JOSEPH HYRTL#
Am 17. Juli 1894 starb in Perchtoldsdorf im 84. Lebensjahr Dr. Joseph Hyrtl, völlig überraschend an Herzschlag. Er war Doktor der Medizin und Chirurgie, Hofrat und emeritierter Professor der deskriptiven, topografischen und vergleichenden Anatomie an der Universität zu Wien, korrespondierendes Mitglied der ungarischen Akademie der Wissenschaften und seit dem 14. Mai 1847 wirkliches Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Über die letzten Stunden Hyrtl's wird folgendes mitgeteilt: Der Gelehrte befand sich gestern noch ganz wohl und nichts ließ das so rasche Ende erwarten. Als die Köchin nach 6 Uhr morgens in dessen Schlafzimmer trat, fand sie den Professor noch in seinem Bett. Sie trat näher und merkte nun, dass er tot sei. Sie benachrichtigte Hyrtl's Freund Dr. Möller in Liesing, der bald darauf sich einfand. Dieser konstatierte, dass Hyrtl durch einen Herzschlag aus dem Leben geschieden ist, welcher gegen 1 Uhr morgens eingetreten sein dürfte, denn der Körper war noch warm.
Am Samstag Nachmittag soll Hyrtl während der großen Hitze im Garten gebadet haben, worauf er, sehr leicht bekleidet, einige Zeit im Badehaus ruhte. Sonntag Früh fühlte er sich krank und musste im Bett bleiben. Am Montag ging es ihm wieder besser. Am Abend machte er wie üblich einen halbstündigen Spaziergang in seinem Garten. Seine Lebensweise war eine sehr regelmäßige. Auf jegliche Medizin verzichtete er bereits seit 10 Jahren. Er führte ein zurückgezogenes Leben und hatte nur mit einigen Persönlichkeiten näheren Kontakt, mit dem Ordensprior der Barmherzigen Brüder, dem Gerichtsarzt des Wiener Landesgerichtes, Dr. Hinterstoißer, dem Bürgermeister und pensionierten Oberst Reichert und dem Landesausschuss Schöffel. Hyrtl hinterlässt eine 79 jährige Witwe.
Die Todesnachricht wurde in Wien durch Dr. Hinterstoißer bekannt, der dem Meister in den letzten Jahren bei der Ordnung seines wissenschaftlichen Nachlasses behilflich war. Dr. Hinterstoißer verständigte sofort und persönlich das Rektorat, und der Rektor veranlasste sofort die Hissung der Trauerfahne an der Universität. Die Leiche Hyrtls wurde noch am Abend im Perchtoldsdorfer Rathaus aufgebahrt. Zwei Tage später fand das Begräbnis statt und sein Grab befindet sich im Ortsfriedhof von Perchtoldsdorf.
Joseph Hyrtl stand in der Reihe jener hervorragender Persönlichkeiten, die im Jahr 1887 von Sr. Majestät dem Kaiser durch die Verleihung des neu gestifteten Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet wurden. Im Jahr 1850 erhielt Hyrtl das Ritterkreuz des Franz Joseph Ordens, im Jahr 1863 wurde der große Gelehrte durch die Verleihung des Ritterkreuzes des Leopold Ordens, zwei Jahre später durch die Verleihung des Ordens der Eisernen Krone zweiter Klasse ausgezeichnet.
