SCHLOSS HARTHEIM#
Der Ausblick von einem der Donauberge, die sich wie erstarrte, von dunkelgrünen Waldungen bekleidete Granitwellen vom Pöstligberg bis nach Bayern hinziehen, gehört zu den schönsten Landschaftsbildern in Oberösterreich. Es ist das fruchtbare, sonnig grüne Eferdinger und Aschauer Becken, das sich vor uns ausbreitet, vom Kürnberg im Osten, der Schartener Bergstufe im Süden und den letzten Steilhängen bei der Schaumburg und Stauf im Westen umgrenzt, vom Silberband der Donau in weit ausholenden Bogen durchzogen, überragt vom Felsgemäuer der Alpen. Aus dem in Fruchtbarkeit strotzenden Grün der Ebene sieht man behäbig breite Bauerngehöfte, kleine Dörfer, östlich die Kirche von Schönering, weiter gegen Westen jene von Alkoven, im Westen den hohen Turm von Eferding herauf grüßen, während vom Rande der hinten aufsteigenden Bergstufe Dorf an Dorf sich reiht; Kirchberg im Osten bezeichnet den Übergang zum Schienenstrang der Eisenbahnlinie Linz – Wels, Maria Scharten und Stroheim ragen luftig in die Höhe und im Westen stechen grau die letzten Mauerreste der einst so stolzen und herrlichen Schaumburg vom düsteren Waldhintergrund ab. Gerade vor uns aber, nahe Alkoven, erhebt sich ein würfelförmiges Schlossgebäude mit kleinen Ecktürmen und einem überragenden Hauptturm, das Schloss Hartheim, einst der Sitz edler Geschlechter, gegenwärtig die erste und einzige Idiotenanstalt von Oberösterreich.
Das Schloss Hartheim gehört zu jenen oberösterreichischen Schlössern des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, die sich in der Eigenart ihrer Gesamtanlage und auch der Details von allen Schlossbauten der früheren und späteren Zeit auffallend unterscheiden: Bauten in derselben Art sind: Aistersheim, Eferding, Weinberg, Puchheim, Würting, Greinburg und Rannariedl. Wie alle diese, ist auch Hartheim, obwohl noch eines der einfachsten, weitläufig angelegt. Vier lange, zweistöckige Gebäudeflügel umschließen eine herrlichen Arkadenhof, der zu den schönsten Schlosshöfen seiner Art zählt. Sind auch die Wölbungen der Arkaden etwas niedrig gehalten, durch die schöne Maßverhältnisse der einzelnen Teile und der in diskreten Farben gehaltenen Malereien bringen sie eine äußerst schöne Wirkung hervor. Wozu die vier Ecktürme und der höhere Hauptturm die schön geformten Turmdächer tragen, eine angenehm wirkende Gliederung bieten.
Von dem so einfachen Äußeren stachen früher die Innenräume durch die reiche Ausstattung mit italienischen Stuckdecken, herrlichen Majolikaöfen, reichem Holz Täfelung der Wände und Sockel und den eingelegten Türen mit kunstvollen Beschlägen überraschend ab. All diese Herrlichkeiten sind aus Hartheim verschwunden und wanderten in andere Schlösser.
Die denkwürdigste Wendung in der Bestimmung des Schlosses Hartheim trat im März 1896 ein, als Kamillo Heinrich Fürst Starhemberg das Schlossgebäude dem oberösterreichischen Landes-Wohltätigkeitsverein zur Gründung und Erhaltung einer Idiotenanstalt zum Geschenk machte. Mit dieser Schenkung hat sich der Fürst das schönste Denkmal gesetzt. Es bleibt bewundernswert wie das leere Gebäude zu einer ganz zweckentsprechenden, nach modernen hygienischen Grundsätzen eingerichteten Idiotenanstalt umgestaltet wurde.
Doch seiner harrte eine grausame Zeit, wurde zur Stätte des Grauens, zur nazistischen Mördergrube, so die Zeitungen nach dem Krieg.
