GHEGAS EHRENGRAB#

Zentralfriedhof
Ghegas Ehrengrab

Allerheiligen 1897: In dichten Scharen, einer Prozession gleichend zogen die Wiener hinaus zu ihren Toten. Alle möglichen Vehikeln mit Kränzen behangen jagten durch die Simmeringer Hauptstraße, zum Brechen gefüllte Tramwaywaggons folgten dicht einer hinter dem anderen und entleerten Tausende von Menschen vor den Toren der größten Gräberstätte Wiens. Der Zentralfriedhof, von den Wienern zu Beginn seiner Entstehung nicht angenommen und sogar heftig protestierend abgelehnt, war inzwischen eine neue Attraktion geworden und gerne nahm man die umständliche lange Fahrt dahin an, denn es gab so viel Interessantes und immer wieder Neues zu entdecken, Der Unterschied zwischen arm und reich war auch hier nicht zu übersehen.

Kaum in das Reich der Toten eingedrungen umfängt links und rechts der Hauptstraße die Arkaden mit ihren Gruftanlagen im Neo-Renaissancestil die 1881 entstanden und für das vornehme, reiche geadelte Bürgertum der Ringstraßenepoche verfügbar war.

Nachdem die Gemeinde bei den Wienern auf Widerstand gestoßen waren, die den Zentralfriedhof nicht akzeptieren wollten, verfielen sie auf die Idee, überall jene Prominente auszugraben, zu exhumieren und im Zentralfriedhof neu zu bestatten um einen Anziehungspunkt zu schaffen damit die Wiener die stets neugierig sind, hierher zu locken.

So entstand inmitten all der anderen Größen der Kunst jene Gräber der Tondichter die sich hier versammeln wie Mozart, Beethoven, Gluck, Schubert, Lanner, Strauß Vater, Brahms später kam noch die Walzer Dynastie Strauß hinzu. Unter all den Berühmten Wiens findet man hier plötzlich ein ganz außergewöhnliches Grabdenkmal. Es ist dem genialen Ingenieur Carl Ritter von Ghega gewidmet.

1884 gingen die Stadtväter daran den Währinger Friedhof aufzulösen, doch vorher sollten die Toten, für die Wien, als politisches und geistiges Zentrum Österreichs für ihr einstiges Schaffen und Wirken zu Dank verpflichtet ist, eine bleibende Ruhestätte in den Arkaden des Zentralfriedhofes erhalten. Dass Beethoven und Schubert einen Ehrenplatz erhielten, daran zweifelte niemand. Doch es gab noch andere Gräber die den Wiener vielleicht entfallen sind.

Es war der Österreichische Ingenieur- und Architekten Verein, diese größte und bedeutendste Techniker-Corporation, den Gemeinderat von Wien ersuchte, „es möge das Grab Dr. Carl Ritter von Ghega von dem Währinger Friedhof auf den Zentralfriedhof transferiert werden“. Die Eingabe des Vereines ist noch nicht erledigt, aber wir hoffen, dass unter den Künstlern und Schriftstellern, unter den Dichtern und Komponisten, unter den Feldherren und Staatsmännern auch ein Techniker sein „Ehrengrab“ erhalten wird, zumal Ghega den ersten seines Faches zugezählt werden darf und sich um Österreich und insbesondere um Wien durch die Überschienung des Semmerings unvergängliche Verdienste erworben hat. Es ist jener Mann, welcher der Lokomotive die Wege über die Gebirge bahnte, und die bevorstehende Vollendung der Arlbergbahn ist gewiss ein passender Anlass, Ghegas als des Schöpfers der Gebirgsbahnen zu gedenken.

Nach dem Bau der Semmeringbahn kehrte Ghega 1859 den Keim eine schweren und tödlichen Krankheit in sich nach Wien zurück. Immer deutlicher ließ man ihn fühlen, dass der Techniker allenthalben im Wege stehe – und was die unermüdliche Tätigkeit, was ununterbrochene geistige und körperliche Anstrengung nicht vermochten, das Gefühl der Zurücksetzung brachte es rasch zustande. Am 14. März 1860 erlag Ghega einem heftig auftretenden Lungenleiden. Einfach, in aller Stille bestattete man den großen Toten auf dem Währinger Friedhof.

