ST. ANTONSKIRCHE#
Um 1900 zählte der 10. Wiener Bezirk 90.000 Einwohner und verfügte nur über eine Kirche mit einem Fassungsraum von 2000 Gläubigen. Verständlich, dass dieser Zustand, der bereits seit 1894 akut, einer baldigen Lösung zugeführt werden sollte, indem man für einen Neubau einer Pfarrkirche fotierte. Als Bauplatz wurden die sogenannten Gasselsedergründe, ein mäßig ansteigendes Terrain am höchsten Punkt des Bezirkes Favoriten ausersehen, zwischen den beiden Hauptverkehrsstraßen, der Himberger- und Laxenburger Straße gelegen. Vorgesehen war auf dem Platz mit einer Längendimension von 220 m nicht nur die Kirche mit Gartenanlage, sondern auch der Pfarrhof und eine Schule.
Kardinal Fürsterzbischof Dr. Anton Gruscha war der Initiator und baldigen Inangriffnahme dieses Vorhabens, dazu stellte er eine Subvention von 100.000 Gulden aus den Mitteln des Allgemeinen Wiener Kirchenbauvereines den Beginn des Baues ermöglichte, und den Wunsch aussprach, es möge die neue Kirche in einer Bauweise ausgeführt werden, welche sich an die venezianisch-lombardischen Kirchenbauten anschließe, als Erinnerung aus der Zeit der Wirksamkeit des hohen Kirchenfürsten, welcher durch Jahre im Dom St, Anton zu Padua seine, priesterlichen Amte oblag.
Sobald es sich um Schulen Krankenhäuser oder Kirchen handelte konnte man die Gunst des Kaisers gewinnen und so war es auch in diesem Fall, dass Franz Joseph am 18. April 1896 dem Kultusministerium die Bereitstellung der notwendigen Geldmittel anordnete, und in weiterer Folge ein wohlwollender Förderer des Bauprojektes b
Heute am 10.November 1896 um 10 Uhr Vormittags hat in Gegenwart des Kaisers die feierliche Grundsteinlegung der neue Pfarrkirche „Zum heiligen Antonius von Padua“ im 10. Bezirk durch Fürsterzbischof Gruscha stattgefunden, Der Bau wird eine gewölbte Basilika mit einer Mittelkuppel bilden und eine zweigeschossige Vorhalle, ähnlich jener des Domes zu Verona, erhalten. Die Kirche deren Entwurf und Ausführung dem Baurat Neumann übertragen ist, soll an die Markuskirche in Venedig erinnern, womit einem Wunsch des Kardinals Gruscha nachgekommen wird. Wie dieses neue Stück der Stil Musterkarte der Wiener Kirchen ausfallen wird ist noch abzuwarten. Nach der Grundsteinlegung zur Antonskirche eröffnete der Kaiser die vom verstorbenen Weingroßhändler Karl Reisinger für den 10. Bezirk gegründete Kinderbewahranstalt und den von Karl Reisiger Sohn gegründeten Knabenhort, der 60 Jungen während der schulfreien Zeit Aufenthalt , Kost und Beschäftigung zu bieten bestimmt ist. Die Witwe und Mutter Klara Reisinger war anwesend und wurde dem Monarchen vorgestellt.
Die Baupläne zu diesem neuen Sakralbau lieferte Franz von Neumann, als ältester Sohn des herzoglich-coburgischen Architekten Franz Karl Neumann in Wien geboren, dessen Familie aus Freiwaldau stammte. Zu dieser Zeit war er einer der meistbeschäftigten Architekten Wiens und den Ländern der Monarchie,
Sein Bauentwurf zeigte einen monumentalen byzantinisch gleichenden Kuppelbau in Backsteinbauweise wie so viele Kirchen in Wien zu sehen waren. Der Wunsch Gruschas war ganz nach seinem Sinn, einen Wechsel in der Charakteristik der Kirchenbauten war sehr willkommen, insbesondere die Malerei wieder den berechtigten Platz zur Verherrlichung des Gotteshauses zuzuführen.
