KARL UDEL#
Karl Udel, der am 6. Februar 1844 in Varazdin, Kroatien zur Welt kam, der unwiderstehlich Heitere, dessen Erscheinen auf dem Podium genügte, um Lachstürme zu entfachen, hätte sich nicht gedacht in welch trübseligen Verhältnissen des Augenlichtes beraubt, sein außergewöhnliches Leben enden würde.
Bereits sein Vater, selbst Musiker, erteilte ihm Unterricht im Orgel- und Geigenspiel, desgleichen in der Harmonielehre Der 8jährige Karl war schon damals ein großer Trommelschläger im Orchester seines Vaters. Bald bemächtigte er sich der 2. Geige und später der Viola.
Er sollte jedoch außer der Musik noch etwas anderes lernen, so absolvierte er in seiner Geburtsstadt die hohe Schule, das waren 2 Realklassen, mit Erfolg. Anschließend besuchte er noch ein 5 jähriges Gymnasium, ebenfalls mit sehr gutem Resultat. Darum wollte der Vater den Sohn in die Präparandie unterbringen, doch sein lieber Sohn wollte davon nichts wissen.
Wien war längst Karls Sehnsuchtsort und Anziehungspunkt geworden, wo er 1859 endlich im Konservatorium unter kam. Violine, Harmonielehre und Klavier machte sich der Jüngling der Tonkunst nur unter der Leitung von Lehrern wie Sechter, Heißler, dienstbar. Sein erstes Engagement bekam er wegen seiner guten Ausbildung, im Orchester des Wiener Carl Theaters, wo er mit Hans Richter, dem späteren berühmten Wagner Dirigenten an einem Pult fiedelte. Dann spielte er im Theater an der Wien auf. Im Fasching 1860 trifft Udel auf eine sehr prominente Persönlichkeit, in dessen Kapelle er auf Viola mitspielen darf: Johann Strauß. 1867 saß Udel als Komprimarius am Nationaltheater in Budapest, es blieb bei einem Kurzbesuch, denn die Sehnsucht nach Wien war stärker. 1868 hielt er Einzug in die k. k. Hofoper. 1869 wurde Udel als Cellist, dem Konservatorium in Formvollendung entstiegen, fix engagiert, denn seine eminenten Leistungen auf dem Cello, diesem seinen Lieblingsinstrument. Wegen eines Handleidens musste er die Stelle aufgeben.
Udel ein gediegener Musiker, wurde im Jahr 1877 Celloprofessor am Wiener Konservatorium, und Mitglied des Philharmonischen Orchesters
Ein weiterer Höhepunkt seines jungen Lebens war die Grundsteinlegung für das Bayreuther Festspielhaus da spielte Udel unter Wagners persönlicher Leitung, Beethovens „Neunter“, die gerade in diesem Jahr ihre Zentenarfeier begehen kann.
Am 1. Jänner 1880 traf Udel die Entscheidung seines Lebens. Bereits Mitglied des „Wiener Sängerbund“ trat er an Stelle Kremsers, der zum Chormeister avancierte, Udel nahm nun die Gelegenheit wahr sich im humoristischen Gesang zu versuchen, damit hatte er einen überraschend so großen Erfolg, dass er beschloss, sich fortan dem Fach des komischen Liedgesanges zu widmen. Er trat dem „komischen Quartett“ des Wiener Männergesangsvereines bei, gründete jedoch sein eigenes „Udel Quartett“ , das am 3. März 1880 erstmals in Wien in der Öffentlichkeit auftrat und eine beispiellose Volkstümlichkeit erlangte.
Udels ganzes Streben galt der Vollkommenheit des Quartetts das in wechselnder Besetzung bald unübertroffen da stand, gern gehört und oft gerufen wurde.
Einmal musste Udel einer hochgestellten Persönlichkeit erklären was er mit dem Quartett bezwecken möchte: Seine Erklärung dazu: “Wir wollen mit unseren heiteren Vorträgen, die frei von politischen, religiösen und allen zweideutigen Anspielungen sind, das Publikum, welches unsere Konzerte besucht, in zwei Stunden von des Tages Mühen und Plagen befreien und angenehm zerstreuen“.
Udels Schöpfung, das heitere Quartett des Wiener Männergesangsvereines war eine in Wien umjubelte Glanznummer, die schließlich einen Siegeszug durch die ganze Welt unternahm und stark zur Popularisierung Wiens im Ausland beitrug.
