SAN PELAGIO#
Für kranke Kinder im Jahr 1910 ist die Seeheilpflege in Österreich rascher als anderswo in ihrer wahren Bedeutung und Wichtigkeit als ein therapeutischer Faktor und erstrangiges Ziel anerkannt worden. Zu dieser Zeit gab es folgende Möglichkeiten die armen Kinder in verschiedenen Heilbäder unter zu bringen. Schade nur, dass die Erkenntnis von der Wichtigkeit dieser Art der Volksfürsorge in unserem Vaterland nicht nur weit mehr Institutionen von privater Seite oder seitens so vieler Korporationen geführt. Nur Niederösterreich und die Gemeinde Wien hat ihre Aufmerksamkeit diesen Institutionen zugewendet.
In das Spital in Baden bei Wien, kamen arme skrofulöse Kinder, gleichfalls in Bad Hall. werden jene rachitischen Kinder in das 1855 gegründete Kaiserin Elisabeth Kinderhospital untergebracht. Für geschwächte und unterernährte Kinder steht ihnen das 1875 gegründete und vorbildliche Seehospiz „Erzherzogin Stephanie“ in Grado als wunderbare Einrichtung zur Verfügung. 1888 kam das „Erzherzogin Maria Theresia“ Seehospiz in San Pelagio bei Rovinj hinzu. In Sulzbach bei Bad Ischl gibt es bereits das Kaiser Franz Joseph-Kinderhospiz und ein weiteres im kroatischen Küstenland in Cirkvenice, das Ladislaus Kinderheim für Lungen schwache Kinder. Erzherzog Ladislaus, Sohn des Erzherzog Josef war durch einen Jagdunfall zu Tode gekommen, dazu ist bald darauf das Amalien Seehospiz zu Lussingrande hinzugekommen.
Wien war mit dem ersten St. Annen-Kinderspital 1837 von Dr. Mauthner errichtet, bereits aufgefallen.
Diese spezielle Form des Kinderkrankenhauses, das weit vor 100 Jahre gegründet, ist heute völlig in Vergessenheit geraten.
1905 übernahm die Gemeinde Wien das Kaiserin Elisabeth Spital in Bad Hall, in das Eigentum, damit wurde eine weit zielende Aktion zur Ausgestaltung der Fürsorge der Gemeinde Wien für arme kranke Kinder eingeleitet. Sofort wurde das Kinderspital durch Zubauten vergrößert,. Die Anstalten sowie Vermögen des Vereines zur Errichtung und Förderung von Seehospizen und Asylen für kranke Kinder wurde in das Eigentum und die Verwaltung der Gemeinde Wien übernommen.
Dadurch gelangten das Seehospiz San Pelagio mit 210 Betten und das Kinderhospiz in Sulzbach in Ischl mit 60 Betten in den Besitz der Gemeinde Wien. Die Verwaltung erfolgt mit Hilfe eines Kuratoriums, das die erworbenen Rechte der Stifter und Gründer in Ansehung der Präsentation von armen kranken Kindern aufrecht zu erhalten hat. Da diese Plätze mit der Zeit nicht ausreichten, ging man daran San Pelagio zu erweitern. Im Jahr 1904 wurde bereits eine Erweiterung vorgenommen und die Gemeinde Wien hatte bereits damals eine Subvention von 30.000 Kronen gewährt.
Die Größe des Grundes des alten Seehospizes betrug 3 ha 24 a 3 m², um den Betrag von 95.475 Kronen wurden angekauft 29 ha 55 a 96 m²
Die Gesamtfläche beträgt nun 32 ha 79 a 99 m²
Die Lage des erworbenen Grundes ist herrlich. Das Meer hat hier eine besonders tiefblaue Farbe und die Luft salzig frisch. Von der südöstlichen Bucht ist das malerische Rovigno mit dem aufstrebenden Dom zu erkennen. Gegen Westen befinden sich die vorgelagerten Inseln Figarola und Figarolina. Die westliche Bucht gewährt einen Ausblick auf das offene Meer, Karstberge mit so mancher historischen Ruine umgeben die Insel. In den Niederungen gedeihen Weinbau, schimmern die Ölbäume, und die Landschaft präsentiert sich im südlichen Flair von Palmen, Zedern, Pinien, Lorbeer, Tujen und all den anderen duftenden südlichen Gewächsen. Der Untergrund der Insel Muccia besteht aus Karstgestein und Spuren deuten darauf hin, dass es vom Meer bedeckt war. Die Halbinsel mit der rötlichen Humusschicht erhebt sich mit 4 bis 17 m über dem Meeresspiegel.
