MAX von PETTENKOFER#

München
Max von Pettenkofer Klin.Wochenschrift

Max von Pettenkofer, der berühmte Chemiker hatte sich am Vormittag des 10. Februar 1901 in einem Anfall von Schwermut in seiner Wohnung in der Münchner Residenz mit einem Revolver erschossen. Erschüttert und betroffen waren von dieser Nachricht all jene die ihn kannten, war doch er der größte Hygieniker seiner Zeit. Doch am Ende seines Lebens wurde er verbittert nicht nur die privaten Schicksalsschläge wie der Tod seiner Frau und des zweiten Sohnes musste der 82jährige verkraften. Besonders nach der Entdeckung des Cholera-Erregers durch Robert Koch empfand Max von Pettenkofer seine jahrelangen Forschungen als wertlos. All das setzte dem alten Mann so sehr zu, dass er keinen anderen Ausweg wusste als sich das Leben zu nehmen.

Mit Pettenkofer starb einer der hervorragendsten Vertreter der modernen Hygiene, der Begründer seiner Methode, die ihre Resultate der experimentellen Forschung der Beobachtung wirklicher Lebensvorgänge verdankt.

Die Vielseitigkeit seiner Gaben ermöglichten ihm alle Schwierigkeiten spielend zu überbrücken und auf verschiedenen Gebieten bald heimisch zu werden.

­LEBENSWEG

Maximilian Pettenkofer wurde am 3. Dezember 1818 in Lichtenheim bei Neuberg an der Donau geboren. Bereits mit 8 Jahren verlässt er den elterlichen Bauernhof und zog zu seinen Onkel nach München um das Gymnasium zu besuchen. Er wäre am liebsten Philologe geworden, doch der Wunsch des Onkels war maßgebend und so studierte er zwei Jahre lang philosophische und naturwissenschaftliche Fächer, trat dann als Lehrling in die Hofapotheke.

Der Onkel war gerecht aber sehr streng. So liefer eines Tages auf und davon und wurde Schauspieler. Aus dieser Zeit sind auch seine Gedichte erhalten.

Doch seine Cousine Helene, die Tochter eines anderen Onkels, die später seine Frau wurde, verstand es ihn in die geordnete bürgerliche Welt zum Onkel und seinen Studien zurückzuführen... Nun begann er Medizin zu studieren. 1843 beendet er sein Studium mit der Promotion zum Doktor der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe. Zur gleichen Zeit erwirbt er die Approbation als Apotheker. All das schien ihm nicht genug zu sein, denn auch die Chemie interessierte ihn und er wechselt nach Gießen ins Labor von Justus von Liebig, der ihn zu seinem Assistenten machte, und ihm bis an sein Lebensende in inniger Freundschaft zugetan war.

Auf Wunsch König Max II., von Bayern gab Pettenkofer seine Stellung in Gießen auf und kehrte nach München zurück.

Die ersten Proben seines Forschertalentes gab er nach Beginn seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Schon 1844 fand er die nach ihm benannten Reaktion auf Gallensäuren mit Schwefelsäure und Rohrzucker. Bald darauf entdeckte er im Harn das Kreatinin.

In seiner neuen Stellung als Assistent des Hauptmünzamtes, die er 1845 antrat, wo er sich sofort als vortrefflicher technischer Chemiker bewährte und sich rasch einlebte. Es gelang ihm in den damals zur Einschmelzung gelangenden Kronenthalern und anderen goldhaltigen Silbermünzen Platin aufzufinden und damit Schwierigkeiten der Scheidung des Goldes der Münzen vom Silber zu erklären.

Pettenkofer gelang es unter anderem auch die Entdeckung des Porporino antico, die Methode zur Herstellung antiken Purpur Glases,. Diese Erfindung kam dem Hofbaumeister Leo von Klenze zugute, der nun auf den teuren Zement aus England verzichten konnte.

Ein besonderer Glücksfall war die Herstellung der prachtvollen antiken Glasflüsse Hämatinon und Aventurin die Pettenkofer wieder entdeckt hatte, dadurch erregte er das lebhafte Interesse des kunstbegeisterten König Ludwig I., der bei der Besetzung der Professur ausschlaggebend werden sollte.

Bereits mit 29 Jahren nahm er die Professur für medizinische Chemie an der Universität München an , nachdem 1847 Minister Abel gestürzt worden war, und diese errichtet werden konnte. Trotz der kärglichen Dotierung und der notdürftigen Laboratorium war Pettenkofer zufrieden.

