JULIUS SCHMID#
In seinem Landhaus in Mödling starb am 1. Februar 1935 der bekannte österreichische Maler Prof. Julius Schmid im Alter von 81 Jahren. Prof. Schmid lehrte an der Wiener Akademie der bildenden Künste in den Jahren 1897 bis 1925 und war Ehrenmitglied der Akademie. Zahlreiche hervorragende Gemälde hat der Meister geschaffen, so unter anderem die 15 Deckengemälde für das Schottenstift in Wien, Porträts des Bürgermeisters Prix, des Erzherzog Franz Ferdinand d'Este, des Kaisers Franz Joseph, den Vorhang für das Raimund Theater, das bekannte Bild “Schubert Abend“, eine Reihe von Beethoven Bildern, das Haydn-Quartett, das im Museum der Stadt Wien ist, und eine Reihe von historischen Gemälden für die Neue Wiener Hofburg. Für die Stephanie Säle in Graz schuf er die Medaillons.
1928 dieses Jahr stand ganz im Zeichen Schuberts, so wie das vorige Jahr Beethoven gedacht wurde. Hundert Jahre nach dem Tod noch so im Herzen der Menschen fortzuleben, ist wahrhaftig keine Alltäglichkeit. Beide sind sie gleicher Weise unsterblich geworden, trotz aller Gegensätzlichkeit des Temperaments.
Wenn wir in diesem Schubert Jahr in zahllosen Bildern an den großen Liederfürsten erinnert werden. Unter diesen fällt aber ganz besonders auf „Ein Schubertabend in einem Wiener Bürgerhaus“, das in vielen Musik liebenden Familien fast zu einem Andachtsbild wurde. Franz Schubert im Jahr 1897 von der Gemeinde Wien in Auftrag gegeben und unter den dafür in Aussicht genommenen Künstlern Gustav Klimt, Eduard Veit, A. H. Schramm und Julius Schmid von letzteren ausgeführt.
Julius Schmid damals noch Assistent des Professor Eisenmenger in der Leitung des Abendaktes an der Wiener Akademie, hätte bereits eine ganz gewaltige Arbeit hinter sich, nämlich durch den Architekten Ferstel die Ausschmückung der renovierten Schottenkirche mit mächtigen Deckenbildern erhalten, die seinerzeit berechtiges Aufsehen erregt haben. In der Schottenkirche hat sich wenigstens noch das Einteilungsschema bis in unsere Tage erhalten, auch haben wir dürftige Nachrichten über den thematischen Inhalt jener wu Malereien, die 1816 bei einer Restaurierung zerstört worden sind und 1886 durch die Bilder von Julius Schmid ersetzt wurden. Dazu bediente er sich besonderer Farben, die infolge eines Prozesses der „Verkieselung“ den Anschein von Freskenmalerei geben sollten, was aber niemals zutraf. Es waren die damals erfundenen sogenannten Kaim Kaliwasserglas Farben. Die Gemälde wurden 1991-1994 im Zuge der vollkommenen Restaurierung der Schottenkirche vom Bundesdenkmalamt restauriert, so dass ihre Farben wieder leuchten. Die heute die Decke dieser schönen Kirche bewundern, denken kaum an den Künstler, der das geschaffen, oder wissen, dass der Meister noch unter uns weilt.
Genau so alt, wie Schubert wurde, ist nun auch dieses Bild , aber auch ebenso wenig veraltet, wie Schuberts Lieder in ungezählten Reproduktionen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst ist es fast über alle Erdteile verbreitet und wird auch für kommende Generationen ein getreues Abbild des um Schubert versammelten Freundes- und Gönnerkreises sein. Fraglos, dass die Sepiazeichnung von Schwind „Schubertabend bei Josef R., von Spaun“ sowie das Schmid Bild auf der Schubert Zentenarausstellung der Stadt Wien zu sehen waren und viele Porträt Zeichnungen der Zeitgenossen und Freunde Schuberts, wie Schwind und Kupelwieser, unserem Maler das Material geliefert haben. Es ist außerordentlich lebendig verarbeitet und wir erkennen in diesem Bild auch manch andern seither ebenfalls unvergesslich gewordenen großen Namen , wie die eben genannten beiden Künstler, dann Franz Grillparzer, Ferdinand Raimund, Eduard Bauernfeld, die Karoline Pichler, sowie die Schwestern Fröhlich, welche im Leben Grillparzers eine so große Rolle gespielt haben.