Der alte Krankenpavillon sowie das Kinderheim und Badebassin war von dem Baurat Wilhelm Stiaßny errichtet worden. Außerdem gibt es ein Motorboot und noch ein Boot mit den Kindern Rundfahrten auf dem Meer unternommen werden.
Der hölzerne Schwarzenbergpavillon, eine Spende des Fürsten Schwarzenberg, der ursprünglich Ausstellungspavillon war und zu einer Kapelle, einem Lehrzimmer und dem Speiseraum der Krankenschwestern umgestaltet wurde, und der ebenerdige Isolierpavillon. Wagen und Pferde waren noch in hölzernen Schuppen untergebracht. 1909 kam für den Schwarzenbergpavillon das Ende, er war so baufällig geworden, dass er abgetragen werden musste.
Die Anstalt diente der Dauerbehandlung der Kinder, so lange bis zur endgültigen Genesung, oder ihre Unheilbarkeit konstatiert war. Bis zu 80 % der Kinder wurden als geheilt entlassen, um später erwerbsfähig zu sein. Die Verpflegung der Kinder pro Tag beliefen sich auf 2 Kronen. Im Sommer wurde im Meer gebadet, bei Schlechtwetter oder im Winter gab es Voll-. und Wannenbäder.
Die schöne Jahreszeit bis spät in den Herbst hinein hielten sich die Kinder in den angelegen Hainen auf, wo Tische und Bänke ihnen zur Verfügung standen.
Einen Nachteil gab es, durch die felsige Küste gab es keinen Sandstrand. Dieser Strand musste beim alten wie den neuen Pavillon durch Moli geschützt und mit Sand aufgeschüttet, der von Zeit zu Zeit erneuert wurde.
Der neue Strand befand sich an der nordwestlichen Bucht, wurde vom offenen Meer umspült und war nur für das Baden gedacht, daher verzichtete man auf Bauten und es sollte alles Natur belassen bleiben. Durch die ausgedehnten Grundeinkäufe war auch für die Zukunft gesorgt, dass der natürlich Zustand durch nichts zerstört wurde.
Die südöstlichen Bucht nahm die Abwässer der Anstalt und der Treberspiritusfabrik „Ampelia“ auf.
Die Stadt Rovigno mit ihren 13.000 Einwohnern haben weder Unratkanäle noch Senkgruben. Der Mist wird in Kübeln gesammelt und von den Häusern auf Schiffe getragen, welche auf offenen Meer geleert, trotzdem ist der Gesundheitszustand der Bevölkerung ein guter. Es gibt auch kein Quellwasser, darum muss das Regenwasser durch Filter gereinigt und in Zisternen aufbewahrt werden. Ist das Zisternenwasser aufgebraucht wird Wasser aus Pola eingekauft, und an die Bevölkerung verteilt. Auch für das Seehospiz muss bei Trockenheit Wasser zugeführt werden.
Während der Erweiterungsbauten hat sich die Unternehmung von „Ampelea“ eine Quellwasserleitung zuerst für ihre Bedürfnisse eingerichtet, welche sowohl für Private und für einen Auslaufbrunnen Wasser abgibt. Auch Rovigno ließ sich durch die Firma G. Rumpel Bohrungen auf Wasser vornehmen, welche ein günstiges Resultat ergeben hat und nun über ein gutes Quellwasser verfügte.
Bei San Pelagio findet man nur den schönen Istrianerstein sonst kein Baumaterial. Wasser, Sand und Ziegel kommen von weit her. Der Sand kommt mit Barken vom Po, wenn nicht durch den Wind Sand verwirbelt wird. Darum bedient man sich der Sandquetschen. Die Ziegel werden aus dem Ziegelwerk in Borutto bei Pisino bezogen. Die Arbeiter kommen aus Wien. Das bestehende Gaswerk der Augsburger Gaswerke kommt für die Beleuchtung und Heizung im Kinderheim auf. Der alte Krankenpavillon hat noch Petroleumbeleuchtung und Ofenheizung. Diese Verhältnisse mussten bei den Neubauten berücksichtigt werden.