Da stellte im Jahr 1869 der damalige Chef der General Inspektion der österreichischen Eisenbahnen Hofrat Ritter von Wagner im Österreichischen Ingenieur- und Architektenverein den Antrag „Das Andenken Ghegas durch ein Monument auf dem Semmering und durch Gründung einer Ghega Stiftung für Studierende am polytechnischen Institut in Wien zu ehren“ Nun wurde allen klar was sie an Ghega hatten.

Am 22. Juli 1869 wurde auf der höchstgelegenen Eisenbahn Station zwischen Wien und Triest, der Station Semmering jenes würdige Monument enthüllt, welches die Architekten Bayer und Ferstel entworfen und dessen Ausführung Bau-Unternehmer Freiherr von Schwarz dem Verein zum Geschenk gemacht hatte.

1886: Bekanntlich hatte der Wiener Gemeinderat den Beschluss gefasst, auf dem Zentralfriedhof eine Fläche offen zu halten als Ehrenplatz für die Gräber jener „berühmten und hervorragenden“ Persönlichkeiten, deren irdische Hülle auf diesem großen Leichenfeld der Stadt zur ewigen Ruhe bestattet wird. Nun der nötige Platz dafür ist wohl vorhanden aber wer schafft die Monumente für jene berühmten Toten, welche seit vielen Jahren auf anderen Friedhöfen ruhen und deren bisherige Grabdenkmäler sich nicht zur Übertragung auf den Ehrenplatz geeignet erweisen?

Die Mitglieder des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereines, die Techniker also, die Männer der Tat, welche von den Männern des Wortes immer noch hochmütig als nicht ebenbürtig betrachtet werden, sind die ersten, die für ihren - ich weiß nicht ob berühmten oder bloß hervorragenden Mann der Semmeringbahn schon ein Denkmal gesetzt.

Um Entwürfe für dieses Denkmal zu erlangen, wurde, ebenso wie für das Makart – und Eitelberger-Denkmal für deren Errichtung gleich nach dem Tod dieser Männer durch öffentliche Sammlungen vorgesorgt wurde. Beim Wettbewerb um das Ghega Denkmal geht es ausschließlich um ein architektonisches Gepräge und erfordert künstlerisch Außergewöhnliches.

Für das Ghega-Denkmal sind 13 Entwürfe eingelangt, welche in der abgelaufenen Woche in dem Gebäude des Österreichischen Ingenieur- und Architektenvereines ausgestellt waren. Diese Entwürfe sind das Ergebnis eines Vorbewerbes, für welches nur Skizzen im kleinen Maßstab verlangt wurden. Die Verfasser der drei von dem Preisgericht als die verhältnismäßig besten bezeichneten Entwürfe werden dann zu einem engeren Bewerb eingeladen, auf Grund dessen erst die Zuerkennung des Hauptpreises und der Ausführung an einen der drei Bewerber erfolgt - ein Verfahren welches für diese kleine Aufgabe wohl etwas zu verwickelt ist, aber für größere architektonische Wettbewerbe um so dringender zu empfehlen wäre.

1887: Die Konkurrenz für das Ghega Denkmal hat folgende Sieger im Preiswettkampf ergeben. Es sind die Architekten Avanzo und Lange. Die Ausführung des Monumentes wurde der Unionbau-Gesellschaft übertragen. Das Monument ist nun so weit gediehen, dass an die Exhumierung der Leiche geschritten werden kann, welche heute auf dem Währinger Friedhof in Gegenwart des jetzigen Präsidenten des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereines Hofrat Bischof und des Vereinssekretärs Gaßebner vorgenommen werden wird, worauf die Leichenbestattungs-Unternehmung „Concordia“ die Leiche auf den Zentralfriedhof überführt. Daselbst werden der Verwaltungsrat und das Baukomitee des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereines ihren großen Toten erwarten, um ihn zur letzten Ruhe zu betten. Das imposante Monument wird am 1. November als eine hervorragende Zierde des Zentralfriedhofes fertig gestellt sein.

