LAXENBURGER FENSTER#
1911: Die Glasmalerei ist ein Kunstprodukt, dessen Wurzeln ins frühe Mittelalter greifen. Sie ist dem Born des Christentums entsprungen, diente fast ausschließlich dem christlichen Kult und fand ihre erste Pflege in den Zellen der Mönche des heiligen Benedikt. Die ersten Glasgemälde, welche die Geschichte auf deutschen Boden verzeichnet, befanden sich im bayerischen Benediktinerkloster Tegernsee wo Abt Gozbert (983-1001) eine eigene Glashütte errichtete, deren erste Arbeiten wohlerhalten die Gegenwart noch erfreuen. Graf Arnold von Vohburg, welcher später als Prior des Benediktinerstiftes St. Emmeram in Regensburg das Leben des Klosterpatrons beschrieb, hat die Söhne des heiligen Benedikt von Tegernsee in der Glasmalerei unterrichtet. Abt Gozbert dankt ihm mittelst Schreiben, dass er die Fenster seiner Klosterkirche, welche bis dahin mit Stoffen verhängt waren, durch Gemälde aus Glas ersetzt habe und bittet, dass er die Klosterschüler, welche er in der Glasmalerei unterwiesen habe, zur Vervollkommnung ausbilde.
Doch die Franzosen wollen die Errungenschaft, durchsichtige Gemälde erfunden zu haben, für sich beanspruchen und stützen sich darauf, dass bereits Erzbischof Adalbero (968-988), ein Deutscher, die Fenster der Kirche von Saint Remi in Reims mit Malereien schmücken ließ, von denen nicht ein Fragment erhalten ist, denn die ältesten Glasgemälde, welches dieses Land besitzt, sind jene der Benediktinerabtei von Saint Denis bei Paris aus dem 12. Jahrhundert.
Die Vorstufe zur Glasmalerei war die Manier, farbige Gläser in Holzrahmen zu fassen. Doch der strebende Menschengeist ersann Mittel, die farbigen Glasplatten zu Ornamenten und selbst zu Gestalten zu verbinden, wozu ihm das schmiegsame Blei willkommene Dienste leistete. Die dünnen Bleiruten dienten nicht nur zur Verbindung der Gläser, sondern selbe sollten zugleich Umrisse und Hauptlinien der Zeichnung markieren. Die Manier der Blei gefassten Fenster begann erst im 10. Jahrhundert und es ist diese Epoche die eigentliche Geburtszeit der Glasmalereien, welche in Wirklichkeit Glasmosaiken waren, indem auf farbigen Glasplatten mit Schwarzlot die Zeichnung aufgetragen und eingebrannt wurde.
Die Regensburger Klosterschule von St. Emmeram und jene von Tegernsee übernahmen als eine der ersten diese Errungenschaft und sie zeitigten die herrlichsten Früchte. Bereits unter Gozberts Nachfolger Perenger (1003-1012) hatte seine klösterliche Werkstätte Glasgemälde für Freisingen und andere Kirchen zu liefern und seines Klosters Chronik verzeichnet von 1068 bis 1091 Mönch Werinher als ausgezeichneten Glasmaler, der neben dieser Technik auch den Pinsel in anderen zu meistern verstand und außerdem trefflicher Goldschmied und ausgezeichneter Schmelzwirker war.
Die nicht allzu große Entfernung der Orte Tegernsee und Regensburg sowie Augsburg, wo das St. Ulrich Kloster durch Tegernseer Mönche besiedelt wurde, lässt keinen Zweifel auftauchen, dass die neue Errungenschaft in den Klöstern des heutigen Oberösterreich fruchtbringenden Boden fand. Wenn auch die bodenständige Geschichte hiervon in diesen Jahrhunderten nichts erwähnt, so kann doch sicher angenommen werden, dass die Glasmalerei schwunghaft betrieben wurde. Vorab war es die uralte Benediktinerabtei des lachenden und fruchtgesegneten Kremstales – Kremsmünster - wo sich zu Ende des 13. Jahrhunderts Frater Hertwick, Kustos der Stiftskirche, als einer der tüchtigsten seiner Zeit hervortrat. Selber kam wie gewunschen, denn sein Abt Friedrich von Aich (1273-1325) hatte die Stiftskirche im frühgotischen Stil vollendet und die Fenster waren mit Gemälden zu schmücken. Später wird im Chorherrenstift St. Florian unter dem Propst Heinrich II., von Marbach (1312-1320) Meister Wolfhart als Glasmaler genannt, welcher die Klosterkirche mit bunten Glasgemälden versah. Von Frater Hartwicks Kunst legen die drei großen Chorfenster der Stadtpfarrkirche in Wels mit 81 figuralen Darstellungen, welche er in der Zeit von 1273 bis 1315 schuf, die bekunden die Höhe der Glasmalerei jener Zeit auf heimatlicher Scholle.