Der spezielle Hinweis auf den Dom zu Padua führte dazu, einen Kuppel gekrönten Bau zu schaffen, welcher Baugedanke vorerst in dem Projekt, eine Kirche mit vier niederen und und einer Vierungskuppel, anschließend an das Vorbild S. Marco zu bauen, zum Ausdruck gelangte. Die großen Kosten dieser Ausführung ließ den Plan schließlich fallen und beschränkt sich dass nur eine Vierungskuppel projektiert wurde, welche im Innern des Kirchengebäudes mit einer Vollkuppel (licht 29.50 m hoch) und von außen mit einem in Kupfer abgedeckten mit dem Salvator gekrönten Kuppeldach von 52.50 m Höhe ihren Abschluss finden.
Das Mittelschiff hat eine Breite von 11.80 m, eine Gesamtlänge vom Portal bis zur Chorabschlusswand von 64.90 m , das Querschiff eine Länge von 42.30 m und eine Lichtweite einschließlich der Seitenschiffe von 23.50 m Die mit Schalen Kuppeln abgeschlossenen Travees des Mittelschiffes erhielten eine Lichthöhe von 20.50 m die Gurtbogen 17.80 m. Der Fassungsraum der Kirche beträgt 3000 Personen.
Für die Disposition des Grundrisses war eine einfache klare Anlage maßgebend, welche durch Teilung des Kirchen-Innern sowohl eine Steigerung der künstlerischen Wirkung verbürgt, als auch den speziellen Anforderungen des katholischen Kultus, insbesondere mit Bezug zu dem besonderen Zweck als Pfarrkirche entspricht.
Der Eintritt in die Kirche erfolgt durch drei dimensionierte Portale an der Vorderfront; rechts und links schließen sich weiträumige Stiegen Bauten an, welche den bequemen Zutritt zum Musik- und Orgelchor vermitteln, an welche Stiegen Bauten die weit gestellten 51 m hohen Türme sich anreihen; diese Anordnung gibt der Fassade eine für die Platzgröße notwendige Breitenentwicklung und lässt andererseits die Kuppel frei zur Geltung kommen. In den 24 m langen Chor , welcher im Sinn des katholischen Kultus vollends abgeschlossen von dem Gläubigen Raum angelegt wurde, erhebt sich 1.50 m über dem Kirchenniveau der Hochaltar, so dass der unter einem Baldachin aufgebaute Altar gut sichtbar bleibt. Links uns rechts des Chores, und von den Querschiffen zugänglich, schließen sich Sakristei, Tauf- und Traukapelle an, deren Ausgänge im Falle einer Panik für die Kirchenbesucher leicht auffindbar sind. Vom Orgelchor führt der Zugang über eine Säulengalerie nach den an der Vierung Turm seitig gelegenen Emporen, welche überdies durch eine Wendeltreppe auch vom Innern der Kirche, sowie von außen zu betreten sind. Über der Sakristei und der gegen überliegenden Traukapelle sind ebenfalls weiträumige Emporen angeordnet.
Der Bau ist mit möglichster Sparsamkeit unter Verwendung von Stein und Ziegeln heller und dunkelroter Farbe durchgeführt. Türme und Kuppeln sind mit Kupfer gedeckt, während die mit flachen Dächern geschlossenen Seitenschiffe Zinkdeckung erhielten.
Der Mittelgang der Kirche ist mit einem zweigeschossigen Loggienbau überdeckt, in dessen oberen Teil die Statue des heiligen Anton von Padua Aufstellung fand, gemahnend an die Widmung der Kirche. Teilweise sind in den gegliederten Fassadeteilen Putzflächen verschiedener Färbung eingelegt, sowie Mosaikbilder mit den Bildnissen des Erlösers, der Apostel und Heiligen angebracht.