Joseph Hyrtl wurde am 7. Dezember 1810 in Kismarton - Eisenstadt geboren. Als zweijähriges Kind kam er nach Wien, wurde bald darauf Sängerknabe an der k. k. Hofkapelle, damit war die Aufnahme in das k. k. Konvikt verbunden war und entschied sich nach dem Austritt für das Studium der Medizin, speziell für das der Anatomie, das ihn besonders zu interessieren schien. Im Jahr 1832 wurde er unter Professor Berres Prosektor an der Wiener Universität, wo er 1835 zum Doktor der Medizin promovierte. In Prag wurde Hyrtl zum Professor der Anatomie 1837 ernannt. 1845 wurde er in gleicher Eigenschaft bedingt durch den Tod Berres nach Wien berufen. Seine wissenschaftlichen Arbeiten betreffen ausschließlich Anatomie des Gehörganges verschiedene Partien der feineren Gefäßlehre und der vergleichenden Anatomie, insbesondere der Fische. Außer zahlreichen Abhandlungen in den „Medizinischen Jahrbüchern des österreichischen Kaiserstaates“ und anderen Fachzeitschriften sind von ihm viele Werke von hohem wissenschaftlichen Werte erschienen. Die weiteste Verbreitung unter seinen Schriften haben jedoch gefunden das fast in alle lebenden Sprachen übersetzte „Lehrbuch der Anatomie des Menschen“ Prag 1846; 20. Auflage 1889 und das „Handbuch der topografischen Anatomie“ zwei Bände, Wien 1847; siebente Auflage 1882, mit dem er diese Richtung der Anatomie in Deutschland begründete. Außerordentliche Verdienste hat sich Hyrtl ferner um den technischen Teil der anatomischen Wissenschaft erworben, über welchen ausführlich sein sehr geschätztes „Handbuch der praktischen Zergliederung Kunst“ Wien 1860 handelt. Seine mikroskopischen Infektionspräparate, die alles in diesem Fach Geleistete an Schönheit übertreffen, sind außerordentlich verbreitet: ebenso berühmt sind seine Gehörpräparate geworden. Das ausgezeichnete Museum für vergleichende Anatomie in Wien wurde von Hyrtl gegründet und auch beschrieben Wien 1869. Als Rektor der Wiener Hochschule veröffentlichte er bei deren fünfhundertjährigen Jubelfeier die Festschrift „Cryptobranchus Japonicus“ Wien 1865. Seit seiner 1874 erfolgten Emeritierung lebte er in ländlicher Zurückgezogenheit zu Perchtoldsdorf bei Wien. Hyrtl war ein Lehrer ersten Ranges, ein rhetorisch unerreichter Meister. Seine Kollegen wurden von Zuhörern aus allen Teilen der Welt besucht. In den Herzen seiner Schüler, die seine Lehre und seine Wissenschaft in alle Zonen des Erdballes trugen, haben sich die Vorträge eingeprägt, durch welche Meister Hyrtl dem trockenen Gegenstand einen unvergleichlichen Reiz verlieh. Der liebevolle, unübertroffene Lehrer, ein wahrer Studentenfreund, wusste in seinen Jüngern Begeisterung für medizinische Wissenschaft und Liebe für den ärztlichen Beruf zu wecken. Erwähnt muss hier werden, dass Hyrtl als Gelehrter keineswegs der materialistischen Schule angehörte, sondern in seinen Vorlesungen wiederholt gegen den Materialismus Front machte. Als Forscher und Gelehrter hat Hyrtl die Bewunderung seiner Zeitgenossen erregt. Nach vielen Jahren ruhmvollen akademischen Wirkens und Schaffens an unserer Alma Mater fasste der Meister in Folge zunehmender Augenschwäche den Entschluss vom Katheder herabzusteigen und sich in die Einsamkeit zurückzuziehen. In der Zurückgezogenheit hat Hyrtl niemals der literarischen Tätigkeit vollständig entsagt. Er machte Sprachstudien, unter deren Ergebnissen „Das Arabische und Hebräische in der Anatomie“ und „Die alten deutschen Kunstworte“ zu nennen sind.