Der Architektenverein hat einen Akt der Pietät erfüllt, indem er einen der berühmtesten Ingenieure von der alten Grabstätte in die vom Gemeinderat der Stadt Wien gewidmete Gruft in den Anlagen für historisch denkwürdige Personen auf dem Zentralfriedhof übertragen ließ. Die Exhumierung der irdischen Überreste Dr. Carl Ritter von Ghega, fand gestern nachmittags um halb 4 Uhr auf dem Währinger Friedhof statt. Das Grab wurde eine Stunde vor der Exhumierung geöffnet. Ein Blick in die Tiefe ließ eine zerrissene Fläche morschen Holzes sehen, auf welcher das noch gut erhaltene Blechkreuz mit der Gestalt des Erlösers lag. Als Vertreter des Architektenvereines waren auf dem Friedhof Oberbaurat Fänner und kaiserlicher Rat Leonhardt anwesend. Um halb 4 Uhr erschien der Stadtphysikus-Stellvertreter Dr. Löffler und nun begann der Akt der Exhumierung. Friedhofsarbeiter stiegen in das Grab und begannen die Gebeine zu sammeln. Von dem, was einst Ghega gewesen, sind bloß mehr morsche Knochen vorhanden, nur der Kopf, aus dem die großartige Schöpfung der Semmering Bahn hervorging, hat sich in seinem Gefüge erhalten, alles andere ist zu Staub zerfallen, der sich mit der Graberde vermischt hat und samt den Kleiderüberresten sorgfältig aufgelesen wurde. Ein prachtvoller weißer Metallsarg der Bestattungsgesellschaft „Concordia“ nahm die Leichenreste auf und als sich der Deckel geschlossen hatte, legte kais. Rat Leonhardt einen herrlichen schönen mächtigen Kranz, gebunden aus Lorbeerblättern, weißen und roten Rosen, Lilien und Palmzweigen, auf den Sarg. Die weißen Schleifen tragen die Widmung: „Dem genialen Ingenieur Ritter von Ghega – der österr. Ingenieur- und Architektenverein“. Der Sarkophag wurde sodann gehoben und auf den beim Friedhofstor harrenden vierspännigen Prachtgalawagen der „Concordia“ gebracht, der sich dann nach dem Zentralfriedhof bewegte. Dort hatten sich als Vertreter des Architektenvereines Zentraldirektor Rücker, die Oberinspektoren Rotter und Birk und Ing. Kapaun, ferner die Architekten Prof. Avanzo und Lange eingefunden. Nach der Ankunft des Sarges nahm der Friedhofsgeistliche Lutz die Einsegnung der Überreste Ghegas vor. Dann schritt der Zug mit dem Sarg an dessen beiden Seiten Bedienstete mit Lampen, der bleibenden Ruhestätte des Toten zu.

Der obere Teil der Gruft ist bereits ausgemauert. Die Komposition des Grabdenkmals bleibt ohne Gruftdeckel, deshalb wurde der Sarg in einer eigenartigen Weise in das Grab hinab gelassen. In die mit Steinfliesen belegte ausgemauerte Gruft führt eine Art kleiner Vorhalle, in diese wurde der Sarg gesenkt und dann von zwei Männern in die Gruft geschoben. Auch die Gruft wurde kirchlich geweiht. Die Aufstellung des Monuments wird nächste Woche beginnen. Es besteht aus einem Sockel, welcher, 3.20 Meter hoch, aus alternierenden Lagen Wöllersdorfer Steins und rötlichen Granits hergestellt ist. Auf diesem Postament wird der aus Laaser Marmor gemeißelte Sarkophag ruhen, der von einem Baldachin überwölbt wird. Die Vorderseite des Sockels trägt eine Votivtafel aus rotem schwedischen Granit mit dem Geburts- und Todestag Ghegas. Nach oben krönt diese Tafel das in Haute-Relief ausgeführte Medaillonbild des Verblichenen.

Das Ehrengrab befindet sich gegenüber der Gruft von Baron John.

Ob seitdem an Ghegas Ehrengrab je eine Restaurierung vorgenommen wurde ist nicht zu eruieren, jedenfalls ist die pompöse Zierde des Zentralfriedhofes zuletzt schon sehr hinfällig gewesen und darum war es höchste Zeit das prunkvolle Juwel einer Verschönerung zu unterziehen, das schließlich 2006 stattfand Die Kosten beliefen sich auf 28.500 Euro.

QUELLEN: Neues Wiener Tagblatt 6. September 1887, S 4, 7. September 1887, S 4, Die Presse 7, September 1887, S 10, Reichspost 3. November 1897, S 4, Neue Freie Presse 13. August 1884, S 8, Bild I. Ch. Graupp ANNO Österreichische Nationalbibliothek.

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