Bei den zahlreichen Veranstaltungen die in der Donaumetropole stattfanden, war Udel ein sehr begehrter Gast, auch in den Kreisen der Aristokratie war er gern gesehen. Alle großen Wiener Gesellschaften, die Künstlerbälle und Wohltätigkeitsakademien, sie alle luden das Quartett zu sich, und überall wo sie auftraten gab es einen Riesenerfolg.
Kronprinz Rudolf besaß eine bekannte Vorliebe für Wiener Volks- und Heurigenmusik und verkehrte mit all den bekannten Sängern, Künstler und Komponisten in freundschaftlicher Beziehung. 1886 wurde dem Kronprinzen Karl Udel vorgestellt zu dessen nächster Umgebung er fortan bis zum plötzlichen Tod des Thronfolgers zählte. Oftmals wurde Udel von dem Kronprinzen zu Abenden im intimen Kreis eingeladen, egal wo sich dieser gerade aufhielt, auch nach Laxenburg, Abbazia oder Lacroma wohin das Kronprinzenpaar gerne reiste und sich aufzuhalten pflegte. Anlässlich eines Galadiners das zum Geburtstag der Kronprinzessin in Laxenburg statt fand und Udel von Kronprinz Rudolf dazu nach Laxenburg eingeladen wurde. Nach der Tafel musste Udel der zur Rechten des Kronprinzen hatte sitzen dürfen, singen. Kapellmeister Carl Michael Ziehrer begleitete Udel am Klavier. Nun war aber Meister Ziehrer als Begleiter, besonders in solcher Gesellschaft, sehr nervös. Dabei ging draußen ein furchtbares Gewitter nieder und Ziehrer zuckte bei jedem Donnerschlag zusammen.
Nach der Geburtstagsfeier lud Kronprinz Rudolf Udel ein, mit ihm im Hofwagen wieder nach Wien zurück zu kehren. Während der Fahrt bot er Udel eine Zigarre an. Der Kronprinz rauchte bekanntlich sehr starke Zigarren, was Udel als Nachwirkung der Tafel anfing übel zu bekommen. Udel musste sich zurückhalten, durfte keine Schwäche zeigen, denn das liebte der Kronprinz absolut nicht. Doch ihm wurde immer übler und hoffte, dass es nicht zur Katastrophe käme. In diesem Moment wurde der Wagen durch eine Unebenheit stark durchrüttelt und Udel nahm die Gelegenheit blitzschnell wahr um die unliebsame Zigarre los zu werden indem er sie aus dem Fenster fallen ließ. „Was machen Sie? Hörte Udel die verwunderte Stímme. Udel entschuldigte sich und schrieb es seiner Ungeschicklichkeit zu. Der Kronprinz versprach ihm sofort eine neue Zigarre anzubieten. Udel dankte höflich und meinte er habe schon genug geraucht. „Sie werden rauchen!“ meinte der Kronprinz darauf gereizt und begann sofort in seinen Taschen nach einer Zigarre zu suchen, fand zum Glück Udels, keine mehr.
Ein anderes Mal wurde Udel nach Mayerling zum Diner eingeladen, dort sollte er die Fiaker kennen lernen die als Volkssänger und Kunstpfeifer bekannt waren. Nach der Tafel blieben bloß der Kronprinz, Erzherzog Otto, Udel und der Tiermaler Pausinger zurück. Im Nebenraum spielte das Schrammel Quartett, das schon früher durch Udel beim Kronprinzen eingeführt wurde. Auf Befehl Rudolfs erschienen die drei Fiaker, wegen des schlechten Wetters waren ihre Stiefeln sehr schmutzig. Unter Begleitung der Schrammeln trugen die Fiaker ihre Gstanzeln, teilweise recht derbe Gassenhauer vor. Schließlich ein Neger der in englischer Sprache sang. Kronprinz Rudolf forderte Udel auf mit den Fiakern zu singen, doch das lehnte Udel ab, er als Professor des Konservatoriums musste auf seine Stellung achten. Rudolf missfiel Udels Haltung und Ansicht. Stattdessen wurde eine Kartenpartie vorgeschlagen. Der Kronprinz nahm Udels Haltung nicht übel, vielmehr stieg seine Achtung für ihn noch und er stellte nie wieder diesen Wunsch an ihn.