Ursprünglich war ein neuer Krankenpavillon für 100 Kinder, ein Pavillon für 50 Zahlpfleglinge und ein Wirtschaftspavillon sowie ein Stallgebäude geplant. Doch die Kosten ließen das Vorhaben sofort durch eine billige Variante zur Ausführung ersetzt. So wurde nur ein Krankenpavillon für 140 Pfleglinge beschlossen. Außerdem wurde eine Kirche , ein Maschinenhaus, ein Desinfektionsgebäude, eine Aussichtswarte errichtet und der Isolierpavillon durch Stockwerksaufsetzung vergrößert.
In dem neuen Krankenpavillon wurden die Zahlpfleglinge durch eigene Stiege, Spiel- und Speisezimmer von den übrigen möglichst abgesondert.
Nach Adaptierung der aufgelassenen Schwesternräume im alten Krankenpavillon beträgt die Bettenanzahl nun 380.
Die Zubauten sind in einem großen Bogen an der östlichen Bucht angeordnet, somit haben sämtliche Pavillons ihre Hauptfront Richtung Meer und auf die Stadt Rovigno. Die Objekte sind mit offenen Veranden versehen und finden auch als Liegehallen Verwendung
Für das Pumpen des Süßwassers aus den Zisternen und des Seewassers aus dem Meer und Drücken in die auf dem Dachboden des neuen Krankenpavillon aufgestellten Süß- und Seewasserreservoire sowie für die Erzeugung des erforderlichen elektrischen Stromes für die Personenaufzüge, das Röntgen- und Finsenzimmer und die elektrische Beleuchtung des Operationssaales, ferner für den Betrieb der Wäscherei wurde ein Maschinenhaus errichtet. Die erforderliche Kraft wird von einem Dieselmotor von 20 PS mit Dynamo und einem Reservegasmotor von 12 PS und Dynamo geliefert.
Die Beleuchtung erfolgt in den Erweiterungsbauten im allgemeinen durch Gas und aus dem Gaswerk von Rovigno, und sind Grätzinbrenner eingerichtet. Die Heizung erfolgt durch Gasöfen. Die Gasbeleuchtung und Gasheizung wurde von ärztlicher Seite verlangt. Vom Stadtbauamt war elektrische Beleuchtung erwünscht.
Das Süßwasser wird aus den Zisternen gepumpt und durch eine gusseiserne, doppelt asphaltierte Druckleitung in das Reservoir am Dachboden des neuen Krankenpavillons gepumpt. Die Abfallrohrleitung besteht ebenfalls aus Gussrohren und führt unter dem Terrain zu den einzelnen Steigsträngen zur Versorgung der Objekte mit Trinkwasser. Die Verzweigungsleitungen sind verzinkte schmiedeeiserne Rohre.
Das Seewasser wird direkt aus dem Meer gepumpt und durch doppelt asphaltierte Gusseisenrohrleitungen in die zwei schmiedeeisernen, mit Blei ausgeschlagenen Reservoire am Dachboden des neuen Krankenpavillons gepumpt
Das Seewasser wird für die Reinigung der gepflasterten Flächen, für die WC-Spülung und für die warmen Seebäder benötigt Alle Absperrventile für das Seewasser sind aus Rotguss. Bei den WC sind Niederschraubhähne ähnlich wie bei den Schiffs-WC angeordnet. Werden die Seewasserpumpen in Betrieb gesetzt, so sind bei den gemeinsamen Druckleitungen die Abzweigung zu den Reservoiren auszuschalten. Die Seewasservollbäder können direkt gefüllt werden. Für die Bäder ist eine gemeinsame Warmwasseranlage vorgesehen. Ein schmiedeeisener Kessel erwärmt in einem Reservoir das nötige Warmwasser indirekt durch eine kupferne Heizschlange, wodurch das Seewasser mit dem Kessel in keine Berührung kommt.
Als Badewannen wurden gusseiserne Wannen mit säurefreiem Emailüberzug angewendet.
In Bezug auf die Bauausführung, wurde für die Mauern nur Süßwasser, Süßwassersand und gequetschter Sand verwendet. Die Scheidemauern und Bögen bestehen aus Bruchsteinen in Weißkalkmörtel. Das Operationszimmer, die Baderäume haben Feinklinkerpflaster, die Gänge, WC und Waschräume Terrazzopflaster. Die Dachflächen bestehen aus Eternit. Nur der Speisesaal und das Desinfektionsgebäude wurden mit Holzzement und die Kirche wurde mit Kupferblech eingedeckt,
Die Fenster haben verschiedene Verschlüsse, äußere nd innere Fensterflügel, Holzjalousien und Fliegengitter. Im Sommer werden die Fensterflügel entfernt.
