SEILBAHN IN DER LANDWIRTSCHAFT #

Österreich
Landw. Seilbahn

1949: Im letzten Jahrzehnt hat der Bau von landwirtschaftlichen Seilweganlagen einen starken Fortschritt in Österreich zu verzeichnen. Es ist Aufgabe der Verwaltung allen jenen Maßnahmen, durch welche die Gebirgsbauern erhalten und die Bebauung heimatlichen Bodens gesichert wird, die volle Aufmerksamkeit zu schenken. Das wirksamste Mittel ist in erster Linie die Vervollkommnung der Verkehrsverhältnisse für den Bergbauern, sei es in der Anlage von Güterwegen oder Seilbahnen. Von 1926 bis 1948 wurden in Vorarlberg 81 landwirtschaftliche Seilwege mit einer Gesamtlänge von 59.135 m in Betrieb genommen. Der Gesamtkostenaufwand betrug rund 1, 937.410 Schilling.

Die landwirtschaftlichen Transportgüter fallen zur Beförderung vielfach nicht in jenen Mengen an, dass ein Vollbetrieb garantiert ist, wie er für die Rendite einer Seilbahn wünschenswert ist. Die Erhaltung solcher Seilbahnen kann nun durch Zulassung eines beschränkten Personenverkehrs gesichert werden. Bis jetzt ist jeder Personenverkehr auf landwirtschaftlichen Seilbahnen verboten. Bei der heutigen Rechtslage liegt es auch nicht in der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, einen solchen zuzulassen, sondern darüber entscheidet das Ministerium fur Verkehr.

In der Schweiz hat sich mit dieser Frage der Bundesrat bereits im Jahr 1932 befasst. Er fordert bestimmte bau- und betriebstechnische Sicherungen und erteilt den Kantonsbehörden die Ermächtigung, die Beförderung von Personen neben der Warenbeförderung zuzulassen, ohne dass für die Seilbahninteressentschaft die Verpflichtung solcher Beförderungen besteht. Der Landrat des Kantons Uri hat daher am 10. 3. 1933 eine eigene Verordnung über die Erstellung und Nutzung der Luftseilbahnen erlassen.

In Österreich war die Frage der Personenbeförderung nicht so einfach zu lösen, weil eine einfache Regelung durch das Eisenbahngesetz gehemmt wird. Der jetzige Zustand des wilden Fahrens ist für die Seilbahninteressentschaft sowie für den Seilbahnwärter ein gefährlicher Zustand geworden, denn mit einem bloßen Hinweis des Stationswärters, dass die Personen auf eigene Gefahr fahren, sind sie ihrer Haftung für Unfälle nicht entbunden. Bei einzelnen Seilbahnen benutzen die Interessenten die Fahrtgelegenheit, bei anderen fahren Bergwanderer ud Wintersportler. Die Personenbeförderung trägt somit dem Bedürfnis des täglichen Wirtschaftsverkehrs und des Fremden-. und Sportverkehrs Rechnung. So werden die Seilbahninteressentschaften auf die Zulassung von Personenbeförderung in den Gebirgslagen geradezu gedrängt und werden in Zukunft auch darauf nicht verzichten können, weil die Einkünfte aus dem Personenverkehr erforderlich sind um die Anlage selbst sowie einen Warentransport zu erträglichen Preisen erhalten zu können.

Die Dienststellen der Landwirtschaftsförderung haben seit etlichen Jahren auf die Zulassung eines beschränkten Personenverkehrs hingearbeitet. Nun ist es dem Amt der Tiroler Landesregierung gelungen, die Zulassung eines beschränkten Personenverkehrs auf einer landwirtschaftlichen Seilbahn vom Bundesministerium für Verkehr bewilligt zu erhalten. Die Zulassung der beschränkten Personenbeförderung bedingt bauliche und betriebstechnische Ausgestaltungen gegenüber den bisherigen reinen landwirtschaftlichen Gütertransportbahnen, die sich vornehmlich auf den Einbau elektrisch ausgelöster Sicherungen der Bremsen und Sicherheiten in den Trag- und Zugseilen beziehen. Nachdem aber jeder einzelne Fall mit eingehenden Berechnungen und Plänen eingereicht werden muss, werden die Vorschriften bei jeder Kommissionierung auf den besonderen Fall abgestimmt werden.

Die Zulassung der Personen zur Benützung der Seilbahn ist eigeschränkt, und zwar auf die Genossenschafter des Unternehmens, die Bauern, deren Güter im erschlossenen Gebiet liegen, das Alppersonal, das Personal der auf der Bichlalp befindlichen Gaststätte sowie auf die dortigen Gäste. Diese Benutzungsberechtigten sind von dem Seilbahnunternehmen mit einer Ausweiskarte zu beteilen. Die Seilbahninteressentschaft hat ferner mit einer Versicherungsgesellschaft einen Vertrag für eventuelle Unfälle abgeschlossen, so dass jeder Fahrgast gegen Unfall versichert ist.

Die bereits erwähnte Besichtigung der landwirtschaftlichen Luftsilbahnen mit Personenbeförderung in Spieringen und Altdorf, Kanton Uri, in der Schweiz ergab, dass dort solche Seilbahnen nur von solchen Firmen erstellt werden dürfen, denen ein Fachingenieur zur Seite steht und dass die Bahn durch einen Fachmann, der sich über ausreichende berufliche Kenntnisse und Erfahrungen auszuweisen hat, jedes halbe Jahr zu überprüfen ist. Das Betriebspersonal hat die erforderlichen Kenntnisse in der Handhabung des Betriebes nachzuweisen. Nicht überprüfte und genehmigte Personen dürfen die Anlage nicht bedienen. Die beiden Seilbahnen sind seit dem Jahr 1933 in Betrieb und ist noch kein Unfall zu verzeichnen.

In Vorarlberg wird nur ein ganz geringer Teil der bisher errichteten landwirtschaftlichen Seilbahnen nach dem zu erwartenden Vorschreibungen für einen Personenverkehr umgebaut werden können. Bei neu zu erstellenden Seilbahnen dagegen kann von Anfang an auf die bau- und betriebstechnischen Vorschriften eines Personenverkehrs Rücksicht genommen werden, Dr. Mohr

QUELLE: Vorarlberger Volksblatt 1949, ANNO Österreichische Nationalbibliothek, Bild I. Ch. Graupp

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