Aber auch Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth waren Bewunderer des Wiener Männergesangsvereines und Udels Quartett. Gab es Ehrengäste aus dem Ausland wurde der Wiener Männergesangsverein, stets dazu eingeladen. Auch in der Sommerresidenz in Ischl wollte man auf sie nicht verzichten.
In fast allen größeren Städten, an allen europäischen Höfen war Udel mit seiner kleinen Schar zu Gast gewesen. Kaiser Friedrich hat ihn im Jahr 1884 gehört, in Wien vor Kaiser Wilhelm I., Im Jahr 1897 auf der Wiener deutschen Botschaft vor Kaiser Wilhelm II., In demselben Jahr kam Udel mit einer Empfehlung der Herzogin Thyra von Cumberland nach Petersburg wo er von der Witwe des Kaiser Alexander III., sehr freundlich empfangen wurde.
Von Erzherzog Karl Ludwig wurde Udel mit seinen Mannen nach Reichenau ins Schloss Wartholz eingeladen. Am Abend um 7 Uhr begann vor erlesenem Publikum, außer dem erzherzoglichen Paar waren noch zugegen, Erzherzog Otto mit seiner jungen Gemahlin Erzherzogin Maria Josepha, Erzherzog Franz Ferdinand, Erzherzogin Elisabeth, die Herren und Damen des Hofstaates Das Programm wies folgende Nummern auf: Herzklopfen, O das is guat, Das hat ka Goethe g' schrieben, das hat ka Schiller dicht, usw. . Die Sänger wurden mit Auszeichnungen überhäuft. Erzherzog Karl Ludwig sprach über jede der Nummer seine Anerkennung und Dank aus, dass die Herren der Gesellschaft einen so amüsanten Abend bereitet und gleichzeitig entschuldigte sich der Erzherzog , dass die Einladung so spät gekommen, doch er wollte, dass das junge Paar Erzherzog Otto und Maria Josepha noch dieses Vergnügen hatten.
Bei den Gnaschfesten im Künstlerhaus hier, Initiator war kein Geringerer als Hans Makart, hatte das Udel-Quartett nicht selten seine Premieren-Abende und -Nächte-Da gab es immer Überraschungen, Parodien bekannter Operetten und Opern wurden durch das Udel-Quartett aufgeführt, es gab vierstimmigen Männergesang, manchmal schwankte es zwischen Kunst und Hetz, aber immer war das Udel-Quartett eine gut gelaunte Angelegenheit.
Mit dem Ersten Weltkrieg änderten sich auch die Zeiten, statt der gemütlichen harmlosen Parodien ist Wien an stärkere Reizungen und mehr gepfefferten Texten gewöhnt worden.
In den letzten Jahren war von Udel-Quartett nichts mehr zu vernehmen. Der viel verdiente Mann der frohen Stunden ist vergessen schon zu Lebzeiten tot, seit Jahrzehnten blind, ein freudloses Dasein in Armut führend. Die Pension die er als Professor des Konservatorium erhielt wurde durch die Geldentwertung immer geringer.
Am Donnerstag Abend des 28. Jänner 1927 ist der einst so hoch Gefeierte Prof. Karl Udel nach jahrelangem Siechtum, knapp vor Vollendung seines 83. Lebensjahres, gestorben. Professor Udel der seit 23 Jahren blind war, litt in der letzten Zeit auch unter starken Schmerzen durch ein vor drei Jahren aufgetretenes Blasenleiden, zu dessen Behebung vor wenigen Tagen an dem Schwerkranken eine Operation vorgenommen wurde, die jedoch trotz guten Verlaufes im Hinblick auf die große Schwäche des Patienten keine Rettung mehr zu bringen vermochte.
Karl Udel ist dieser Tage gestorben und man hat ihm ein gar festliches Leichenbegängnis bereitet. Die Wiener haben für die schöne Leich etwas übrig. Sie weinen gern Tränen der Rührung über einen geliebten Toten, um den sie sich zu Lebzeiten wenig scherten. Sie sehen gern viele Kränze mit herzlichen Inschriften und der Trauerpomp um einen berühmten Mann hat jedes mal etwas von einem Rummel, der die Neugierigen anzieht. So hat man auch Karl Udel mit festlichen Reden begraben und dem Toten jene Ehre erwiesen, die Wien an seinen Gräbern immer zu vergeben hat.
QUELLE: Verschiedene Zeitungen und Bildmaterial der ÖNB und I. Ch. Graupp
https://austria.forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/KARL_UDEL