LESSING DENKMAL#

Judenplatz
Lessing Denkmal

Zwanzig Jahre werden es in diesem Jahr (1930), dass die Journalisten- und der Schriftsteller Verein „Concordia“ unter Führung seines Präsidenten Dr. Siegmund Ehrlich die Idee fasste, ein Lessing Denkmal in Wien zu errichten. Prominente Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, der Kunst und Wissenschaft traten dem Gründungskomitee bei. Geldsammlungen wurden mit Erfolg eingeleitet, Pläne entworfen, kurz, alle vorbereitenden Arbeiten mit größtem Eifer verrichtet. Auch der Platz, wo sich heute das Lueger Denkmal erhebt, war bereits bestimmt. Dann aber kam der Weltkrieg, die Inflation, das gesammelte Geld wurde wertlos, zerschmolz in Nichts.

Das Denkmal Komitee, an dessen Spitze als erster Präsident Professor Dr. Redlich, der Präsident der Akademie der Wissenschaften, Vizebürgermeister Emmerling und der unermüdliche Alterspräsident der „Concordia“ Dr. Ehrlich mit zahlreichen anderen Prominenten sammelten sie 20.000 Schilling und hoffen vom Bund die feste Zusage zu erhalten, dass er dem Denkmal Komitee 7000 Schilling zur Verfügung stellen werde.

Selbstverständlich wird die Gemeinde Wien nicht beiseite stehen, die größtes Interesse zeigt und das Denkmal Projekt zu unterstützen versprochen hat. Die Kosten für das Denkmal sind mit 35.000 Schilling berechnet. 27.000 Schilling sind nun mit jener vom Bund beigesteuerten Summe beisammen. Das Komitee rechnet damit, dass die Gemeinde Wien 5000 Schilling beisteuern und den kleinen Rest hofft man noch durch Spenden herein zu bringen.

Heute gegen Mittag erschienen nun Präsident Dr. Redlich und Dr. Ehrlich beim Bürgermeister Seitz im Rathaus und überreichten ihm ein Memorandum, in welchem die Geschäfte und die Entwicklung des Lessing Denkmal Komitee mit seiner Gründung in ausführlicher Weise geschildert wird. Gleichzeitig wurde der Wunsch ausgesprochen, dass die Gemeinde mit einem Betrag von 5000 Schilling an die Errichtung des Lessing Denkmals sich beteilige. Weiters erklärten die Herren, das Denkmal Komitee schlage den heutigen Judenplatz für das Lessing Denkmal vor, der dann in Lessing Platz umbenannt werden soll.

Bürgermeister Seitz sicherte den Herren die größte Förderung durch die Gemeinde zu und er werde alles daran setzen den Wunsch des Denkmal Komitees zu erfüllen. Der Gedanke, Aufstellung des Denkmals auf dem Judenplatz, also mitten in der Stadt, auf einem historischen Punkt, um den herum sich lebensvolles Straßenbild entwickelt, vorzunehmen, sei ein durchaus glücklicher.

Die Errichtung eine Lessing Denkmals in Wien scheint also endlich, und zwar in Verhältnis mäßig kurzer Zeit in Verwirklichung entgegen zu gehen. G. Grünhut

QUELLE: Stunde der ÖNB

Die Freimaurer und das Lessing-Denkmal#

Lessing
Lessing Denkmal von Siegfried Charoux 1968, © Ewald Judt,

In den 193oer-Jahren engagierten sich Wiener Freimaurer noch einmal für ein öffentlichkeitswirksames Projekt und übernahmen den Großteil der Kosten. Weil ihnen der deutsche Dichter Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) speziell mit der „Ringparabel“ in seinem Drama »Nathan der Weise« als herausragender Repräsentant des Toleranzgedankens galt, gaben sie ein Denkmal in Auftrag. Der Bildhauer und Freimaurer Siegfried Charoux, der als Karikaturist auch für die »Arbeiter-Zeitung« tätig war, gewann die Ausschreibung. 1932 war das Bronzedenkmal fertig. Aber erst 1935, mitten im »Ständestaat«, wurde die Lessing-Statue auf dem Wiener Judenplatz aufgestellt. Bei der Enthüllung am 15. Juni trat die Großloge von Wien »letztmalig in der Öffentlichkeit auf«.*
Zwischen den Toleranz-Ideen der Freimaurer und der Ideologie der Kanzler-Diktatur bestand jedenfalls ein schroffer Gegensatz. Für den Chronisten Norbert Knittler ist klar, dass ein Eintreten eines Logenbruders für den harten »Heimwehrfaschismus« sein »Gelöbnis verletzt« hätte. Aber auch der gemäßigtere Hans Becker »bereitete zunächst Enttäuschung«, als er vaterländischer »Werbeleiter« wurde.
Vgl. Norbert Knittler: Der verlorene Koffer. Eine Geschichte der österreichischen Freimaurerei während des Nationalsozialismus. Wien 2004
Auf die Frage, warum Becker — zwar kein Beamter, aber ein Ange-stellter des »Ständestaats« — bis zum Schluss in seiner Loge blieb, sieht Knittler zwei Möglichkeiten: Entweder »die Loge wollte einen Draht zur Regierung haben oder die Regierung wollte einen Draht zu den Freimaurern haben. Das sei natürlich »reine Spekulation«. Gesichert sei, dass Becker »kein fanatischer Apparatschik des Austrofaschismus war« und ein »umfassendes Engagement gegen den Nationalsozialismus« nachweisen konnte. Später, durch sein Engagement im Widerstand, wurde Becker für den Freimaurer-Chronisten Knittler überhaupt »zu einer singulären Gestalt«.

* 1939 zerstörten die Nazis das Lessing-Denkmal und schmolzen es ein. Sein Schöpfer Siegfried Charoux emigrierte nach England und wurde später britischer Staatsbürger. In London schuf er fiir Wien einen neuen Bronze- Lessing, der 1968 - ein Jahr nach dem Tod des Bildhauers - unterhalb der Ruprechtskirche am Franz-Joseft-Kai aufgestellt wurde. Erst seit 1981 steht das Denkmal wieder auf dem Judenplatz. (Quellen: Kodek: «Zwischen erlaubt und verboten« und dasrotewien.at/Charoux)
Quelle: Erhard Stackl, Hans Becker O5 – Widerstand gegen Hitler, Czernin, Wien 2022, S. 144 f.

Peter Diem

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