Jahrzehntelang war Hartheim die Pflegestätte geistesschwacher Kinder, die unter der Obhut von Nonnen betreut wurden. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten fand dieses humane Werk ein raues Ende. Dem Orden wurde ein fünfjähriger Pachtvertrag aufgezwungen, worauf man nach dem Auszug der Nonnen mit dem Ausbau des Schlosses in eine Massenhinrichtungsstätte begann. Der schöne viereckigen Säulenhof wurde bis zum ersten Stock mit Brettern verkleidet, hinter denen sich ebenerdig jene Räume befanden, in denen Menschen zu Hunderttausenden einen furchtbaren Tod finden sollten. Zur Herbeischaffung der Opfer setzte man drei große Autobusse ein, deren Fenster anfänglich durchsichtig waren, später, als Hartheim verrufener war, wurden die Fenster blind. Doch die ersten Opfer holten sich die Henker aus dem ehemaligen Pflegeheim, an den Kindern wurde das Vergasen und Verbrennen versucht und geübt. Im Schloss befand sich auch ein medizinisches Laboratorium, in dem an Gefangenen wissenschaftliche Experimente durchgeführt wurden. Die bedauernswerten Opfer erlitten dabei einen qualvollen Tod, da die chirurgischen Eingriffe ohne Narkose erfolgten.
Der Leiter in Hartheim war Prim. Dr. Lonauer aus Linz, der sich schon in der Verbotszeit illegal für die SS betätigte. Aus Ersparnisgründen wurde im Jahr 1943 die Tötung durch Morphiuminjektionen eingestellt und das System der Vergasung eingeführt. Das Hauptkontingent an Vergasungskandidaten stellte das KZ Mauthausen. Unter den von Ybbs in Niederösterreich nach Hartheim versetzten Anstaltspflegern befand sich auch Hermann Merta, der mit der Leitung der Gaskammer vertraut wurde. Er hatte die Opfer in die Gaskammer zu führen und auszukleiden, die Leichen in den Verbrennungsraum zu schaffen und die Namenstafeln für die Urnen zu schreiben. Nach seinen Angaben wurden in anderthalb Jahren mindestens 15.000 Personen vergast. Da er nach Ybbs zurückkehrte wurde Merta verhaftet und gab vor Gericht eine weinerliche Jammergestalt ab. Lonauer hatte zur rechten Zeit noch Selbstmord verübt.
Selbst aus Kindberg wurden 1941 140 Pfleglinge nach Hartheim gebracht. Bei einer zweiten Visitation wurden arbeitsunfähige Altersrentner ausgewählt, weil es zwecklos war, diese Leute weiter zu ernähren.
Als der zweite Transport durchgeführt wurde, kam es zu erschütterndem Szenen, da inzwischen bereits die Aschenurnen der Opfer des ersten Transportes bei ihren Hinterbliebenen eingetroffen waren, wussten nun die Menschen was ihnen bevorstand. Der Anstaltsarzt Dr. Kossar zeigte den Opfern gegenüber, die um ihr Leben flehten, eine beispiellose Rohheit. Zu Kriegsende wurde auch er verhaftet.
Auch aus Salzburg kamen Transporte nach Hartheim, denn hier befand sich ein Krematorium mit vier Öfen und ein eigener Vergasungsraum. Wie groß der Betrieb in Hartheim war, geht aus der Tatsache hervor, dass im „Auskunftsbüro“ allein 5 bis 6 weibliche Schreibkräfte, zuverlässige Parteigenossinnen, beschäftigt waren. Die Hartheimer Akten konnten nicht aufgefunden werden. Nur die Salzburger Transportlisten standen den Sicherheitsbehörden zur Verfügung.
Über dem Schloss stieg ständig Rauch auf, der bestialischen Geruch verbreitete. Die Asche der Verbrannten wurde zuerst in Lastkraftwagen zur Donau befördert. Nur selten waren die Verbrennungen so mangelhaft, dass sich noch ganze Knochenteile unter der Asche befanden, die während des Transportes auf den Weg fielen. Die Ortsbewohner sammelten diese Knochen und säumten damit die Straße um damit anzuzeigen was sie wussten. Daraufhin wurden diese Fahrten eingestellt. Den Ortsbewohnern war übrigens bei Androhung schwerster Strafen befohlen worden, über Vorgänge in Hartheim zu schweigen, das Schloss war von der Außenwelt hermetisch abgeschlossen.
Nach den bisherigen Feststellungen wurden im Schloss Hartheim zwischen 1940 und 1943 rund eine Million Menschen vergast.
QUELLEN: Dillinger Reise Zeitung, 10. Oktober 1907, S 1, Bild, Linzer Volksblatt, 18. Oktober 1945,S 2, 6. November 1945, S 3, Salzburger Nachrichten, 11. März 1947, S 3, Österreichische Volksstimme, 25. Dezember 1945, S 2, ANNO Österreichische Nationalbibliothek.
https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Essays/Historisches_von_Graupp