Die großen Wandflächen des Kirchen Innern werden in den unteren Teilen mit Stuckolustro, teilweise mit anderer farbigen Einlagen bedeckt, während die Teile über den schwach profilierten Trennungsgesimsen in der Stilart der alten Basilika Bauten mit figuralen und ornamentalen Darstellungen ausgeschmückt werden. Da die Anwendung von Mosaik mit Rücksicht auf die Beschränktheit der Mittel ausgeschlossen ist, wird die Darstellung in Fresko mit reicher Verwendung von Gold erfolgen, wofür die ravennatischen und frühchristlich-römischen Bauten als Vorbilder dienen. Insbesondere bietet die Einteilung und Behandlung der Flächen in Ravenna an der Galla Placidia und den Basiliken einen verlässlichen Wegweiser, wie diese künstlerisch ebenso bedeutende als schwierige Aufgabe erfolgreich gelöst werden kann. Während in S. Marco die figuralen Darstellungen unmittelbar und ohne Begrenzung in den Gold Mosaikgrund eingesetzt erscheinen, bietet Ravenna für die in unserem Fall nur durch Malerei und Vergoldung erzielbare Ausführung verlässliche Ratschläge, indem in diesen ravennatischen Bauten die ornamental-architektonische Einrahmung des Bilder Schmuckes zur Anwendung gelangt, und insbesondere statt der großen einheitlichen Goldgründe von S. Marco, solche mit farbigem Untergrund ein erwünschtes Vorbild geben. In dem Fall von St. Anton, wo die Brillanz des Goldmosaiks nicht zur Verfügung steht, würde ein einheitlicher Goldgrund, auch bei einfacher Dessinierung desselben, eine kaum befriedigende Wirkung erzielen. Mit Zuhilfenahme der ravennatischen Variante, der teilweisen Anwendung von farbigem Untergrund für die in größeren und kleineren Details einzusetzenden vergoldeten Embleme und Ornamente wird es gelingen, die gesamten der Bemalung zugewiesenen Flächen mit der unerlässlichen Goldwirkung herzustellen, ohne eine hart metallische Wirkung zu verschulden.
Ein besonderes Stadium wurde der Ausführung der Altäre zugewendet und insbesondere getrachtet, den bestehenden kirchlichen Vorschriften zu genügen. Der Hochaltar wird als Chorium-Altar mit einem Baldachin überdacht. Auf die Mensa stellt sich das untere und obere Tabernakel mit dem Aufstellungsthron, während rückwärts ein Retabl aus Stein gebaut sich erhebt, mit dem Kreuz und dem Bildnis des Erlösers, zwei betende Engel zur Seite. Denselben Grundgedanken verfolgt die Konzeption der Seitenaltäre, deren einer als Tabernakel Altar für die Erteilung des Sakramentes und für die Exposition des Sanktissimum zur Osterzeit ausgebildet wird, mit der Herz-Jesu Statue im Hintergrund, während der zweite Seitenaltar als Marienaltar, eine Marienstatue in einer Nische der Retablwand erhält.
Die Kanzel wird an dem linksseitigen Vierungspfeiler 2.25 m hoch errichtet und mit gut konstruiertem Schalldeckel versehen. Die Akustik der Kirche ist zufolge vorgenommener Proben eine vorzügliche, was sich schon aus der Anwendung der für die Hörbarkeit des Predigers günstigen Langhauskonstruktion von vorneherein schließen ließ; das wurde erreicht durch möglichst geschlossene, nicht allzu hohe Bauformen, vollen Zirkel der Gewölbe, genügend verschieden gestellte Flächen und Einbauten zur Zerstreuung der Schallwellen weiterer Reflexionsdistanz. Die Beichtstühle sind in den Seitenschiffen verteilt; ein solcher für Schwerhörige befindet sich in einer Seitenkapelle.
Der Bodenbelag der Kirch erfolgt mit Anwendung von Mettlacher Platten, jedoch nicht mit den sonst üblichen ornamentalen Zeichnungen, sondern in der Art der Marmormosaikböden italienischer Bauwerke.
Die Unterbringung der nicht täglich gebrauchten Paramente erfolgt in groß gebauten Schränken in der Empore über der Sakristei, mit der Anordnung, dass die Messkleider nicht gelegt, sondern in hängender Lage aufbewahrt werden.
Die stilistische Durchführung des Baues - gemahnt an die italienischen Vorbilder der romanischen Stilweise ohne sklavische Unterordnung.
An der Ausführung des Baues haben sich folgende Architekten beteiligt: Troll, Rehak, Hegele, Wildhack, Raschke und Stoppel.
