PETER HILZER#

Glockengießer
Peter Hilzer

Eines der erhabensten und schönsten Kunstgewerbe ist das des Glockengießers. Schon der Dichterfürst Friedrich von Schiller hat in seinem „Lied von der Glocke“ in treffender und charakteristischer Weise den Beruf des Glockengießers geschildert, in feuriger Sprache für diesen Beruf sich begeistert und mit seiner Begeisterung diesem Kunstgewerbe das klassische Denkmal für alle Zeiten gegeben. Wer sollte Schiller „Lied von der Glocke“ nicht kennen? Welcher Mensch von Intelligenz wurde nicht von den gehaltvollen Versen dieses Hoheliedes einer edlen Kunst begeistert? Wer dieses Lied einmal gelesen, kennt das Wesen der Glockengießerei, weiß, dass dieser Beruf große Gefahren in sich birgt, erkennt, dass er dem Erhabenen und Idealen dient und wird demnach dieses Kunstgewerbe nach seinem wahren Wert zu würdigen wissen.

Am 30. Juni 1893 fand sich eine vom Verein der Gärtner und Gartenfreunde entsandte Kommission bei dem k. u. k. Hof-Glockengießer Peter Hilzer in Wiener Neustadt ein, um über dessen freundliche Einladung eine von Hilzer veredelte, neu prachtvolle Rose in ihrer vollen Blüte zu besichtigen.

Die Kommission, bestehend aus mehreren Herren, begaben sich in der Begleitung der Familie Hilzer in den Garten zu der neuen Rose. Einer der Herren hielt eine längere Ansprache und taufte die Neugeborene mit Zustimmung ihrer holden Patin für alle Zeiten nach deren liebenswerten Namen als: Fräulein Anna Hilzer.

Zur Patin gewendet fuhr der Redner fort: „Zur Erinnerung an diesen Taufakt sind wir so frei Ihnen hochverehrtes Fräulein Patin ein kleines Angedenken zu überreichen, mit der Bitte, es gütigst annehmen zu wollen.“ Der Obergärtner heftete eine Namensvignette an den Stamm der neuen Rose, die Taufpatin bekam eine Urkunde und die übrigen Damen bekamen von den Herren der Kommission wunderschöne Blumensträuße überreicht.

Diese neue Rose, welche als eine erprobte Früh-Treib-Rose empfohlen werden kann, verdankt die Aufzucht und verständigen Umsicht, dem tüchtigen Pfleger Anton Urban, was ihm auch von seinen Fachgenossen mit Lob zuerkannt wird.

Die Kommission wurde anschließend von der Familie durch den schön angelegten Park geführt, dann zur Tafel gebeten und zum Abschluss durch die Werkstätten der Glockengießerei geführt.

1875: Eine Notiz, in der berichtet wird, dass die 500 Zentner wiegende Kaiserglocke, für den Dom zu Köln bestimmt, zweimal umgossen wurde, und selbst nach dem dritten Guss noch nicht den richtigen Ton habe, lenkte unsere Aufmerksamkeit und Erinnerung auf die k. u. k. Hof-Glockengießerei Ignaz Hilzer & Sohn von Wiener Neustadt, deren gesamte Erzeugnisse, sowohl durch die Glätte und Reinheit des Gusses, schöne Form, als auch durch äußere Ausstattung und harmonischen, weithin wie Musik schallenden Klang sich vorteilhaft auszeichnen. Die großartigen bisher errungenen Vorteile der Herren Hilzer & Sohn in dieser Kunstindustrie berechtigen zur Annahme, dass die Kaiserglocke Kölns, wenn dieselbe den kundigen und schöpferischen Händen der beiden erwähnten Meister anvertraut gewesen wäre, zweifelsohne beim ersten Guss gelungen sein dürfte, da alles, was zu den Geheimnissen der Glockengießerei gehört, in diesem Kunst-Etablissement im höchsten Maß der Vollendung sich befindet.

Die in der Weltausstellung exponierten Glocken der Votivkirche, nämlich ein Glockensextett, dessen größte Glocke in Fis gestimmt, allein ein Gewicht von 109 Wiener Zentner repräsentiert, haben nach jeder Richtung die Feuerprobe bestanden und wurden von der internationalen Jury, sowie von der Kirchenbau-Kommission, deren Obmann der Statthalter von Niederösterreich war, in die Reihen der vorzüglichsten rangiert. Der renommierten Firma sind zwei Fortschrittsmedaillen, und zwar eine für hervorragende Leistungen in der „kirchlichen Kunst“ und eine zweite für „musikalische Instrumente“ zuerkannt worden.

Unmittelbar vom Weltausstellungsplatz weg wurden diese Glocken auf ihren Bestimmungsort gebracht und sind am 2. Dezember 1873 bei Gelegenheit des Kaiser-Jubiläums zum ersten mal geläutet worden. Auf jedes für Schönheit und Hoheit empfängliche Gemüt tat der feierliche und majestätische Klang dieses wohl eingerichteten Glockengeläutes seinen Eindruck nicht verfehlt.