Der letzte Akkord eines schönen Liedes ist eben verklungen und Schubert wendet sich vom Klavier weg der Gesellschaft zu, mit der Frage auf den Lippen : „Hats Euch gefallen?“ Sie wird durch den begeisterten Applaus von einigen Dutzend Händen übertönt. Das Licht eines mit vielen Kerzen geschmückten Luster taucht den Salon in eine reizvoll rötliche Stimmung. Ob sein Lied innerlich nicht Kathi Fröhlich, der ewigen Grillparzer Braut, die so selbstvergessen gelauscht hat, zugedacht war? Julius Schmid hat sie noch gekannt und durch eine Episode aus seiner frühesten Studienzeit ist sie ihm unvergesslich geblieben. Schmid als glühender Verehrer Franz Grillparzers, zeichnete aus dem Gedächtnis dessen Bildnis und wollte es dem Dichtergreis zum 80. Geburtstag überreichen. Grillparzer, erfreut darüber, wollte unbedingt bezahlen. Schmid aber nichts nehmen. Die Situation drohte unerquicklich zu werden, bis die Schwestern Fröhlich vermittelten und es daher verblieb, dass Schmid bei Geldbedarf sich jederzeit an Grillparzer wenden könne, was allerdings trotz recht öfteren Geldmangels doch nie geschehen ist. Die Zeichnung befindet sich im Grillparzer Zimmer des Museums der Stadt Wien aus dem Nachlass der Schwestern Fröhlich.
Julius Schmid aber wurde, dadurch angeregt, der berufene Schilderer der Zeit Schuberts und Beethovens und ist, trotz aller großen Aufgaben, die er zu bewältigen hatte, immer wieder zur Schilderung dieser Zeit zurückgekehrt und so finden wir den 75 jährigen Meister noch heute in Mödling, wo Beethoven die Missa solemnis und Schubert in der nahen Höldrichsmühle seine Müller Lieder schuf, in seinem Heim an der Staffelei. Schubertiaden und Beethoven Symphonien, sowie Haydn Sonaten träumen und sie in feinen, duftigen Aquarellen oder farbenprächtigen Ölbildern gestalten.
Professor Julius Schmid der aus der Wiener Akademie hervorging, war an derselben vierzig Jahre Leiter des Abendaktes . Dieser Abendakt wurde nicht nur von der ganzen Akademie, sondern auch von vielen außen stehenden Künstlern besucht und die Figuralisten einer ganzen Generation haben sich dort die Sicherheit und Korrektheit in der Zeichnung des menschlichen Körpers geholt. Professor Schmid ist Ehrenmitglied der Wiener Akademie, für die Mit- und Nachwelt aber wird er immer der große Schubert Maler sein.
Einen Tag vor seinem einundachtzigsten Geburtstag erlosch das Leben von Julius Schmid, des Nestors der österreichischen Historienmalers und ehemaligen Professors der Wiener Kunstakademie. Der Verlust dieses Mannes, dem vor einem Jahr fast auf den Tag an dieser Stelle eine Würdigung gewidmet wurde, fordert zu einer Ergänzung derselben auf. Nicht nur deshalb, weil es leicht ist, von Verstorbenen Gutes zu sagen, und die Wahrheit am leichtesten auch, weil sich ein Mensch, in der Perspektive gesehen, die ihn am Verschwindungspunkt angekommen zeigt, mit seinem Wesen und seiner Leistung anders als zuvor darstellt.
Julius Schmid war kein Genie, kein kühner Neuerer, kein Erfinder und kein Entdecker. Aber er war ein durch selten gewordene Kräfte und Tugenden, die besonders in der Kunst hoch zu schätzen sind, ausgezeichneter Bewahrer edelster Besitztümer und verlässlicher Führer auf Wegen zur erstrebenswerten Zielen; letzteres namentlich für den akademischen Nachwuchs. Während seines langen Lebens durchlief die Malerei vielerlei Phasen, evolutionäre und revolutionäre. Julius Schmid gehörte nicht zu den dünkelhaften Artisten, die glauben, das Beste geleistet zu haben, wenn ihre Experimente die Anerkennung der engeren Zunftgenossen finden, vielmehr fühlte sich Schmid erst dann befriedigt, wenn ihm gebildete und feinsinnige Laien freudig, bewundernd und dankbar Beifall zollten. Denn er hielt es für eitel und im Grunde genommen nutzlos, nur oder hauptsächlich für Maler zu malen. Vor allem hielt er es für einen Hauptirrtum der Künstler, sozusagen auf Leben und Tod nach dem absonderlich Neuen, Noch nie dagewesenen, dem problematisch Verblüffenden zu streben, ohne Rücksicht darauf, ob es verstanden und genossen werden kann. Aber trotz der Ablehnung der „Kunst für Künstler“ war er doch keineswegs der Meinung, dass der Künstler des Publikum als seinen Herrn ansehen und gefügig dessen Geschmackslaunen befriedigen soll.