Der 70. und 80. Geburtstag des Meisters wurden von der gesamten gelehrten Welt gefeiert. Schon an seinem 70. Geburtstag ehrte sich die Stadt Wien, indem sie Hyrtl unter ihre Ehrenbürger aufnahm. Im Jahr 1889 feierte unsere Residenz ein bedeutsames Fest. Im Arkadenhof der Universität wurde dem Meister Hyrtl zu Lebzeiten ein Denkmal errichtet mit den vielsagenden in Marmor eingeprägten Worten: „VIRO QUI BENEFICIIS UNIVERSITAT PROFVIT VIVI AEQVALES POSVERVNT“ Hyrtl war auch ein großer Wohltäter. Davon wussten arme Studenten und humanitäre Vereine, die Ortsarmen von Perchtoldsdorf und auch die Waisen zu erzählen. Hyrtl hat in Mödling zwei Waisenhäuser errichtet, in denen 200 Waisenkinder untergebracht sind, und hat damit dem Lande Niederösterreich ein Geschenk in ungefährem Werte von 300.000 Gulden gemacht. Auch bei der Förderung von Kirchenbauten in kleinen Gemeinden hat Hyrtl wiederholt in munifizenter Weise mitgetan.
Hyrtls Bemühungen trugen wesentlich dazu bei, das Studium der Anatomie auf das wünschenswerte Niveau zu heben, und hat die bisherige technische Technik wesentlich bereichert. Fruchtbare Ergebnisse zeitigte die neue Korrosion Technik, ebenso andere neue Injektion Verfahren. Seine Präparate des Gehörorgans sind weit bekannt geworden; fast alle Universitäten der Welt bemühten sich, sie zu erwerben. Hyrtls besonderes Interesse galt der vergleichenden Anatomie. Die Gründung seiner Sammlung bedeutet den Beginn geregelten Forschens auf diesem Gebiet überhaupt. Im Greisenalter schließlich widmete er sich den Sprachstudien über Ursprung und Wandlung der medizinischen Nomenklatur und war auch hier originell und fruchtbar. Unvergessen ist sein formvollendetes Buch „Vergangenheit und Gegenwart des Museums für menschliche Anatomie an der Wiener Universität“. In Hyrtls Persönlichkeit vereinigte sich der ernste Forscher mit dem genialen Künstler, der Naturwissenschaftler mit dem Philologen; seinem Lehramt kam seine hinreißende Redner Begabung zugute. Seine unerhörte Arbeitskraft und Phantasie ermöglichten ihm ein Leben, das aus vollem Reichtum schöpfte.
Hyrtls Vater spielte in dem berühmten Privatorchester des Fürsten Esterhazy die Oboe und gehörte später in Wien Haydns Kapelle als Musiker an. Von den drei Geschwistern trat ein Bruder als Kupferstecher hervor, ein anderer als Musiker. Dieser war es, der Meister Mozarts Schädel ausfindig machte, den Hyrtl selbst lange Zeit gehütet hatte, bis er dann nach Salzburg gebracht wurde.
Von seinem Lehrer der Anatomie, Professor Mayer, hielt er nicht viel. Er sagte über ihn: „Als Caligula sein Leib Ross zum Bürgermeister Roms machte, war das nur die Tat eines verrückten Wüstlings; - solche Geschöpfe aber zu Universitätsprofessoren zu ernennen, war ein Verbrechen an der Wissenschaft, am Staat und an der Menschheit. Er war der dickste, und, wenn er durfte, der gröbste Mann in Wien. Er starb 1830. „Bene vixit, qui bene latuit“ (Gut lebte, wer wohlweislich im Verborgenen blieb“). Daher hatte Hyrtl als junger Student Mayers Vorlesungen auch kaum besucht; er bezog seine ersten theoretischen Kenntnisse aus den Lehrbüchern von Meckel und Sömmering, vertraute sich der Führung zweier Wiener Chirurgen, Frankensteins und Levasseurs, an und wurde bald im Sezier Saal heimisch. Fördernd auf ihn wirkte auch Professor Czermak, dem Hyrtl Famulus Dienste leistete, wofür er freien Zutritt zum anatomischen Museum und zur Bibliothek erhielt; es wird berichtet, dass er von ihm zum Namenstag ein Plössel Mikroskop und Cuviers Anatomie bekommen habe. In dieser Zeit begann Hyrtl seine zahlreichen präparativen Arbeiten auf dem Gebiet der vergleichenden Anatomie.
