MURILLO GEMÄLDE#
Als die einstige Hofschauspielerin Katharina Schratt im April 1940 in ihrer Wiener Wohnung am Kärntner Ring 4, an Herzschwäche verstorben war, befand sich in ihrem Nachlass ein Gemälde „Die heilige Familie“ eines unbekannten Malers. Man vermutete, dass es ein Geschenk Kaiser Franz Josephs gewesen sei.. Das Gemälde gelangte durch Schenkung des Schratt Sohnes 1964 in Privatbesitz, die es Jahre später veräußern wollten. Da der Maler unbekannt war rangierte die heilige Familie an 48. Stelle.
Im Kunstpalais des Dorotheum war das Gemälde in der Auktion „Alte Meister“ wieder zu finden. So reichhaltig und vielfältig war die Auswahl schon lange nicht! Großartige Künstler wie Tivoli von Claude (genannt Lorrain), Kremser Schmidt, Matthäus Merian der Jüngere, Joost de Momper, Ambrosius Bensen und Egbert van Heemskerk waren vertreten.
Die Sensation jedoch war das Gemälde „Las dos Trinidades“ des spanischen Barockmalers Bartolome Esteban Murillo, eine Vorstudie für sein bedeutendes Spätwerk das sich in der National Gallery London befindet. Dieses Kleinod fand nicht nur bei Kunstkennern großen Anklang, sondern weckte auch das Interesse einer breiten Öffentlichkeit, als bekannt wurde, aus wessen Nachlass es stammte, aus dem Besitz von Katharina Schratt, der Burschauspielerin und Vertraute des Kaisers. Die Fachwelt vermutete, dass dieses Gemälde ein Geschenk Franz Josephs war. Da aber die Schratt vom Kaiser gewöhnlich mit Juwelen verwöhnt wurde, ist nicht auszuschließen, dass sie diese reizvolle Studie sogar von Kaiserin Elisabeth erhalten hatte.
Die Kaiserin war nämlich eine große Bewunderin dieses Meisters. Auf der Rückreise von Madeira, im Jahre 1861 machte sie Zwischenstation in Cadiz, wo sie im ehemaligen Kapuzinerkloster lange vor Murillos „Santa Catalina“ verweilte. Aber auch in Sevilla, wohin die Kaiserin eingeladen worden war, waren es namentlich die Werke dieses großen Künstlers, die eine hohe Anziehungskraft auf sie ausübten.
Franz Joseph und Elisabeth besuchten regelmäßig die Ausstellungen im Österreichischen Kunstverein im Ball Hause und die Jahresausstellungen im Künstlerhaus, wo der Kaiser immer wieder für seine Privatsammlung Werke ankaufte.
Prof. Dr. E. Perez Sanchez Generaldirektor des Prado Museums Madrid äußerte sich über die sensationelle Entdeckung: „Das fast 50 Jahre lang unerkannt in Privatbesitz gewesene Gemälde stellt die Vorstudie Murillos zu seinem bedeutenden Spätwerk „Las dos Trinidades“ (Öl auf Leinwand, 293 x 207 cm) in der National Gallery London dar. Es handelt sich um die seltene, fast nur im Spanien und Neapel des Frühbarock vorkommende in der Person Jesu vollzogene bildliche Verknüpfung der irdischen (trinitas terrestris) und der himmlischen Dreifaltigkeit. Die Wiener Vorstudie unterscheidet sich vom Londoner Bild trotz unveränderter Gesamtkomposition in wesentlichen Details, die den schöpferischen Entwicklungsvorgang von der Vorstufe zur Endfassung sichtbar machen und jede Umkehrung dieses Prozesses in Form einer Replik ausschließen.
Im kleinformatigen Wiener Bild schauen Maria und der Jesusknabe einander in die Augen, es ist das zärtliche Zueinander von Mutter und Kind. Der heilige Josef neigt sich treu besorgt zu der Familienidylle. Die Farben sind warm, Zeichnung und Malweise zart, der Pinselstrich seidig, weich und locker. Zweifellos lag diese warmherzige menschlich berührende Atmosphäre nicht in der Absicht der Auftraggeber, einer gewiss kirchlichen Institution, die ein liturgisches Programm, ein religiöses Propagandabild heute würde man sagen, ein Plakat, verwirklicht sehen wollte. Im Londoner Bild ist folglich der Blickkontakt zwischen Mutter und Kind verschwunden, der Jesusknabe ist höher gerückt, er blickt nach oben, zu Gottvater und der Taube. Die Madonna schaut mit angespanntem Ausdruck zu ihrem Sohn, dem künftigen Erlöser empor. Der heilige Josef ist weggerückt, abgewandt, er blickt aus dem Bild heraus auf den Beschauer, um diesen in die heilige Darstellung einzubeziehen. Die Zeichnung ist präziser, die Farben sind kräftiger und härter, die Komposition ist gestraffter, das ganze wirkt distanzierter, offizieller, plakativer als das intime, zarte, ja zärtlich berührende Wiener Bild.
Quelle: Frauenblatt/Dorotheum, Bild Archiv Graupp
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