Den plastischen Figurenschmuck leisteten Professor Düll und Bildhauer Bernard. Die künstlerische Malerei erfolgt durch Prof. von Wörndle und Maler Schönbrunner, Ornamentale Bildhauerarbeiten besorgte Bildhauer Baumgartner, die Baumeisterarbeiten Hofbaumeister Schmalzhofer, die Steinmetzarbeiten Hofsteinmetzmeister Hauser. Weiter beteiligten sich an diversen Arbeiten die Firmen: Tiroler Glasmalerei, Geyling, Novak, Biber, Beschorner, Fritz, Gössner, Formsteine und Terrakotten sind aus der Wienerberger Ziegelfabrik.
Am Sonntag, 10. November 1901 findet bekanntlich die feierliche Konsekration dieser herrlichen Pfarrkirche statt und dann wird Kardinal Dr. Gruscha in der seinem Namenspatron geweihten, neuen Kirche in Gegenwart Sr Majestät des Kaisers die erste heilige Messe lesen.
Mit der Durchführung des projektierten Kirchenbaues betraute Se. Eminenz, durchdrungen von der Erkenntnis , dass die Erbauung neuer Pfarrkirchen für das erweiterte Wien im Interesse einer geordneten und ersprießlichen Seelsorge dringend notwendig sei, im Jahr 1894 den Referenten in Kirchenbauangelegenheiten, den hochw. Domprälaten von St, Stephan, Carl Seidl, Prälat Seidl unterzog sich dieser schwierigen und ehrenvollen Aufgabe mit unermüdlichem Eifer, und schon am 10. November 1896 konnte in Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers der Grundstein zur neuen Kirche gelegt werden. Den Baugrund für Kirche und Pfarrhof widmete die Gemeinde Wien, auf deren Kosten auch die Platzausgestaltung erfolgte. Durch die huldvolle Anteilnahme und die gnädigste Unterstützung Sr. Majestät wurde die reiche Innenausstattung der Kirche ermöglicht. Die Beschreibung der Kirche wurde bereits oben erwähnt. Die Beleuchtung der Kirche erfolgt mit Gasglühlicht in Wandlaternen, der große Reifluster und verschiedene kleine Luster ergänzen und bereichern die Lichteinrichtung.
Aus Anlass der feierlichen Konsekration der St. Antonkirche hat der erste Pfarrer dieser Kirche, der auch als Schriftsteller bekannte Mathias Eisterer, eine Festschrift herausgegeben, welcher die vorstehenden Angaben entnommen sind. Die mit Illustrationen reich versehene Festschrift ist von der St. Norbertus Buch- und Kunstdruckerei sehr hübsch ausgestattet worden und bildet ein bleibendes Andenken an die Entstehung dieses schönen Gotteshauses. Der Reinertrag der Festschrift gehört dem Ausschmückung Fonds der Kirche.
Nach der feierlichen Einweihung der neuen Kirche hat Kardinal Gruscha um 2000 Kronen ein Antonisbrot für die Armen des Bezirkes gespendet.
Außerdem schenkte Kardinal Gruscha der Pfarre ein 6 cm großes Rippenstück des Titelheiligen. Weiter mussten Priester mit tschechischer Sprache gefunden werden, damit die hier aus Böhmen eingewanderten Gläubigen betreut werden konnten.
Der Zweite Weltkrieg fügte der St. Antonskirche durch die Bombardements im November und Dezember 1944 große Schäden zu. Unversehrt blieben nur die Grundmauern und die Mosaik Bildwerke an den Außenwänden. Die stattliche künstlerische Innenausschmückung war rettungslos verloren. Der Wiederaufbau konnte 1961 vollendet werden. Aber all die einstige Schönheit und Kunst im Inneren der Kirche war für immer dahin.
QUELLEN: Ostdeutsche Rundschau 11. November 1896, S 5, Zeitschrift des Österr. Ingenieur Vereines 1900 Hauptteil, S 1, Bilder, Vaterland 9. November 1901, S 1, 10. November 1901, S 7, Interessante Blatt 14. November 1901, S 8, Bilder, Bandion Steinerne Zeugen des Glaubens.
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