Hyrtl erregte die Aufmerksamkeit seiner Lehrer, verschaffte sich durch seine Geschicklichkeit und seine Lehrbegabung die Achtung seiner Kollegen und hielt bald in einem Kreis von Privatschülern anatomische Kurse. Ein Streiflicht auf diese Zeit wirft auch die oft erzählte Geschichte von der Kindesleiche, die er nach Hause mitnahm, um an ihr seinen ersten Injektion Versuch zu machen. Die Mutter fand sie in einem Küchentopf im Ofen und erschrak über das hartgesottene Menschen Gesicht so sehr, dass sie in Ohnmacht fiel und dabei Kind und Topf auf den Boden warf. Hyrtl nahm in seiner Bestürzung das Kind unter seinen Mantel, um es auf die Universität zurückzubringen. Bei der Schlagbrücke stürzte er, ein Polizist half ihm auf und entdeckte dabei die Leiche des Kindes. Hyrtl wurde verhaftet, gegen Abend verhört, wobei man seine Verteidigung wohl als glaubhaft annahm, jedoch noch nicht, als völligen Nachweis seiner Unschuld anerkannte. Man stellte ihn dem Anatomie Diener Kaspar gegenüber, von dem er das Corpus delicti um 2 Gulden gekauft hatte; aber Kaspar war völlig betrunken. Hierauf zu Prof. Mayer, welcher eben mit der Anatomie des zweiten steirischen Kapauns beschäftigt war. Dieser erkannte an dem roten Band der Nabelschnur, dass das Kind aus dem Findelhaus stammte, hielt ihm eine Verteidigungsrede und lange Strafpredigt in geeigneter Weise, lud ihn und die beiden Alguazils zum Nachtmahl ein, und so wurde aus dem viel bewegten Tag noch ein fröhlicher Abend. Der Nachfolger Mayers, Prof. Berres – ein matter Silberblick begann aus den Schlacken dreißigjähriger Verödung aufzuleuchten, so begrüßte Hyrtl diese Ernennung – beschäftigte ihn als Prosektor. Andere Angebote lehnte der junge Arzt ab. Von diesem Lehrer, den er bald Freund nennen durfte, von dem er zu allen möglichen Arbeiten und wissenschaftlichen Unternehmungen herangezogen wurde, ein zur Neueinrichtung des anatomischen Museums und zur Herausgabe seines Lehrbuches konnte er manches lernen, was für seine akademische Laufbahn von Bedeutung sein mochte.
Bereits 1837, zwei Jahre nach der Promotion, wurde Hyrtl als Professor nach Prag berufen, nachdem er mit einigen Arbeiten zur vergleichenden Anatomie und über angeborene Bildungsfehler des Gehörganges hervorgetreten war. Anlässlich der Übersiedlung gingen Hyrtls Tierpräparate verloren, denn bis zur Schlichtung eines Streites über das Verfügungsrecht wurden diese in neue Behälter gelegt und zu ihrer Konservierung statt mit Spiritus irrtümlich mit Salzsäure übergossen. In Prag fühlte er sich anfangs sehr einsam und er klagt in seinen Briefen an Berres: „Wien ist mein erster und letzter Gedanke am Tage, mein Traum in der Nacht, solche Menschen findet man nirgend wie dort, deren Fehler und Mängel noch immer besser sind als die größten Tugenden der Prager. Wie gerne würde ich in meine vorige Lage zurückkehren und all die Macht und Herrlichkeit des Professorentitels billig hingeben gegen die Möglichkeit, unter was immer für einen Titel in Wien leben und sterben zu können.“