Im Jahr 1850 starb sein Onkel und er wurde vom König Max zu dessen Nachfolger als Vorstand der Hofapotheke ernannt; damit er seinen wissenschaftlichen Forschungen dadurch nicht entzogen, wurde sein Bruder Michael Pettenkofer als Stellvertreter zur Leitung der Hofapotheke bestellt.

In diesem Jahr stammte auch seine, der bayerischen Akademie der Wissenschaften überreichte Abhandlung „Über die regelmäßigen Abständen der Äquivalent Zahlen der sogenannten einfachen Radikale, welche bekanntlich indirekt zur Aufstellung des periodischen Systems der Elemente führte und 60 Jahre später die Deutsche chemische Gesellschaft in Berlin zur Stiftung einer Pettenkofer Medaille veranlasste.

Als die Cholera 1854 München heimsuchte, galt für ihn die wichtigste Aufgabe die der Seuchenverhütung und Bekämpfung, die er sogleich in Angriff nahm.

Er war davon überzeugt, dass gewisse Bakterien innerhalb des menschlichen Körpers die Epidemie verursachen und glaubte vielmehr, dass die Seuche mehr von der persönlichen Disposition und von einem Krankheitsstoff außerhalb des menschlichen Körpers herrühren würde. Die persönliche Disposition wird von sozialen Verhältnissen beeinflusst und der Krankheitskeim ist von den Schwankungen des Grundwassers im Boden und des Klimas abhängig. Diesen Krankheitserreger nannte er „Choleramiasma“.

Für ihn war die Cholera keine ansteckende Krankheit, sondern eine sogenannte miasmatische Krankheit. Daher zielten seine Seuchenbekämpfungs Vorschläge auf Entwässerung des Bodens, Reinigung der Städte, Kanalisationsanlagen usw. hin, mit denen man, wie ich schon gesagt habe, zuerst in England gute Erfahrungen gemacht hatte.

Doch Pettenkofers Ansicht wurde von den Bakteriologen stark bekämpft. Diese vertraten den Standpunkt, dass die Seuchen in erster Linie durch Ansteckung und zwar besonders durch Übertragung von Bakterien entstehen.

Als der Bakteriologe Koch den Bazillus entdeckte, den er für die Ursache der Cholera hielt, schwenkten viele Ärzte, die bisher auf der Seite Pettenkofer gestanden waren, zu ihm ab.

Pettenkofer dagegen blieb fest und suchte seine Grundsätze in zahlreichen Arbeiten zu begründen. Der Streit tobte lange Zeit weiter.

1865 übernahm er als Rektor die Leitung der Universität München. Im selben Jahr wurde er im München erster deutscher Professor für Hygiene. Von 1876 bis 1879 richtete er das erste Hygieneinstitut Deutschlands ein. 1883 wurde Pettenkofer für seine Verdienste geadelt. Durch ihn galt München lange Zeit als eine der saubersten Städte Europas.

Als 1873 die Cholera in München wieder ausbrach, musste wie schon 1854 das Oktoberfest abgesagt werden.

Nun konnte sich Pettenkofer mit seinen erweiterten Maßnahmen zur Stadtsanierung endlich durchsetzen. Zuerst verbannte er die Schlachtereien aus der Innenstadt und 1878 wurde der zentrale Schlacht- und Viehhof eröffnet.

Für München schuf er die erste Kanalisation und eine zentrale Trinkwasserversorgung. Dieses gigantische Bauprojekt, das viel kostete und in der Bevölkerung deshalb nicht von allen befürwortet wurde.

Im Jahr 1873 wollte der damalige österreichische Unterrichtsminister Dr. von Stremayer, den berühmten Hygieniker an die Wiener Universität berufen, doch Pettenkofer lehnte ab, Dafür kam er im Jahr 1881 zur IX., Versammlung des „Deutschen Vereines für Gesundheitspflege“ nach Wien, und führte hier an der Seite des Herzogs Karl Theodor, Augenarzt, Bruder der Kaiserin Elisabeth, den Vorsitz. 1887 fand der „VI., Internationale Hygienische Kongress“ in Wien statt und Pettenkofer hielt unter dem Vorsitz des Kronprinzen Rudolf, der als Protektor des Kongresses fungierte, im großen Musikvereinssaale, bei der denkwürdigen feierlichen Eröffnungssitzung stürmisch akklamiert, einen lehrreichen Vortrag „Über den hygienischen Unterricht an den Universitäten und technischen Hochschulen“, in welchem er in drastischer Weise darlegte, welche Bedeutung, Boden, Grundwasser, Grundluft und Verunreinigung des Bodens für das Leben der Menschen in Städten besitzen und wie sehr die diesbezüglichen Forschungen von der modernen Bau- und Städtehygiene berücksichtigt werden müssen.

