mit ihm gehenden Professor Dlauby, was diese Worte bedeuten haben, erwiderte Hebra: „Der Mensch denkt sich über uns: Sind das Esel, dass sie mich durchließen und da konnte ich ihm die Antwort nicht schuldig bleiben“ - Kurze Zeit, nachdem Hebra zum Hofrat ernannt worden war, besuchte er an der Seite seiner Gattin einen Hofball, wie es vorgeschrieben ist, in Uniform. Eine vornehme Dame beehrte ihn mit ihrer Aussprache und bemerkte, dass sie ihn in der ungewöhnlichen Toilette kaum erkannt hätte. „Ja Gnädigste,“ erwiderte Hebra „meine Frau sagt auch, ich sehe aus wie ein Grundwachter“ und als er einst in seinem Studierzimmer den Besuch eines Generals empfing, sagte Hebra zu diesem „ Das ist mein Schlachtfeld und ich bin selbst ein General“ Sonst war Hebra, wenn er nicht provoziert wurde, gegen Kollegen immer sehr artig und zuvorkommend und im allgemeinen Verkehr mit Patienten wie Ärzten wich seine Derbheit zuweilen einer jovialen Liebenswürdigkeit, welche zeigte, welch trefflichen Kern die oft rauhe Außenseite des treffliche Mannes barg.
Dr. Ferdinand Hebra, Professor der Dermatologie und Primararzt der Abteilung für Hautkranke im Allgemeinen Krankenhaus in Wien, zählt zu den Zierden der Wiener Universität, ist als Lehrer ein Liebling der studierenden Jugend, und hat sich als Fachgelehrter um die dermatologische Wissenschaft nicht geringe Verdienste erworben. In neuer Zeit hat er durch die Erfindung eines Apparates für kontinuierliche warme Bäder sein en Ruhm vermehrt. Die Bestimmung des Apparates besteht darin, Verbrannte oder mit Hautkrankheiten behaftete Kranke, unausgesetzt Tag und Nacht hindurch im warmen Wasserbade zu erhalten; denn die Erfahrung hat gelehrt, dass bei vielen Hautkrankheiten durch das fortwährende Feucht erhalten der Oberhaut und durch das Abschließen derselben von dem Zutritt der atmosphärischen Luft, die Heilung begünstigt, und die unangenehmen Empfíndung als Spannung, Schmerz, Jucken auf ein Minimum reduziert werden.
Der Apparat besteht aus einem hölzernen Bettgestell, innerhalb dessen eine dasselbe ganz ausfüllende metallene (Kupfer oder Zink) Wanne sich befindet. Am Kopf – und Fußteil des Bettgestell sind hölzerne Walzen angebracht, welche durch Kurbeln um ihre horizontalen Achsen bewegt werden können und an deren Enden Zahnräder das Zurückrollen zu verhindern haben. Ein der Lichtung der Wanne entsprechender eiserner Rahmen, an dessen Längsteilen kleine Knöpfe zur Aufnahme von Quergurten hervortreten, und dessen Querteile eiserne, nach oben gewölbte Bogen tragen, wird durch an diesen Bogen befestigte und um die Walzen gewundene Hanfstricke innerhalb des Lumens der Wanne schwebend gehalten und dient dem Kranken zur Unterlage. Ein zweiter kleiner Rahmen, der mit dem ersterwähnten großen am oberen Dritteile durch ein Scharniergelenk verbunden ist und mittelst eines einfachen Mechanismus – wie bei einem Notenpult – höher und tiefer gestellt werden kann, hat die Bestimmung, den Kopf des Kranken zu unterstützen und denselben in jede beliebige Lage bringen zu können. Mit wollenen Decken und Rosshaar Polster wird das Lager behäbig gemacht.
Hebra Badeapparate sind bereits im Wiener Allgemeinen Krankenhaus und in einigen Spitälern des Auslands eingeführt, wo sie sich erfolgreich bewähren.
Die prominenteste Patientin war Erzherzogin Mathilde, die Tochter Erzherzog Albrechts, deren Kleid durch eine Zigarette Feuer fing und vielleicht zu spät diese Einrichtung in Anspruch nahm und sterben musste.
Im April 1869 wandten sich die Professoren Hebra und Sigmund in einer schriftlichen Eingabe an das Professoren Kollegium, um beim Unterrichtsministerium dahin zu wirken, dass die Kliniken für Hautkrankheiten und Syphilis unter die regelmäßigen der Fakultät aufgenommen werden.
1875 war Hebra erkrankt und konnte keine Vorlesungen halten, er hatte eine Pneumonie erlitten und litt gegenwärtig an Pleuritis.
Der imposante Leichenzug, welcher sich am 7. August 1880 über die Alsertraße bewegte, lieferte ein beredtes Zeugnis für die Wertschätzung, welcher Professor Ferdinand von Hebra, den man hier zu Grabe trug, als Lehrer und Gelehrter, wie als Arzt und Freund im Leben genossen hatte. Alle prominenten Weg Begleiter nahmen Abschied von ihm, der nach kirchlicher Einsegnung und zahlreichen Reden am Hernalser Ortsfriedhof seine letzte Ruhe fand.
1891 wurde im Arkadenhof der Wiener Universität die von Tilgner ausgeführte Hebra Büste von Frau Johanna von Hebra in einer Feierstunde enthüllt.
Quelle: Aus zahlreichen Zeitungen der ÖNB sowie Bilder
https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/FERDINAND_VON_HEBRA