Immer mehr steigerte sich seine Abneigung gegen das gegenwärtige Schicksal: „Ich kam frühzeitig zu einem Amt, ohne es mir eigentlich verdient zu haben, dies machte mich keck; jetzt bin ich im vollen Besitz dieser Ehren und bin unzufrieden, weil ich es nicht weiterbringen kann. Ein Mensch, der rein nur Professor ist, ist in meinen Augen ein armseliger Mann, er geht für die Gesellschaft verloren, da er keinem realen Bedürfnis der Menschheit entspricht. Was nützt der traurige Ruhm, von einer Herde Zuhörer angegafft, und wenn man etwas Gescheites spricht, gar nicht verstanden zu werden.“ 1839 wurde in Prag die Lehrkanzel für Chirurgie frei, und, als Schuh ablehnte, Wien zu verlassen, Hyrtl angeboten. Lange schwankte dieser, ob er die seine Ausbildung übersteigenden Anforderungen übernehmen dürfe; obgleich ihn diese Stelle reizte, hörte er auf die Ratschläge von Berres und Schuh und blieb der Anatomie treu. „Soeben erfahre ich , dass Baron Türckheim sich wegen meiner geäußert, es wäre schade um die Anatomie, wenn ich zur Chirurgie, und schade um mich, wenn ich zu einem Fache wechsle, wo ich erst lernen und somit nicht lehren könnte.“ Langsam gewann Hyrtl in Prag festen Boden, und als er 1845 die nach Barres Tod freigewordene Lehrkanzel der normalen deskriptiven Anatomie in Wien übernahm – nur deshalb, so sagt er, weil Mayers Sohn, der als einziger noch in Frage kam, sie nicht haben sollte -, schreibt er über seine Prager Zeit: „Was ein Lehrer der Anatomie von meiner Individualität wünschen konnte, wurde mir in Prag zuteil. Die Achtung meiner Kollegen, die Anhänglichkeit meiner Schüler, eine trefflich eingerichtete anatomische Anstalt um mich her, ruhiges, einsames Quartier mitten darin, und bereitwilliges Entgegenkommen in allen meinen Wünschen von Seite des Guberniums haben mein dortiges Wirken zur glücklichsten Zeit meines Lebens gemacht.“ Die Zusage der Wiener, Hyrtl bei den gebotenen Änderungen zu unterstützen wurden nicht erfüllt: „Was ich nun in Wien im Jahr 1845 gefunden habe, war träger Widerstand gegen jede Neuerung.“ Es ging um den seit mehr als 15 Jahren in Schwebe gelassenen Neubau einer anatomischen Anstalt. „Befremdet und enttäuscht, verschloss ich mich im Kreise meines Berufes, teilte mein Leben zwischen meiner Arbeitskammer und meinem Hörsaal, wurde schweigsam, deshalb bei meinen Kollegen unbeliebt, und bin es bis heute geblieben.Indem es nun so gekommen, erkenne ich, dass es gut war. Wäre es anders gekommen, das anatomische Museum wäre dasselbe Beinhaus geblieben, welches ich bei meinem Amtsantritt in Wien feierlichst übernommen habe. Die Lücken der Sammlung auszufüllen, die Errichtung eines vergleichend anatomischen Museums vorzubereiten, meine Handbücher und Abhandlungen zu schreiben, war die ausschließliche Beschäftigung meiner vereinsamten Stellung.“
Dann kam das Jahr 1848. Die anatomischen Einrichtungen hatte man auf die Straße geworfen um damit Barrikaden zu errichten. Hyrtl flüchtete vor den Aufstand nach Triest und machte dort Versuche mit Fischen. Als er wieder nach Wien kam, fand er seine Wohnung mit Bibliothek und Sammlung ausgebrannt.