Auch die zwei Uhrglocken der Votivkirche, deren heller, weithin schallender Ton von keiner anderen Uhrglocke in Wien übertroffen wird, sind ein Erzeugnis dieser Glockengießerei.

Außer der Votivkirche sind noch weitere 26 Kirchen Wiens von der strebsamen Firma „Hilzer“ mit Glocken versehen, so dass deren Zahl sich für Wien allein auf 73 beläuft, und neuestens sind 6 Glocken mit 60 Zentner für die Kirche in Fünfhaus bestellt, ferner wurde soeben ein Auftrag von 5 Glocken im Gewicht von 110 Zentnern für die Peterskirche in Laibach, nebst diversen anderweitigen Glockenbestellungen entgegengenommen.

Die Produktivität des Etablissements erstreckt sich auf alle Kronländer Österreichs und einen Teil Europas. Von den gelieferten Glocken erhielt Österreich oder und unter der Enns 449, Ungarn und Banat 176, Schlesien 83, Kärnten 49, Krain 15, Siebenbürgen 18, Galizien 19, Bukowina und Kroatien 12, Küstenland und Dalmatien 16, Preußen, Frankreich, Serbien und endlich Ostindien 22 Stück; demgemäß die Totalsumme sich mit 1059 Glocken im Gesamtgewicht von 9580 Wiener Zentner beziffert, wobei aber Glocken von 1 bis 3 Zentner nicht mitgerechnet sind. Rechnet man aber solche hinzu so wurden im ganzen im Gesamtgewicht von 11.850 Wiener Zentner 2030 Glocken gegossen, welche als das beste Zeugnis aus unparteiischem Mund die Ehre und den Ruhm der Erzeuger in alle Welt hinaus verkünden.

Ein wirklich musterhaftes Meisterwerk der Glockengießer Kunst ist die zweckmäßige und vorteilhafte Montierung des prächtig geformten Helmes aus steirischem Eisen, wodurch die Glocken an Dauerhaftigkeit gewinnen. Diese Erfindung bietet bisher nicht gekannte große Vorteile: die Glocken können in einem kleineren Turmraum untergebracht werden, um die Hälfte leichter und von einem Mann bedient werden. Auch die Preise der Glocken sind noch niederer, als anderswo.

Mit ihren Erzeugnissen verhelfen sie dem Ruhm der österreichischen Industrie, auf diesem Gebiet, dem Weltmarkt umso mehr, alle Achtung und Anerkennung zu verschaffen, noch dazu da er einer der schwierigsten Zweige der Kunstindustrie ist.

1893: Einer liebenswürdigen Einladung des in der ganzen österreichisch-ungarischen Monarchie sehr bekannten Hof-Glockengießers Peter Hilzer in Wiener Neustadt folgend, besuchte ich im Herbst vorigen Jahres die „allzeit getreue“, um mir den Guss der für unsere Pfarrkirche bestimmten Glocken anzusehen, Das stattliche Etablissement Herrn Hilzers liegt an der Südseite der Stadt, gegenüber der k.k. Militär Akademie in der Neunkirchner Straße. Da ich den Verlauf des Gusses in einem nächsten Kapitel ausführlich beschreiben werde, beschränke ich mich diesmal auf die Mitteilung der recht interessanten Bemerkungen Herrn Hilzers in Bezug auf die Erhaltung der Glocken, der Zusammensetzung des Glockengutes oder der Glockenspeise usw.

Das bei der Firma Hilzer zur Verwendung kommende Material besteht ausschließlich aus 78 Teilen russischen Kupfers und 22 Teilen englischen Zinnes. Wie mir erklärt wurde, wird seitens unreeller Firmen auch das billige Zink oder gar Blei der Glockenspeise beigemischt; dadurch stellt sich allerdings der Guss bedeutend billiger, es leidet aber dadurch sehr wesentlich die Tonfülle und die Haltbarkeit der Glocke. Es ist auch eine unrichtige Annahme, dass durch Beimischung von Silber der Ton verbessert werde; dieser alte Glaube mag daher herrühren, dass in früheren Jahrhunderten die frommen Gläubigen zur Herstellung von Glocken auch Silber spendeten. Dieses wurde aber gewiss nicht der Glockenspeise beigemengt, da man tatsächlich bei alten Glocken ungemein selten einen Silbergehalt konstatieren kann.

