ST. JOACHIMSTHAL#
RADIUM FÜR MADAME CURIE
1910: An einem dieser Dezembertage wurde eine Nachricht veröffentlicht die wohl weit über die Reichsgrenze lebhaftes Interesse erregen dürfte. Staatliche wie auch private Interessenten treffen eben umfassende Vorbereitungen, um einen neuen heimischen Kurort zu gründen. Es ist das Joachimsthal im Erzgebirge das in den letzten Jahren durch die Radiumfunde im hiesigen Gebirge, Weltruf erlangte und nun zu einem Kurort für Rheumatiker, Gicht und Ischias, auch für Gelähmte, von schmerzhaften Alterserscheinungen Heimgesuchte.
Das Mittel, das diesen Leidenden in Joachimsthal die Heilung in Aussicht stellt, ist das Radium in den Bergen, das die Quellen enthalten, die von dorther reichlich strömen und für die Kranken Heilung bringen.
Die Ausgestaltung Joachimsthals zum Kurort vollzieht sich unter staatlicher Aufsicht. Von privater Seite aus wird alles unternommen um die Bewilligung zur Verwertung dieser Heilquellen zu erlangen, allein das Ministerium für öffentlichen Arbeiten, bestand auf den eminenten Wohlfahrtszweck dieser Quellen zur Übernahme in die eigene Verwaltung.
Das montanistische Terrain von Joachimsthal ist zum Teil ärarischer Besitz, zum Teil Besitz der Sächsischen Edelleutstollen-Gewerkschaft sowie des Grafen Sylva-Tarouca. Am intensivsten bearbeitet und am erfolgreichsten exploitiert ist bisher der ärarische Teil von Joachimsthal, ein überaus mächtiger Besitz von mehr als fünf Millionen Quadratmeter. Nach der Schlacht bei Mühlberg 1546-1547 verloren die Schlicks Joachimsthal an die Habsburger.
Das Erz aus dem das Radium gewonnen wird ist die Uranpechblende. 10.000 Kilogramm Uranpechblende liefern ungefähr 1 ½ Gramm Radium. Der bisherige Gewinn sind 6 Gramm Radium, die Hälfte davon überlässt man Madame Curie, den Rest bekommt die Akademie der Wissenschaften in Wien. Ein Gramm Radium hat einen Durchschnittswert von 400.000 Kronen.
Im großen montanistischen Terrain von Joachimsthal gibt es bisher sechs Quellen, drei sehr starke, werden für Kurzwecke genutzt. Die drei Quellen liefern Wasser für 450 Bäder. Ein modernes Kurhaus ist bereits im Bau Zu Anfang des 16. Jahrhunderts wurde in St. Joachimsthal, damals im Besitz der Grafen Schlick, ein reger Bergbau auf Silbererze betrieben, welche in ausgedehnten Schmelzhütten verarbeitet wurden und das Material für die Münzstätte lieferten, wo damals die ersten Taler, die Joachimstaler geprägt, daraus der Dollar entstanden ist.
Mit dem Jahr 1545 ging der Werkbesitz samt der Münze an den Staat über. Die Unruhen der Religionskriege im 16. und 17. Jahrhundert führten einen Niedergang des Bergbaues herbei, der durch die Verarmung der Erzgänge und die mit dem Vordringen in die Tiefe zunehmenden Kosten der Förderung und Wasserlösung noch erhöht wurde. Während früher nur Silber- und Kupfererze gewonnen und verarbeitet wurden, ging man mit Beginn des 19. Jahrhunderts auf die Verwertung der übrigen einbrechenden Erze, Wismut, Nickel und vor allem Uranerze allein den Gegenstand des Bergbaues bilden. Das Uranpecherz wurde bisher nur zur Gewinnung gewisser chemischer Verbindung des Urans, welches als Farbmittel für Glas und Porzellan verwendet. Bedeutung erlangte Uranpecherz erst als das Element Radium erkannt wurde, und der Bergstadt St. Joachimsthal als ergiebigste Fundstelle des Uranerzes zum Weltruf verhalf.
Aus den bei der Herstellung der Uranfarben abfallenden „Laugrückständen“ der staatlichen Farbenfabrik erstmals dargestellt. Bei näherer Untersuchung des Radiums gab es eine Reihe überraschender physikalischer und chemischer Eigenschaften, die zum Teil sehr bald für medizinische Zwecke, insbesondere zur Therapie pathologischer Prozesse der Haut, nutzbar gemacht wurde. Außer der Strahlenwirkung des Radiums werden auch Lösungen von Radiumsalzen zu Injektionen und als Zusatz zu pharmazeutischen Präparaten verwendet. Ein therapeutischer, Faktor ist ferner die Emanation des Radiums, ein Zerfallprodukt des Elementes Radium, welchem die Grubenwässer von St. Joachimsthal ihren unerreichten hohen Grad „Radioaktivität“ verdanken.
Die nach dem Projekt des Oberbaurates Eduard Zotter im Ministerium für öffentliche Arbeiten neue staatliche Kuranstalt die am 22. Oktober 1911 feierlich eröffnet werden wird, ist für alle bisher bekannten Methoden der Radiumtherapie in modernster Weise ausgestattet. Die Kosten für das stattliche Kurhaus beliefen sich auf 7 Millionen Kronen.
1912: Ab nun werden aus dem nahen Karlsbad mit einem Spezial Autodienst Kurgäste in das neue Kurhaus in St. Joachimsthal zum 5 Uhr Tee, gebracht. In der schön und imponierenden Halle konzertiert alltäglich die bekannte Wiener Kapelle C. Drescher und bei den gewinnenden Wiener Weisen vereinigt sich das internationale Kurpublikum des Radiumbades mit den Karlsbader Gästen zu einer amüsanten Teestunde. Anschließend ist eine Besichtigung des Hotels mit seiner Kureinrichtung vorgesehen.
Unter den Berühmtheiten die ab nun Joachimsthal besuchten waren Karl May, Richard Strauss. Im Jahr 1925 wurde Joachimsthal bereits von viertausend Kurgästen besucht darunter auch Marie Curie in Begleitung ihres Schülers der Pariser Sorbonne Dr. F. Behounek, der zu Joachimsthal eine innige Beziehung pflegte. Der Curie Komplex soll an diese großartige Forscherin erinnern.
QUELLEN: Wiener Salonblatt, 5. April 1913, S 5, Neues Wiener Journal, 10. März 1910, S 8, 25. Dezember 1910, S 19, 20. Oktober 1911, S 14, ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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