HOFTAFEL- UND SILBERKAMMER#

Hofburg
Foto Graupp

Besucht man die Hofburg zu Wien erwartet einem eine Fülle von Darbietungen aus der vergangenen Kaiserzeit.

1923: Obwohl die Hoftafel- und Silberkammer nur in wenigen und eigentlich in recht ungeeigneten Räumen, die ursprünglich als Magazine gebaut waren, untergebracht ist, muss sie selbst für jenen, der ihren unermesslichen Wert nicht vom Kunststandpunkt aus zu schätzen vermag, eine Augenweide sein, von der er niemals genug bekommen kann. Denn das Schönste an Porzellan, an Gold-Silberservice und an edlen Bronzen ist hier in einer Pracht und großer Vielzahl vereint, wie sie nur an wenigen Höfen noch vorhanden ist. Selbstverständlich finden wir in diesem Schatz eine Anzahl von Unikis, die mit dem besten Willen und auch dem regsten Wertverständnis nicht real geschätzt werden können. Denn wo befindet sich in der Welt noch einmal ein Tafelaufsatz wie jener aus Silber, mit Figuren, Bäumen und Blumen, mit Früchten aus Email? Woran sollte man seinen Wert messen, da sich kein Vergleichsobjekt dafür findet?

Und halten wir uns auch an jene Einzelstücke in Porzellan und in Bronze, in Silber und Gold, die auf Auktionen angeboten und in Privatsammlungen vorhanden, Werte von vielen Millionen, ja Milliarden repräsentieren, so ist damit noch lange nicht der Wert jener ganzen Service und Garnituren ermessen, die in der Hoftafel- und Silberkammer in reicher Auswahl vorhanden sind. Denn in der Gesamtheit von 170 bis 200 zusammen gehörigen hat das Stück einen viel größeren Wert denn als einzelnes.

Seit dem Verkauf der Sammlung Metaxa ist überhaupt so tadelloses Porzellan, wie es in der Hoftafel- und Silberkammer in mehr als tausend Stücken zu sehen ist, nicht mehr öffentlich zur Schau gestellt worden. Und auch in der Sammlung Max Strauß, die vor zwei Jahren bei Pollak und Winternitz zur Versteigerung kam, waren nur wenige besondere Stücke, wie jene Meißner Figur, die um 30 Millionen versteigert wurde und heute leicht 150 Millionen erzielen könnte, vorhanden. Hier aber winkt uns eine ganze Reihe von Meißner Gruppen aus der Blütezeit der Manufaktur entgegen, deren jede mit 200 bis 300 Millionen nicht zu hoch bewertet ist. Da sehen wir 20 signierte Wiener Porzellanteller: Daffinger, Perger, Ferstler, Klaudius, Herr sind die Schöpfer. So ein Teller wird auf jeder Auktion glatt 40 bis 50 Millionen erzielen, Und erst die Schokoladenbecher, aus den Jahren 1825 bis 1830! Die Malereien von Laurenzius Herr lassen es begreiflich erscheinen, dass Kenner jedes dieser 19 Stücke auf 20 bis 30 Millionen schätzen. Die Alt Wiener Service sind in ihrer Vollständigkeit, in ihrer Schönheit und in ihrer Kostbarkeit einzig in der Welt dastehend. In den größten Wiener Porzellansammlungen, Karl Mayer, Sieghart, Eisner-Eisenhof, Bloch, sind je ein oder zwei Teller mit Wiener Ansichten, deren jeder 15 bis 20 Millionen wert ist, geehrte Prunkstücke. Hier aber sehen wir ein vollständiges Service, das abgesehen von den vielen Tellern die noch viel kostbareren Schüsseln umfasst, deren jede mit hundert und mehr Millionen bewertet werden muss.

Hofburg
Foto Graupp
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Wundervoll sind die drei Services aus Sevres-Porzellan, die in ihrer leuchtenden Farbenpracht das Auge schier blenden. Ein erster Wiener Porzellankenner versichert, dass in Frankreich für jedes derselben mindestens zwei oder eine halbe Milliarde gezahlt würden, wenn sie je in den Handel kämen. Das Service mit den apfelgrünen Bändern, das mit seinen wellenförmig gekreuzten Bandfriesen und den bunten Überglasurmalereien sich scharf vom weißen Fond abhebt, hat in seinen Kühlgefäßen in Kahnform, den zehneckigen Näpfen und den Kühlwannen Bestandteile, deren jeder einzelne 100 bis 150 Millionen wert ist.Die anmutigen Panoramateller, die nach der Mode des Klassizismus ihre Bilder nicht im Fond, sondern als heitere Umrahmung der Leckerbissen geboten haben, sind ganz bestimmt per Stück mehr als zwanzig , Millionen wert. Denn ein Wiener Antiquitätenhändler der erst vor wenigen Tagen aus Paris heimgekehrt ist, hat daselbst drei Alt Wiener Teller, einfacher Rosa-Fond mit verstreuten Blumen, um vier und eine halbe Million Kronen gekauft. Und er wird sie selbstverständlich bedeutend höher weiter verkaufen.

Das Ehrenservice aus Sèvres aber, das auf mehreren Stücken die Signatur des Meisters Godin trägt, ist einer jener unermesslichen Werte, für die auch die Summe von drei Milliarden sicherlich noch zu tief gegriffen ist. Man kann in Wirklichkeit diese Stücke gar nicht abschätzen Denn wenn die Schätzung auch heute richtig ist, so ist sie morgen schon wieder überholt, trotzdem die Krone schon wertbeständig ist. Da hat ein Wiener Sammler einer alten Dame vor zwei Jahren für ein zwölfteiliges Kaffeeservice aus Meißner Porzellan eine Million angeboten. Sie konnte sich aber von ihrem Schatz nicht trennen, Heuer hat derselbe Sammler der Dame 50 Millionen für das Service gezahlt. Ein Sammler, der ob seiner feinen Spürsinn für wertvolles Porzellan bekannt ist, hat vor kurzem für eine Capo di Monte Figur, die ihm vor zwei Jahren um 250 Millionen zu teuer war, sechs Millionen gezahlt und hat dabei noch billig gekauft.

Wie aber sollte man die fabelhaften Bronzen und insbesondere das Vermeilservice (Gold mit Silber) einschätzen, da sich nichts ähnliches auf der Welt findet? Seit der Auktion Metternich, in der der verschuldete Erbe, der Fürst Klemens Metternich, seine Schulden aus dem Nachlass des Testators deckte, sind nicht wieder so fabelhafte Bronzen zu sehen gewesen; ja, nicht einmal die Bronzen in der Palffy Auktion, die im März 1921 zur Versteigerung kamen und Millionenpreise erzielten, können sich annähernd mit jenen vergleichen, die in der Hoftafelkammer zu sehen sind. Der Mailänder Tafelaufsatz, ein fast dreißig Meter langes Stück, ziseliert, vergoldet, der nicht in einem Stück aufgestellt werden konnte, sondern in Einzelteilen in Kästen untergebracht ist, hat sicherlich einen Wert von 30 Milliarden, wen auch natürlich die Summe von keinem europäischen Institut oder einem kontinentalen Sammler gezahlt werden könnte. Was sagen auch Zahlen? Ein Goldservice wird bereits nach Kilogramm eingeschätzt und so zu einer neunstelligen Ziffer gelangt, so muss erst der Kunstwert bemessen werden. Es ist unbegreiflich!

QUELLE: Der Tag, 20. Dezember 1923, S 5, ANNO Österreichische Ntionalbibliothek

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