HIERL-DERONCO#
Der Historien- und Porträtmaler Otto Hierl-Deronco erregte mit dem im Jahr 1883 gemalten Gemälde „Verhaftung Ludwig XVI., und seiner Gemahlin in Varennes“, nicht nur in München auch in Wien allgemeines Aufsehen. Nur in den seltensten Fällen ist ein junger Künstler mit einem so bedeutenden Erstlingswerk in die Öffentlichkeit getreten, denn es gehört viel Mut dazu eine solche Szene bei dunkler Nacht zum Gegenstand eines großen, figurenreichen Bildes zu machen. Der 1859 geborene Maler, Absolvent der Akademie der Künste in München bei Ludwig von Löfftz, später Meisterschüler im Atelier von Wilhelm von Diez, wo er seine volle künstlerische Ausbildung fand, unternahm er anschließend Studienreisen nach Frankreich, England und Italien, hatte nicht nur den Mut, sondern auch das Talent, diesem großen Thema gerecht zu werden, mit einer hervorragenden koloristischen Begabung ausgestattet.
Die Hauptgruppe der lebensvollen Komposition zeigt den König, wie er eben mit der Königin, seinen Kindern und seiner Schwester den Wagen verlassen hat, und wie ihm der Postmeister Drouet eine Laterne vor das Angesicht hält, um seine Idenität festzustellen. Inzwischen wird Generalmarsch geschlagen, eilen die Nationalgarden herbei, werden die Pferde von dem königlichen Wagen ausgespannt und somit das Schicksal des unglücklichen Monarchen besiegelt.
Eine Reise führte ihn zum regelmäßigen Aufenthalt beim Onkel mütterlicherseits, dem Grafen Fabio di Ricciardelli nach Italien.
1886 heiratete er die Tochter des Generalintendanten des königlichen Hoftheaters Karl von Perfall, Julia.
Die intensive Verbindung nach Italien führte Hierl-Deronco schließlich zum Papst Leo X., Im Hagenbund kamen dann nicht weniger als 8 Gemälde des Papstes zur Ausstellung, die seit Wochen angekündigt in stiller Abendstunde eröffnet wurde. Die Reichspost berichtet 1909 darüber: „In ruhiger Pracht bietet sich der Raum dar, als ein Akkord von Rot und Gold, des Rahmenwerkes sowohl, zu dem auch die Gewebe an den Wänden und auf dem Fußboden gehören, als der Farben der Gemälde. Es sind ihrer nicht weniger als acht, alle von dem Münchner Prof. Otto Hierl-Deroco in Rom geschaffen, der damit eine überzeugendere Charakteristik des milde ehrwürdigen Kirchenfürsten gegeben hat, als es die oft fragwürdige klingenden Erzählungen imstande sind. Es ist dem Künstler zustatten gekommen, dass seine Arbeiten nicht in steif posierenden Sitzungen, sondern bei verschiedenen Gelegenheiten sich entwickeln durften.
Nur eines der Porträts, welches des Papst mit der Mozetta angetan in der Bibliothek verweilend darstellt, ist, als erstes ohne Vorbereitung binnen vier Stunden herunter gemalt worden. Hier gleich wurde sich der Künstler inne, dass die Fotografien ihm banale Äußerlichkeiten berichtet hatten, die der Wirklichkeit nicht entsprechen. Die verinnerlichte Priesternatur und wenn es Not tut, die Herrscherhaltung des Papstes durchdringen immer das malerische Problem, so oft und mannigfaltig auch der Maler es gewendet hat. Wie der Vorgang und die festgehaltene Situation, so wechselt mit der seelischen Stimmung auch die malerische Haltung, wie sie übrigens schon durch die jeweilige Gewandung bestimmt wird: das weiße Hauskleid, den Hut und bequemen Mantel beim Spaziergang in den vatikanischen Gärten, die Tiara und den prunkenden Ornat bei Empfängen der Pilger und der kirchlichen Funktionen. Zu beachten ist die Lichtführung, aus der man eine dramatische Abfolge der Begebenheiten, von der Beschaulichkeit des dämmernden Morgens bis zur Feierlichkeit des Mittags, zu lesen vermeint. Hierl-Deronco ist als ein sehr gewiegter Maler bekannt, dessen Talent, obwohl es mitunter über seiner zu fühlende Einzelheiten des Beiwerks temperamentvoll hinweg eilt, sich gewachsen zeigt, solcherlei repräsentierende Porträt Aufgaben zu bewältigen.“
„Österreichs Illustrierte Zeitung“ zu diesem Thema: „Professor Otto Hierl-Deronco hatte das Glück diesen erlesenen Farbenschmaus in reichstem Masse zu genießen und bringt uns eine ganze Reihe von lebensgroß ausgeführten Porträts des Papstes Pius X., der ihm die seltene Gunst gewährte, einen Großen der Welt aufrichtig ach dem Leben zu malen. Das Märchen von den weichen, sanften Zügen des Papstes wird da freilich gründlich zerstört,wir sehen einen ernsten, männlichen, oft, schwermütig grübelnden Ausdruck, sehen eine Verschiedenheit der beiden Augen, sehen eine Warze auf der linken Wange - wo bleibt da die dokumentarische Wahrheit der Fotografien, die ein glattes, harmloses Gesicht zeigen? Und wir sehen Farben, sehen Gold und Kleinodien, sehen den Heiligen Vater im schlichten weißen Morgengewand, im roten Mantel in der Hermelin verbrämten Mozetta, mit und ohne Tiara, getragen, stehend, am schönsten wohl im roten Ornate, wie er zu Gedächtnis Feierlichkeiten