Im Wirtschaftspavillon wirkt eine Oberin mit 45 Krankenschwestern.
Die Kirche, ein Kuppelbau, welche von zwei 26 m hohen Türmen flankiert, durch offene Veranden, die im Sommer als Liegehallen benutzt, steht dieselbe mit dem Wirtschafts- und dem neuen Krankenpavillon in Verbindung. Der Raum hat einen Durchmesser von 8 m und eine Höhe von 16.2 m, Der erste Stock enthält eine Empore und die Orgelbühne. Die Kirche ist für 400 Besucher ausgerichtet. Der barocke Altar stammt aus der alten Laimgrubenkirche in Wien und das Altarbild war ein Geschenk des österreichischen Malers Hans Zatzka, der am 8, März 1859 in Breitensee geboren und hier am 17. Dezember 1945 verstarb. Die Altarbilder in Lainz stammen ebenfalls von ihm, dafür hat Kaiser FranzJoseph den Maler mit dem Ritterkreuz des Franz Josephs Ordens ausgezeichnet.
Der neue Krankenpavillon, zweistöckig für 102 Pfleglinge und 38 Zahlpfleglinge. Die Zahlabteilung ist separat von den anderen Abteilungen getrennt. Mit Personenaufzug, Im Souterrain befinden sich die Meer-, Voll- und Wannenbäder, im Parterre der Operationssaal und Nebenräume, zwei Spielsäle, Lehr- und Beschäftigungszimmer, zwei Arztwohnungen, im Dachgeschoß gibt es einen Manipulationsraum für Fotografie, Dunkelkammer, ein Röntgen- und Finsenzimmer.. Niels Ryberg Finsen 1860-1904 bekam am 10. Dezember 1903 den Nobelpreis für Physologie oder Medizin in Anerkennung seines Beitrags an der Behandlung von Krankheiten Lupus vulgaris konzentrierten Lichtstrahlung durch die er der medizinischen Forschung einen neuen Weg eröffnete.
Die Karl Lueger Warte war ein Aussichtsturm ganz aus Bruchstein errichtet, mit einer Höhe von 16 m, der Galeriefussboden liegt 11.50 m über dem Terrain und damit genießt man außerdem einen herrlichen Rundblick.
Einen Teil der Neuerwerbung des Grundstückes wurde in einen Garten, sowie Gemüsegarten, Promenaden, Spielplätzen umgestaltet.
Nun zu dem Kosten:
Grundankauf ….................................................K 95.475.--
Strandweg, neue Badeanlage.........................................14.831.90
Moli, neue Badeanlge, Strandregulierung........................... 66.748.12
Warte............................................................. 20.000.--
Erweiterungsbauten, Gartenanlage, Wege.........................1,245.100.57
Kirche..........................................................190.186,38
Renovierung des Altars............................................2.650.--
Pumpenanlagen, Wäschereieinrichtung.............................18.447,40
Desinfektionsanlage.............................................14.290,--
Summe.........................................................1,667.729.37
Die wirklichen Kosten zirka um K 90.000 höher.
Dem englischen Arzt Richard Russel ist es zu danken, der im Jahr 1750 auf die Bedeutung von Seebädern bei skrofulösen Leiden hinwies.
Früher als in Deutschland setzte Österreich diesen Gedanken der Seeheilpflege in die Tat um. Dr. Barillai, dessen Vorträge in Triest und Görz den Anlass gab ein Komitee zu bilden, das 1873 die ersten Seehospizen in Grado und Triest entstehen ließen. Dabei spielte der Kinderarzt Dr. Alois Monti eine große Rolle, der diesen Gedanken in Österreich zum Durchbruch brachte. Im Jahr 1866 gelang es ihm Erzherzogin Maria Theresia als Protektorin für den Verein zur Errichtung von Seehospizen zu gewinnen. Die Krankenaufnahme erfolgt durch die Direktion des Seehospizes in Wien Schwarzspanierstraße 11. Am 7. Mai 1907 reiste Bürgermeister Dr. Lueger mit dem Gemeinderat nach Rovigno, um der Einweihung des Erzherzogin. Maria Theresia-Hospiz San Pelagio beizuwohnen. Die Genossen kamen nicht mit.
QUELLEN: Moderne Iöö. Zeitung f. Reise und Sport. 1913 H 14, S 6, Bild S 5, D 74, Zeitschrift d. Österr. Ingenieur Vereines 1910 Haupteil S 1,Bilder ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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