München
Carl Theodor mit Elisabeth
Sammlung Graupp
Kronprinz Rudolf

Pettenkofer schrieb Zeitungsartikel , hielt öffentliche Ansprachen und führte Debatten in Kommissionssitzungen um die Menschen davon zu überzeugen wie wichtig die Kanalisation wäre. Endlich 1899 wurde die Schwemmkanalisation eingeführt, gleichzeitig gab es das Spülklosett. Um 1900 waren 78 Prozent der Münchner Bevölkerung an das Kanalnetz angeschlossen.

Pettenkofer baute sein geplantes Kanalnetz von rund 230 Kilometer des 2.500 Kilometer umfassenden Münchner Kanalnetzes, dabei dachte er an die Zukunft und ließ alles etwas größer gestalten.

Seit 1867 bezog München einen Teil seines Wassers aus Thalkirchen, ab 1883 wurde das rund 40 km entfernte Mangfalltal zur Wasserversorgung herangezogen. Seither hatte München ein hervorragendes Trinkwasser.

Durch die Entdeckung Kochs wurde der Irrglaube Pettenkofers offensichtlich, trotzdem hält er an seiner Theorie fest. 1892 nimmt er vor Zeugen eine Kubikzentimeter einer Cholera Kultur zu sich. Er überlebte.

DIE LETZTEN JAHRE

1894 setzte er sich zur Ruhe. 1896 wurde Pettenkofer zum Generalkonservator der wissenschaftlichen Sammlungen des bayerischen Staates ernannt und erhielt den Titel „Exzellenz“.

Immer höher war inzwischen sein Ruhm in aller Welt gestiegen. Er war unbestritten zur obersten Autorität in allen hygienischen Dingen geworden. Nichts aber trug mehr dazu bei, sein Name in der ganzen gebildeten Welt zu verbreiten als die Kämpfe um seine Seuchenlehre.

Schon seit vielen Jahren litt er an Diabetes und die nach seinem Tod vorgenommene Sektion hat gezeigt, dass in den letzten Tagen auch eine Hirnhautentzündung aufgetreten war, welche ihm wohl die Waffe zur Beendigung seines Lebens in die Hand gedrückt haben dürfte. Sein tragisches Ende erinnert an seinen bekannten Vortrag „Über den Wert der Gesundheit für eine Stadt“ der mit den Worten beginnt: „Wer da lebt auf Erden, will gesund sein, denn ein Leben ohne Gesundheit ist eine Qual, eine Marter, von der jeder Erlösung wünscht, und wenn's nicht mehr anders sein kann, selbst mit Verzichts Leistung auf dieses Leben, durch den Tod.“

PETTENKOFERS ENTDECKUNGEN

Herstellung von Leuchtgas aus Holz

Trübe gewordene Ölbilder durch Beseitigung der Haarrisse im Firnis Überzug mit Hilfe von Alkoholdämpfen die alte Farbenpracht wieder zu erreichen.

Den Glanz der alten Pinakothek war ihm zu verdanken

Abhandlung über die regelmäßigen Abständen der Äquivalent Zahlen der sogenannten einfachen Radikale in welche er in umfassender Weise, die chemischen Elemente nach ihrem Atomgewicht zuordnen und zu erfassen suchte

Untersuchung über den Unterschied zwischen Ofenheizung und Luftheizung

Untersuchung über die Luft in den Schulen. Diese Arbeit bildete die Einleitung zu seinen klassisch gewordenen Studien über Ventilatoren

Über den Luftwechsel in Wohngebäuden mit Recht als die eigentliche Grundlage der Ventilation Lehre.

Erfindung des Respiration Apparates mit Prof. Karl von Veit, Eiweiß Stoffwechsel.

QUELLEN: Ill. Wiener Extrablatt, 11. Februar 1901, S 3, Wiener klinische Wochenschrift , 28, Februar 1901, S 215 Bild,Max Gruber,ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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