Die Stadtpfarrkirche in Steyr bewahrt in den sogenannten Laxenburger Fenstern einen unermesslichen Kunstschatz. Diese Kleinodien frühgotischer Glasmalerei führen den Namen „Laxenburger Fenster“, weil sie von der Franzensburg in Laxenburg irrtümlich 1801 nach Steyr gesandt wurden, da auch die Stadtpfarrkirche in Steyr über Wunsch Kaiser Franz I., Glasgemälde eingeschickt hatte. Da man solche erübrigte, sandte man die überzähligen an einzelne Kirchen zurück, ob selbe von dort stammten oder nicht. Auf solche Art kam die Steyrer Stadtpfarrkirche zu wertvollen Glasgemälden, die sie niemals besaß? Zwei Glasmalereien mit den Bildnissen Markgraf Leopold des Heiligen und seiner Gemahlin erbringen den Beweis, mit welch unbeschreiblicher Sorglosigkeit bei der Rücksendung derselben vorgegangen wurde. Während das markgräfliche Bild vollständig erhalten ist, fehlt bei dem der Markgräfin die durch einstige Eisenschiene getrennte untere Partie. Beide Bildnisse waren Gegenstücke.
Die Laxenburger Fenster gehören dem spätromanischen, einige dem frühgotischen Stil an. Hierfür spricht nicht nur die Stilart, sondern auch die Charakteristik der Glasmalerei und ihrer Technik. Besonders charakterisierend ist die eigentümlich lang gestreckte Medaillenform zweier Glasgemälde. verbildlichen einen Zisterzienser- und einen Benediktinerabt. Diese Form ist eine besondere Eigenart der Glasmalerei der Ostmark in der ersten Epoche der Frühgotik. Es ist die Form, welche fast ausschließlich in den Fenstern des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz mit den Standbildern der Babenberger Herzoge zu treffen ist, und die Bilder der drei nimbierten Zisterzienseräbte lassen mit vollster Sicherheit schließen, dass die Glasgemälde nicht für die Stadtpfarrkirche in Steyr geschaffen wurden, sondern höchst wahrscheinlich die Stiftskirche zu Heiligenkreuz oder deren Kreuzgang oder eine inkorporierte Kirche schmückten. Für gleiche Version spricht jenes Glasgemälde, bildlich den Ordensstifter der Zisterzienser, St. Bernhard von Clairveaux vor welchem nach mittelalterlicher Art wie ein Zwerg der Donator des Gemäldes Abt „Hainricus“ kniet und flehentlich zum Heiligen seine auf einen Band geschriebene Bitte „Ora P. Nobis. Bte. Bnharde“ sendet. Außer dem Bildnis des heiligen Bernhard und dem vorgenannten Zisterzienserabt sind noch zwei mit nimbierten Äbten aus dem Orden der „grauen Mönche“ in den Laxenburger Fenstern dargestellt, einer im schlichten Ordenskleid, der andere mit violetter Casula, beide mit Pedum. Ebenso dürften die anderen Glasmalereien früher niemals in der Steyrer Stadtpfarrkirche gehangen sein, wofür deutlich der große Stadtbrand am 18. März 1522 spricht, dem die noch eingerüstete und im letzten Baustadium befindliche Kirche nebst der gesamten Einrichtung und selbst der bereits im Turm hängenden Glocken zum Opfer fiel. Dass hierbei die verbleiten Glasgemälde verschont geblieben wären, ist undenkbar, um so mehr, als selbst die massigen Steinquadern ausgebrannt wurden und einzelne Architekturglieder nach der Gegenwart Spuren des fürchterlichen Brandes zeigen. Magistrat und Bewohnerschaft Steyrs suchte das Verheerte zu ersetzen. Doch die Zeit der konstruktiven Spätgotik war vorüber und der Verfall trat nur all zu bald ein. Hierfür sprechen die architektonischen Gliederungen, welche ergänzt und aufgeführt wurden, nicht selten beginnt sich hierbei die deutsche Renaissance bemerkbar zu machen. Selbstverständlich wurden die um diese Zeit entstehenden Glasgemälde im Geiste des erwachenden Stiles ausgeführt und die gegenwärtig erhaltenen bestätigen das. Dass die Glasgemälde. Welche die südlich und parallel der Stadtpfarrkirche erbauten St. Margareten Kapelle schmückten, vom Feuer verschont blieben, ist ebenso unmöglich, da die Chronik besagt, dass sich der ungeheure Dachstuhl der Kirche nach der Südseite legte und abstürzte, wo sich zwischen beiden Bauwerken ein mächtiger Gluthaufen auftürmte und infolge der Hitze an diesen Fassaden die ärgsten Schäden verursachte