Eine gut gegossene Glocke muss beim leisesten Anschlag sofort einen reinen Klang und einen vollen langen Nachton geben; ein kurzer Nachschlag ist ein Fehler und sind solche Glocken auch nicht weit hörbar. Die strenge Solidität der Hilzer Firma, welche die erste und größte in der Monarchie ist, beweist wohl der Umstand, dass von der Hilzer Gießerei seit 1838 bis heute 5080 Stück Glocken mit einem Gesamtgewicht von 1,373.800 Kilogramm nach allen Ländern Europas und auch andere Erdteile geliefert wurden. In neuerer Zeit wurde das größte Geläute für die Votivkirche in Wien geliefert. Dieses Geläute war gelegentlich der Wiener Weltausstellung im Jahr 1873 auf einem eigens hierzu erbauten Glockenstuhl zur Besichtigung ausgestellt und es wird sich gewiss noch mancher Besucher mit Vergnügen an den schönen vollen Ton erinnern, den diese Glocken beim Läuten bewirkten. Die schwerste der Glocken wog 5990 Kilogramm,sämtliche sechs Glocken 14.337 Kilogramm. Die tadellose Ausführung dieses Geläutes wurde von Fachmännern ersten Ranges, wie Dombaumeister Schmidt, Oberbaurat von Ferstel und dem Hof-Kapellmeister Herbeck geprüft; auf Grund des gegebenen Gutachtens fand sich der Protektor des Kirchenbaues, Erzherzog Karl Ludwig, veranlasst, Herr Hilzer ein eigenhändiges Anerkennungsschreiben zukommen zu lassen. Für die Wallfahrtskirche in Mariazell wurde von Hilzer eine Glocke im Gewicht von 6000 Kilogramm, für die Stephanskirche in Wien eine mit 4780, für die Piaristenkirche in der Josefstadt eine Glocke mit 5427 Kilogramm geliefert.In der nächsten Umgenung von St. Pölten wurde von der Hilzer Gießerei für die Kirchen in Pyhra, St. Andrä an der Traisen, Stollhofen, Karlstetten, Hafnerbach, Ollersbach, Murstetten, Gutenbrunn, Wilhelmsburg, Neulengbach, Traismauer, Zwentendorf, Johannesberg, Haunoldstein, Rabenstein und andere gegossen. Eine zersprungene Glocke verliert den Ton; es hilft auch nichts, den Sprung mit einer leicht schmelzbaren Legierung zu füllen. Vorteilhafter ist es noch, ein Stück heraus zu feilen, damit sich nicht die Sprungflächen berühren. Hier ist jedoch einzig und allein der Neuguss der Glocke anzuraten. Wer zu dem bereits bestehenden Geläute eine neue Glocke bestellen will, wende sich Bezugs Bestimmung des erforderlichen Tones der Glocke an einen Fachmann. Bei den Glocken soll öfters nachgesehen werden, ob sich nicht der Klöppel durch längeres Läuten breit gedrückt, so sollen die scharfen Kanten abgefeilt werden. Am besten ist es auch, die Glocken auf dem Turm selbst zu läuten; das soll überall, wo immer nur tunlich, eingeführt werden. Glocken aus Gussstahl oder solche aus Spiegeleisen haben sich nicht bewährt. Sie haben einen grellen, unangenehmen Ton. Die Übertragung eines Glockengusses ist seitens der Gießerei reine Vertrauenssache, Die Fliegenden Blätter für katholische Kirchenmusik schreiben diesbezüglich: „Glocken sind Kunstgegenstände, bei deren Anschaffung man mit dem Künstler nicht feilschen und die man am allerwenigsten durch den Mindestfordernden anfertigen lassen soll. „Was nichts kostet, ist auch nichts wert“, sagt ein altes Sprichwort. Leider hat sich durch die große Konkurrenz und die Unkenntnis der Besteller heutzutage auch in einigen Kunsthandwerken Österreichs und Deutschlands das „billig und schlecht“ geltend gemacht. Man findet neue größere Glocken mit tiefen Tönen, die ihrem Klang nach mehr einem blechernen Kessel als dem einer Glocke ähnlich sind, weil sie für den betreffenden Ton viel zu leicht sind.Sie sind also nur auf den Schein gemacht und können unmöglich einen starken, vollen Ton geben.

Bevor eine Glocke die Gießerei verlässt, werden dieselben geläutet und geprüft, auch kann eine Prüfung durch Vertreter und Sachverständige seitens des Bestellers erfolgen.

1838 übernahm Ignaz Hilzer die Glockengießerei der Witwe Josef Schweigers in Wiener Neustadt und verstand es diese zu einem bedeutenden Unternehmen zu entwickeln. 1871 trat der am 19. Juni 1846 geborene Sohn Peter als Teilhaber in die Firma ein. Nach dem Ableben des Vaters 1880 war Peter Hilzer Alleininhaber und brachte die Glockengießerei in Wiener Neustadt zur Hochblüte und somit wurde sein Unternehmen die größte Glockengießerei der Monarchie. Nach seinem Tod wurde die Gießerei von Max Samassa übernommen. 1931 wurde das einst in der Monarchie so bedeutende Unternehmen aufgelöst.

Am 29. November 1907 ist in Wiener Neustadt der allbekannte Hof-Glockengießer Peter Hilzer im 62. Lebensjahr nach kurzer Krankheit gestorben. Die Hilzer Glockengießerei ist eine der ältesten und größten der Monarchie und eine Sehenswürdigkeit von Wiener Neustadt. Peter Hilzer war ein biederer, frommer und liebenswürdiger Mann, der sich in seiner Vaterstadt der größten Beliebtheit erfreute.

QUELLEN; Humorist 6. August 1888, S 4, Bild S 5, St. Pöltner Bote, 6. April 1893, S 1, Neuigkeits Weltblatt, 8. Juli 1893, S 9, Grazer Volksblatt, 4. Juli 1875, S 8. ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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