Schmid maß dem mit gebührender Bescheidenheit und überlegter Begründung zum Ausdruck gebrachter Laien Urteil mehr Bedeutung zu als der engsinnigen Wertung irgendwie fanatisierter Fachleute, die sein Können nicht zu leugnen vermochten, aber durch die Bemerkung, es sei das Können eines Elektrikers, fragwürdig zu machen fruchteten. Gewiss der Mann war urwüchsiger als seine Kunst, aber sie ist so ehrlich wie er war. Das gilt namentlich von seiner Bildnismalerei, in der die von malenden Modenullen verpönte und verhöhnte alte Kunst der Stubenmalerei, die doch auch Natur darstellt, wieder aufblühte. Darum ist es immer genussreich, mit einem von Schmid gemalten Bildnis in einem Zimmer zu sein. Etwa mit dem der Baronin Marie von Ebner Eschenbach, das die berühmte österreichische Erzählerin mit den klug gütigen Augen im unvergesslichen Antlitz, umgeben von ihrer Uhrensammlung in einem behaglichen Alt Wiener Interieur darstellt, ganz durchwoben von heimatlichem Gemütsklima. Man sieht es diesem, aber auch anderen seiner Bildnisse an, dass Schmid vor dem Gott gewollten Aussehen der Menschen, die er konterfeite, Ehrfurcht empfand. Er heroisierte und stilisierte deshalb seine Modelle nicht, ging vielmehr auf das behutsamste mit geschmeidigem Pinsel den unauffälligen Einzelheiten nach, die in ihrer Gesamtheit den Wesensausdruck ausmachen. Wenn man dereinst wird wissen wollen, die der oder jener tatsächlich aussah, wird man aus den von Schmid gemalten Porträts die zuverlässigste Auskunft erkunden. Aber nicht die Porträts allein, auch gewisse andere von ihm gemalte Bilder, die Beethoveniaden und Schubertiaden, dürften noch einmal aus dem Dunkel ihrer ungerecht fertigen Verschollen- und Vergessenheit hervorgeholt und in ein neues, günstiges Licht gestellt werden zu vieler Menschen reiner Freude. Denn die Anschauung wechselt, die ein Volk von seinen Männern und ihren Werken hat, und der in die Ewigkeit eingegangene Kunstmeister, der Julius Schmid war, hat nun Zeit auf die Anerkennung der Vortrefflichkeit seines Charakters und seiner Lebensleistung zu warten.
1929 beschloss der Wiener Gemeinderat, dem Maler und Professor der Akademie der bildenden Künste Julius Schmid anlässlich seines 75. Geburtstag den Ehrenring der Stadt Wien zu verleihen. Schmid wurde 1854 hier geboren und besuchte die Wiener Akademie als Schüler Eisenmengers, unter dessen Leitung er sich zum Historien- und Porträtmaler ausbildete. Seine bedeutende Freskoarbeit sind die Deckengemälde in der restaurierten Schottenkirche . Dann schuf er, neben vielen Porträts, dekorative Monumental Arbeiten, wie den eisernen Vorhang im Raimundtheater und die Deckengemälde im Festsaal des Hauses der Kaufmannschaft. Das 1897 für die damalige Schubert Ausstellung im Auftrag der Gemeinde Wien gemalte populär gewordene Bild „Ein Schubert Abend in einem Wiener Bürgerhaus“ ist gleichfalls von ihm. Außer diesem Gemälde besitzt das Museum der Stadt Wien die Bilder „Beethoven“ und „Musikprobe bei Haydn“. Kürzlich fand nun im Rathaus die Überreichung des Ehrenringes statt. Bürgermeister Seitz, Präsident der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens Professor Goltz und der Rektor der Akademie Professor Jungwirth sprachen.
Schmid wurde vielfach ausgezeichnet, so mit dem Reichelpreis 1891, dem Kaiserpreis 1892, dem Ritterkreuz des Franz Joseph Ordens 1898, der Ehrenmitgliedschaft der Akademie 1925 sowie 1929 mit dem Ehrenring der Stadt Wien und dem Großen Silbernen Ehrenzeichen der Republik Österreich.
Quelle: Österr. Ill. Zeitung 18. November 1928 S 9 und 10 und Bild, ANNO Österreichische Nationalbibliothek Bildmaterial I.Ch. Graupp
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