RAIMUND FREIHERR VON STILLFRIED#
1891:Das Wiener Atelier das diesmal besucht wird, gehört einem Künstler, der ein sehr bunt bewegtes, an interessanten Momenten reiches Leben zu bieten hat.
Der Erlebnisreiche wurde am 6. August 1839 als Sohn des August Freiherrn von Stillfried und Rathenitz zu Komotau in Böhmen geboren, war Raimund Freiherr von Stillfried und Rathenitz von seinem Vater für den Dienst in der k. k. Kriegsmarine bestimmt worden. Im Jahr 1851 nach Triest gekommen, trat Raimund in die k. k. Marine-Akademie dieser Stadt ein, um sich dort für den ihm vom Vater bestimmten Beruf auszubilden. Schon hier gab es harte Kämpfe und Reibungen; bereits regte sich der Künstler im angehenden Seemann,und Bernhard Fiedler, der bekannte Landschaftsmaler, welcher dem Jüngling Zeichenunterricht erteilte, versuchte es, da er das Talent und die Kunstliebe seines Schülers rasch erkannt, den Vater den Wünschen des Sohnes günstiger zu stimmen, aber umsonst. Doch auch die Akademie sollte sich nicht endgültig ihres Zöglings freuen, denn Raimund verließ dieselbe auf Wunsch seines Vaters und trat in das k. k. Pionniercorps ein. Bei diesem im Jahr 1856 nach Linz versetzt, widmete er sich auch hier, hinter dem Rücken seines Vaters, unter Leitung J. M. Kaisers, dem Zeichnen und bald auch der Aquarell-Landschafts und Blumenmalerei. Im Jahr 1859 erhielt der junge Freiherr das Porte-épée und kurz darauf die Ernennung zum Oberleutnant in dem damals in der Bundesfestung Mainz liegenden 36. Infanterie-Regiment. Aber auch diese Avancements vermochten Raimund von seiner Sehnsucht nach der Kunst nicht abzulenken; krankheitshalber ließ er sich im Jahr 1862 zeitlich pensionieren und endlich erlangte er es, dass sein Vater, des vergeblichen Kampfes müde, die Zustimmung dazu gab, dass sein Sohn dem Militärdienst entsagte, um sich voll und ganz der Kunst zu widmen und nebenbei der ebenfalls immer lebhafter in ihm auftretenden Reiselust zu frönen.
Im Jahr 1863 quittierte Raimund Baron von Stillfried und Rathenitz seine Offiziers-Charge und nun stand ihm die ganze Welt offen und er wollte sie sehen und kennen lernen. Im selben Jahr finden wir ihn als Schiffsjunge der Bremer Barke Inka auf seiner ersten Reise nach Callao in Peru,; dann folgten Reisen nach Hongkong und Shanghay China sowie Nangasaki Japan. An letztem Ort lernte Raimund den berühmten Landschafts-Aquarellisten Eduard Hildebrandt kennen, dieser gab ihm die eigentliche Kunstweihe, dieser lernte dem reiselustigem Jüngling auch künstlerisch seine Reisen zu verwerten und Baron Stillfried war ein williger Befolger dieser Lehren. Aber noch war keine Ruhe über den jungen Weltfahrer gekommen; im Jahr 1865 trat er, nach einer hochinteressanten, zu Pferde zurückgelegten Reise durch das Gebiet der freien Indianer von San Francisco nach Mexiko, unter der Regierung des Kaisers Maximilian als Freiwilliger in das kaiserlich mexikanische Korps österreichischer Freiwilligen ein und harrte, bald zum Offizier befördert, mit der goldenen Tapferkeitsmedaille und dem Guadalupe-Orden ausgezeichnet, treu bis an das tragische Ende jenes hochherzigen Monarchen aus. Dann kehrte er 1867 in seine Heimat zurück und ging nach Wien und nach einem vergeblichen Versuch, an der von Österreich geplanten ostasiatischen Expedition teilnehmen zu dürfen, auf eigene Kosten wieder nach Japan zu