Bestimmt wird das hohe Alter. Der Laxenburger Fenster durch Zeichnung, Stilistik und Technik der Malerei, denn die beiden Architekturstücke, welche die obersten Partien zweier gleich angeordneter Baldachine verbildlichen, gehören der ersten Zeit heimatlicher Gotik an, denn die Behandlung der Architektur ist vollständig flach. Ihre Entstehungszeit ist gleich jener Glasgemälde, welche figurale Darstellungen verbildlichen und noch keine Raumvertiefung in der Zeichnung besitzen, vor 1320 zu verlegen, denn erst mit diesem Jahr beginnt auch in der Glasmalerei die Perspektive der Bauformen. Diese Epoche vor oder kurz nach 1320 bestimmt ebenfalls der geometrisch gemusterte Rosettenfond rückwärts der Gestalten, der in dem von Nikolaus von Verdun, dem größten und bahnbrechenden Künstler der Goldschmiedekunst des Romanismus, 1181 vollendeten, weltberühmten Altaraufsatz der Chorherrenstiftskirche von Klosterneuburg Vorlage fand. Ähnlich geometrisch gemusterten Fond weisen einzelne Glasgemälde von Heiligenkreuz auf, welche dem nach den Klosterneuburger Urkunden zwischen 1291 und 1331 mehrmals verzeichneten Glasmaler Meister Eberhard und seinem Sohn Alhart zuerkannt werden dürften. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die beiden Glasgemälde, verbildlichend St. Leopold, zu dessen Füßen Stift Heiligenkreuz oder Klosterneuburg sichtbar ist, und seine Gemahlin Agnes der Laxenburger Fenster ebenfalls Kirche oder Kreuzgang von Heiligenkreuz oder Klosterneuburg schmückten, wofür die gesamte Charakteristik Meister Eberhards und seines Sohnes Kunst spricht. Unfehlbar gleichen Meistern zuzuschreibende Fensterfragmente sind jene, welche Auferstehung und Himmelfahrt Christi illustrieren. Letzteres Gemälde ist durch die sehr seltene Darstellung höchst bemerkenswert, da Christus mit dem Oberkörper bereits von stilisierten Wolken eingehüllt ist, während seine Füße auf gelb gemaltem Stein Abdrücke rückgelassen haben. Von überaus herrlicher Arbeit ist ein segnender Bischof. Würde selber keine Umschrift tragen, niemand würde ihn als St. Nikolaus erkennen, da ihm außer den bischöflichen Insignien sein traditionelles Attribut, das Buch mit den drei Goldäpfeln, fehlt. Späteren Datums ist ein lehrender Christus, die Gottesmutter mit dem Jesusknaben und St. Anna mit der kindlichen Maria; letztere sin Gegenstücke. Diese Darstellungen besitzen nicht mehr die charakteristische Haltung der frühgotischen Glasgemälde Figuren. Gleicher Epoche dürften die Darstellungen der Märtyrinnen entstammen, denen außer der Siegespalme jedes Attribut zur Identisierung fehlt. Eine Heilige mit Buch und geflochtener Tasche dürfte die heilige Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, illustrieren. Ein weiteres Glasgemälde, die kleinste figurale Darstellung in den Laxenburger Fenster, illustriert Maria Magd., mit der Spezereienbüchse; der gleich allen Um- und Inschriften in romanischen Majuskeln verfasste Name bestätigt dies.
Anmerkung: Das Laxenburger Fenster mit Markgrafen Leopold III., wurde 1955 aus Scheiben zusammen gesetzt, das aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammen soll.
QUELLE:Christliche Kunstblätter sowie Bilder ÖNB; Josef Harter
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