1949 übersiedelte die Anatomie in das Josephinum, dessen Museum mit dem der Universität vereinigt wurde. 1854 wurde Hyrtl bei der Wiederherstellung der Militärakademie in die alte Gewehrfabrik verwiesen wo ihm die Arbeit schwer fiel, trotz allem wollte er für das künftige Museum alles Notwendige dafür aufbringen. Seine Wohnung glich bald einem Museum mit 700 Skelette von Fischen, 83 menschliche Rassenschädel. Weiter waren 800 Präparate über das Gehörorgan des Menschen und Wirbeltieren vorhanden. 140 normale und abnormale Plazenten und mikroskopischer Injektionen mit soliden Harz Massen zu sehen. Es freute ihn wenn Fremde kamen um seine Sammlung zu sehen. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der Lehrtätigkeit. Seine Vorlesungen, so leicht und selbstverständlich er sie dann auch vortrug, waren Ausdruck gründlicher Ausarbeitung, die er jedes Jahr wiederholte, besonders wichtig die Anfangsvorlesungen. Ärzte und Mediziner aus aller Welt kamen nach Wien, um Hyrtl zu hören. Als Hyrtl als junger Student nach Paris kam und während einer Vorlesung den anatomischen Hörsaal betrat, legte der Vortragende das Präparat, das er gerade behandelte zur Seite, entschuldigte sich bei Hörern, er könne in Gegenwart seines Meisters Hyrtl nicht weiterlesen. Zum allgemeinen Erstaunen ergriff Hyrtl sofort das Präparat und setzte die Vorlesung in tadellosem Französisch fort.
Hyrtl der bei den Studenten beliebt war, nicht aber bei den Kollegen, besonders mit Brücke, die sich gegenseitig bekriegten. Vielleicht war das auch Ursache, dass trotz seiner langjährigen Zugehörigkeit zur Wiener Fakultät nicht zum Dekan gewählt wurde. Zur Fünfhundert Jahrfeier der Universität wurde Hyrtl zum Rektor gewählt und fühlte sich auch hier passiver Resistenz von allen Seiten ausgesetzt, so dass er mit dem Ehrenamt wenig Freude hatte. Seine Festrede tat noch ein übriges dazu, eine flammende Kampfansage gegen den Materialismus seiner Zeit, die ihm zahlreiche Angriffe eintrug.
Hyrtl wurde durch seine Lehrbücher, sowie durch seine Präparate die die Universitäten der gesamten Welt erworben hatten, ein reicher Mann. Er und seine Frau, die er in den 60er Jahren kennen lernte, viel später erst heiraten konnte, war eine Schriftstellerin, lebten bescheiden, blieben kinderlos. Sein Freund mit dem er noch verkehrte war Schöffel, der Retter des Wienerwaldes.
Perchtoldsdorf konnte sich glücklich schätzen einen so berühmten Mann in ihrer Mitte zu wissen. So wie seine Werke ihn als Gelehrten verewigten, so und noch mehr machen ihn seine Werke christlicher und Barmherzigkeit unsterblich. Hyrtl, der sich bei jeder Wohltätigkeit beteiligte, und selbst Spenden für den Bau des Kranken- und Armenhauses in Mödling, außerdem Stifter des Mödlinger Waisenhauses, in welchem 32 Waisenkinder von Mödling und Perchtoldsdorf Unterkunft, Verpflegung und Erziehung unentgeltlich genießen durften. Außerdem auf seine Kosten weitere 60 Waisenknaben aus Niederösterreich aufnahm, dadurch hatte er den Bau erweitern und ausstatten lassen. Für Perchtoldsdorf stiftete er eine Kleinkinder Bewahr Anstalt und ließ auf seine Kosten ein Stockwerk auf das Armenhaus aufsetzen, um den Ortsarmen eine menschenwürdige Unterkunft zu sichern. Weiters haben die Mödlinger ihm die St. Josefskirche in der Schöffel Vorstadt zu verdanken. Die Dreifaltigkeitssäule in Perchtoldsdorf rettete er vor dem Verfall. Die Perchtoldsdorfer konnten sich nur bedanken indem sie sämtliche Örtlichkeiten nach Hyrtl benannten, denn so einen großzügigen Menschen findet man nicht so bald wieder.
Bereits 1891 als das Rathaus in Perchtoldsdorf renoviert werden sollte und der Bürgermeister Reicher sich an den Konservator Dr. Ilg wandte um die Leitung der Arbeiten zu übernehmen. Hyrtl der Förderer alles Schönen hatte die Kosten auf sich genommen. Bildhauer Reinhold Völkel führte in vorzüglicher Weise die Renovierung des Stucco Plafonds durch. Victor Jasper übernahm die Restaurierung der Gemälde und zweier Figuren. Hyrtl war mit deren Arbeit sehr zufrieden.