reisen, wo er bis 1870 als Kanzler in der norddeutschen Gesandtschaft zu Jeddo und gleichzeitig als Berichterstatter für die österreichische Monarchie fungierte, für welch letztere Dienste er 1870 mit dem Ritterkreuz des Franz Josephs Orden ausgezeichnet wurde. Der eintönige Bürodienst behagte aber unserem künstlerisch angelegten Weltreisenden nicht lange; er gab sein Amt auf um wieder über seine volle Zeit und Arbeitskraft frei verfügen zu können. Im Jahr 1872 errichtete er eine photographische Verlagsanstalt in Yokohama; hier schuf er eine reiche Anzahl von photographischen Landschafts- und Typen-Aufnahmen aus dem interessanten Reich und vervollkommnete sich unterdessen immer mehr in der Aquarellmalerei. Mit jenen Aufnahmen und einem original japanischen Teehaus kam Baron Stillfried 1873 zur Wiener Weltausstellung, erhielt hier für seine Aufnahmen die Fortschritts-Medaille, wurde aber mit dem Teehaus aus kleinlichen Gründen nicht zugelassen – man fürchtete wahrscheinlich. Die weibliche Originalbedienung aus Japan, welche Baron Stillfried als lebendes Inventar des Teehauses mitgebracht hatte, könnte dem Ausstellungsbesucher den Kopf verdrehen – wodurch dem Aussteller ungeheure und fruchtlose Kosten erwuchsen.
Im Jahr 1874 finden wir Baron Stillfried wieder in Japan; seine photographische Verlagsanstalt nahm dank dem Interesse, das sich seit der Wiener Weltausstellung allerorten für Japan kundgab, einen so gewaltigen Aufschwung, dass Stillfried aus den Erträgen derselben in den Jahren 1874 bis 1875 die aus Anlass der unglücklichen Wiener Ausstellung Episode kontrahierten Schulden im Betrag von 75.000 Gulden decken konnte. Aber nicht nur seine photographische Verlagsanstalt nahm einen ungeahnten Aufschwung, auch die künstlerische Tätigkeit Stillfrieds entwickelte sich immer reicher und lohnender. Er erhielt, so eigenartig das bei einem Landschafter für unsere Anschauungen klingen mag, zahlreiche Porträtaufträge, die er zur Zufriedenheit seiner Auftraggeber in Öltechnik durchführte und seine Aquarelle errangen sich bereits einen Weltruf und fanden insbesondere in England willige Abnahme. Im Auftrag des Kaisers von Japan malte Baron Stillfried im Jahr 1877 für den Palast des Mikado in Tokio ein Kolossalgemälde in Öl „Der Fusijama“ und außerdem eine große Kollektion von Vogelarten aus Japan in Aquarell.
Doch Stillfried beschränkte sich nicht auf die Malerei und künstlerische Photographie; auch sonst entwickelte er, von dem Grundsatz ausgehend, dass nach japanischen Begriffen der Gebildete alles können müsse, eine sehr ersprießliche Tätigkeit im Interesse seiner neuen Heimat, so erbaute er, um nur einiges anzuführen, im Auftrag der Regierung ein Pulvermagazin, hob gesunkene Schiffe und ward schließlich im Jahr 1878 zum Professor an der Staatsdruckerei in Yeddo ernannt, welche Anstalt er nach dem Muster der Wiener Hof- und Staatsdruckerei einrichtete.
In den Jahren 1880 bis 1881 unternahm Stillfried eine Kunst- und Studienreise nach Sibirien, ins Land der unleserlich, doch gingen seine zahlreichen, auf dieser Reise angefertigten Farbskizzen, Zeichnungen und Photographien bei einem Brand zugrunde. Im üJahr 1882 war der Künstler nach Hongkong berufen, um die dort aus Anlass der Anwesenheit der Söhne des Prinzen von Wales stattfindende Festlichkeiten mit dem Pinsel und dem Photoapparat festzuhalten.