für verstorbene Päpste getragen wird. Dieses Bild ist mit Blut und Rubinen gemalt, rot die Kleidung, rot der Thron, alles tief erglühend vor der roten Seide des Hintergrundes, rötlich angehaucht, das ehrwürdige Haupt des Papstes, wie ein reifer Granatapfel auf goldener Schale geöffnet, so prangt dieses Bild im mächtigen Rahmen den Franz von Stuck hierfür entworfen. Hierl-Deronco Bundesbruder in der Münchner Sezession. Aber wie groß auch der Reiz der Farbe ist, sie bildet nur den Wegweiser zu dem stillen Antlitz, das immer dasselbe, nie das gleiche ist. Wie Monet seine Heuschober, so malt Hierl-Deronco immer wieder dasselbe Gesicht, nur ist hier der Vorgang ins Psychologische übersetzt. Wer sich die Mühe nimmt, in diesen Zügen zu forschen, wird über die Kunst des Malers erstaunt sein, der in der anspruchslosesten Form eine Fülle von Beobachtungen wiedergibt, wobei stets eine Geschlossenheit des Bildes herrscht, von der man sich in Wien recht starke Nachwirkungen wünschen möchte. Wie schön ist doch der Moment erfasst, wo der Papst im großen Ornate die Gläubigen segnet; hier ist er nicht Pius X., sondern die Verkörperung des Papsttums, der Blick ist nicht auf die Andächtigen gerichtet, sondern seitwärts, scheu, als wollte er mit den Augen die Gnade vom Himmel holen. Darin scheint ein Grundzug im Wesen Pius X., erfasst zu sein, das Zurücktreten der Person hinter der Aufgabe, ein Gefühl unverdienter Würde. Nichts von Glück, nichts von erfüllten Ehrgeiz, nichts von Zufriedenheit, nein, eine Welt von Entsagung und Demut. In allen Bildern spürt man die gläubige Ehrfurcht des Malers, dass der Künstler in voller Freiheit seiner Persönlichkeit dem erlebten Ereignis schaffend gegenüber steht.“
Wenn sich sogar die Arbeiter Zeitung zu diesem Thema äußert wird das einen triftigen Grund haben: „Der Münchner Maler Otto Hierl-Deronco bekannt durch seine gut beobachteten Gesellschaftstypen und farbenfreudigen Darstellungen bunt gekleideter schicker, sich wollüstig in den Hüften wiegender Fandango Tänzerinnen und anderer sehr weltlicher Damen, hat sich diesmal von den profanen ab und einem heiligen Gegenstand“ zugewendet: er hat die leidlich Erscheinung des Papstes Leo X., in einer Folge von acht lebensgroßen Bildnissen auf die Leinwand gebannt, so wie er sie sah und wiederzugeben vermochte. Dagegen ist selbstverständlich durchaus nichts einzuwenden. Bedenken regen sich erst dann, wenn man das in dem vom Künstler selbst verfassten Katalog Vorwort über Papst Pius X., Gesagte mit den Bildnissen vergleicht und mit ihnen in Übereinstimmung zu bringen trachtet. Letzteres will nämlich nicht gelingen. Im Vorwort heißt es, dass die Erscheinung des heiligen Vaters „eine Fülle von Güte, als tiefer Denker aber vor allem im Ausdruck des Willens eine große Persönlichkeit zeige, und weiter: sein Wesen erscheint oft schmerzlich weltentrückt auf der mächtigen Gestalt liegt eine schwere Last: um so tiefer ist der Eindruck, wenn das Antlitz zu fester-starrer Form zurückkehrt; es ergeben sich dann Augenblicke einer Monumentalität, die geradezu michelangelesk wirkt. Möglich, dass dem so ist, nur finden wir all das in den Bildnissen nicht zum Ausdruck gebracht. Nein, diese Bildnisse bezwingen nicht, wirken nicht wie das Gefühlserlebnis der Berührung mit einer lebenden kraftvollem Persönlichkeit. Mit Bedauern konstatiert und bekennt man das; hofft doch der Maler mit diesen acht Bildnissen die Persönlichkeit Pius X., erschöpfend dokumentiert zu haben. Oder sollte es ihm gelungen sein, so wie er sagt, neben dem malerischen Eindruck auch eine physische Analyse gegeben zu haben? Man kann das nicht ganz ausschließen, nur klafft dann ein unüberbrückbarer Widerspruch zwischen des Künstlers Papstdarstellungen in Worten und in Bildern. Der Kopf , kantig und breit, ist von seiner, milchweißer Haut überspannt, die nur im Sommer ein wenig dunkler wird; die Hände sind groß und stark, doch edel geformt; die Nase die von vorn gesehen stumpf wirkt, bildet im Dreiviertelprofil eine harmonisch schöne Linie; der Mund ist voll mit einem Zuge leiser Wehmut um die Winkel.“ Soweit kann man, bei einigem guten Willen, eine Übereinstimmung der Feder- und Pinsel Schilderungen des Künstlers zugeben....“ So hatte die Arbeiter Zeitung stets etwas auszusetzen.
Zahlreiche andere Journale beschäftigten sich mit den Papst-Gemälden.
Erzherzogin Gisela, Tochter von Kaiser Franz Joseph und Elisabeth wurde von dem Künstler mehrmals gemalt.
Er war ein vielbeschäftigter Maler. Über seinen Tod am 29.Mai 1935 erfährt man in den Zeitungen kaum etwas.
QUELLE: Österr. Illustrierte Zeitung 1909 2. Februar, Grazer Zeitung 1913, die Zeit 1909, Interessante Blatt 11. Februar 1909, ANNO Österreichische Nationalbibliothek,sowie Bilder.
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