Beim Mödlinger Gericht fand die Testaments Eröffnung des verstorbenen Prof. Dr. Joseph Hyrtl statt. Es war mit 15. September 1892 datiert und von ihm selbst verfasst. Mein letzter Wille.... Meine sämtlichen Wertpapiere fallen nach Bestreitung der nachstehenden Legate dem meinen Namen führenden Waisenhaus in Mödling zu als meinem Universalerben mit der Bedingung, dass der volle Nutz Genuss, das ist die sämtlichen Erträgnisse, desselben, meiner Frau Auguste bis zu ihrem Tod zusteht. Das Haus samt Zubehör in Perchtoldsdorf, welches ich und meine Frau als unser Eigentum jetzt bewohnen, fällt nach dem Tod von uns beiden, der Gemeinde Perchtoldsdorf zu, mit der Verpflichtung von dem Zinsertrag dieses Hauses jährlich 100 Gulden an die Kinder Bewahranstalt all hier abzugeben, im Falle aber die Gemeinde das Haus verkauft, den vierten Teil an dieselbe abzuführen. Die Kinder Bewahranstalt bekommt 15 Bank Aktien, die Gemeinde Perchtoldsdorf bekommt 10 Bank Aktien, das Armenhaus in Perchtoldsdorf 5 Bank Aktien, die Kinder Bewahranstalt in meiner Geburtsstadt Eisenstadt 5 Bank Aktien, die Kongregation der Schwestern des 3. Ordens des heiligen Franziskus von Assisi in Wien 5 Bank Aktien, das medizinische Doktoren Kollegium in Wien I., Rotenturmstraße 23, welches mein Andenken durch die Aufstellung meiner Büste in seinem Sitzungssaal bewahrte, fünf Bank Aktie, dann die Kongregation der Schulschwestern des heil. Seraphikus im 3. Bezirk, Apostelgasse, welche die Kinder Bewahranstalt in Perchtoldsdorf besorgen, 3 Bank Aktien. Selbst die Verschönerungsvereine in Perchtoldsdorf wurden von Hyrtl mit 2000 Gulden bedacht, die Gemeinde sollte diese jedoch sofort unter den Witwen und Armen 1000 Gulden verteilen, dieselbe Gemeinde 1000 Gulden um die Interessen der Anschaffung von Schulgegenstände für arme Kinder zu verwenden, die Feuerwehr in Perchtoldsdorf 1000 Gulden, der Gesangsverein 1000 Gulden, der Kranken- und Leichenverein 2000 Gulden, die Armen im Armenhaus je 10 Gulden auf die Hand. Wegen der 16 Orden traf er ebenfalls seine Anweisungen. Nach Abzug der verschiedenen Legate, müssten 400.000 Gulden für das Waisenhaus in Mödling verbleiben. Seit seiner Erblindung konnte er nur mit Unterstützung seines ehemaligen Assistenten Dr. Fridlowsky schriftliche Arbeiten vollführen, Alles weitere musste noch gesichtet werden.
Das Vermögen Hyrtls belief sich auf 45 Milliarden Kronen = 4.5 Millionen Schilling.
Die Anatomie hatte zweifellos unter Hyrtl einen Höhepunkt erreicht, der kaum noch zu überbieten war. Hyrtl sagt selbst über seine Lebensarbeit: „Ich habe nur für sie (Anatomie) gelebt und, was mir selbst ehrliche Feinde zugestehen müssen durch Wort, Tat und Schrift geleistet, was möglich war. Man wird in Wien noch lange von mir reden, wenn man mich nicht – was schon besseren Männern geschah - vergisst.“
Quellen: Das kleine Volksblatt 15. Oktober 1946 S 5,Ill. Kronen Zeitung 28. Jänner 1906 S 4,Badener Bezirksblatt 21. Juli 1894 S 3, Ill. Wiener Extrablatt, Bild S 1, und weitere Bilder ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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