Im gleichen Jahr folgte er dann einer Einladung des Königs von Siam an dessen Hof, hier schuf er während eines 13 monatlichen Aufenthaltes im Auftrag dieses Regenten eine Serie von Aquarell-Landschaften und besorgte zugleich die Restaurierung der königlichen Gemäldegalerie, bestehend aus Spenden europäischer Potentaten, Spenden, welche durch den Lauf der Zeit, sowie durch ungünstige Aufbewahrungs- und Witterungsverhältnisse in einen ziemlich desolaten Zustand geraten waren. Hier erfand Baron Stillfried auch ein neues seltsames Verfahren zur Übertragung (Rentoilierung) von Ölgemälden mittelst Kautschuklösung, während er bereits im Jahr 1874 zu Japan ein seltsames Verfahren für Photo Aquarelle ersonnen hatte, welches besonders für Landschafts Photographien von bester Wirkung ist.
Bis zu seiner letzten vor drei Jahren erfolgten Erkrankung arbeitete er viel für den Fürsten Johann von und zu Liechtenstein; in Feldsberg bei Lundenburg hatte er ein großes Atelier für Restaurierungen errichtet.
Sein Gemälde „Inneres der Stephanskirche“ befindet sich im Besitz Sr. Majestät des Kaisers.
Im Jahr 1883 endlich kehrte Stillfried definitiv nach Österreich zurück und schlug in Wien seinen ständigen Wohnsitz auf. Hier veranstaltete er 1884 im Österreichischen Museum eine viel besuchte und bewunderte Spezial-Ausstellung die 400 Werke umfasste, erregte Sensation und wurde von Sr. Majestät drm Kaiser besichtigt.
Auch von einer Dalmatien Reise und einer Reise nach Griechenland brachte er reiche Ausbeute nach Hause.
In Wien setzte Baron Stillfried mit Eifer seine künstlerische Tätigkeit fort, bereits im Jahr 1886 zierte die Ausstellungen des „Österreichischen Kunstvereines“ eine Kollektiv Exposition von 150 Aquarellen und Photographien von Interieurs der Residenzen und Schlösser des Kaisers von Österreich, und seither vergeht fast keine Ausstellung des „Österreichischen Kunstvereines“ und des „Wiener Künstlerklub“, in welcher nicht einige Aquarelle des Meisters Aufnahme gefunden hätten. Einmal sahen wir auf der Staffelei des Künstlers ein großes Aquarell, darstellend Hongkong zur Zeit der Anwesenheit der Söhne des Prinzen von Wales.
Betrachten wir Raimund Freiherr von Stillfried und Rathenitz als Künstler, so haben wir es hauptsächlich mit seinen Aquarellen zu tun, denn nur ausnahmsweise hatte er sich in der Öllandschaft versucht, und seine Ölporträts sind, nach seiner eigenen Meinung, nur als künstlerische Extravaganzen zu betrachten, und erzwungen durch die Verhältnisse. Als Aquallrelist excelliert Baron Stillfried besonders als Interieur und Architekturmaler; seine Vorzüge sind korrekte und gewissenhafte Zeichnung, sorgfältige, naturnahe Durchführung, glückliche koloristische Gesamthaltung, treffliche Behandlung der Perspektive und gute malerische Wirkung. Man hat ihn übrigens in mancher Beziehung mit Rudolf Alt, Karl Werner und Eduard Hildebrandt in Parallele gestellt. Auch die Photographien Stillfrieds bekunden den denkenden, sein empfindenden und gewandten Künstler, und dürfen mit gewöhnlichen Landschafts-Photographien nicht verglichen werden.; sie sind eben auch kleine Kunstwerke ihrer Art.
1897 starb Stillfrieds Vater, der älteste General der Armee mit 91 Jahren.
Samstag, 12. August 1911 ist Raimund Freiherr von Stillfried einer Herzlähmung plötzlich erlegen. Die Leiche wird um 2 Uhr 45 im Sterbehaus, Wien 18. Bezirk, Gentzgasse 9, nach der Einsegnung in die Pfarrkirche zum hl. Laurenz in Währing gebracht und anschließend auf den Döblinger Friedhof überführt.
Der Ehe des Verblichenen mit Baronin Helene, geborene Jankovich von Jeszenicze entstammen zwei Kinder, Baron Alfons und Baronin Alice.
QUELLEN: Sport & Salon, 19. August 1911, S 10, Wiener Zeitung, 14. August 1911. S 4, Wiener Presse, 6. Juli 1891, S 1. ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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