ST. NIKOLAUSFEST#

Ischl
Altarbild,Foto Graupp

1925: In der phantastischen Welt der Kinderseele gehört die Nikolausfeier, diese Tradition will man sich keineswegs nehmen, oder verbieten lassen, zum ersten Fest, dass die Kleinen kaum erwarten können, und die Erwachsenen ihr gesamtes Leben begleitet. Einst hatte das Nikolausfest eine eminente Bedeutung. Es erschien als Vorspiel der großen Weihnachtsfest-Epoche die mit dem Fest der heiligen Drei Könige endete.

In den Umzügen vermummter Personen am Vorabend des Heiligen erkennt man Reste der von den Römern im Dezember gefeierten Saturnalien, von Erntefesten, denen sich in den verschiedenen Ländern örtliche heidnische Erinnerungsbilder zugestellt haben. Von einer Einheitlichkeit kann daher bei dieser heiteren Veranstaltung, in deren Mittelpunkt der segenspendende Heilige steht, keine Rede sein und selbst die Namen der in diesen Umzügen hervortretenden Mythengestalten sind überall verschieden.

Der heilige Nikolaus, der als Bischof von Myra im Jahr 390 starb und dessen irdische Überreste später in Bari in Apulien bestattet wurden, wird seit der Vergangenheit in Italien und in der Levante als Patron der Schiffer und Kaufleute verehrt. Die Legende schildert ihn als großen Wohltäter der Armen, denen er heimlich des Nachts Geld unter ihr Fenster legte. Als Patron armer tugendhafter Bräute soll er, auf einem Pferd reitend, ihnen die Aussteuer des Nachts zum Fenster hinein geworfen haben. Fieser sagenhafte Zug im Leben des Heiligen, der auch in den Volksbräuchen zum Ausdruck kommt, erinnert an den segenspendenden Heidengott, den Sonnengott, bei den meisten Völkern der Antike. Volkstümlich erhielt sich St. Nikolaus als Kinderfreund, der in erzieherischer Absicht die guten Kinder mit Marzipan und Erntefrüchten beglückt und die schlimmen mit der Rute schreckt. Dieser Rute eine mythische Nebenbedeutung zu geben, ist wohl verfehlt. Die Bestrafung der schlimmen Kinder besorgt oft der Krampus, der Diener des Heiligen, eine Schreckgestalt, die an den Teufel gemahnt und überall andere Namen führt. Die Verquickung dieser zwei Gestalten mit dunklen heidnischen Erinnerungsbildern brachte jene tollen Umzüge am Nikolaus Vorabend zustande, die sich in ihrer Entartung so weit verstiegen, dass die Behörden wiederholt genötigt waren, sie zu verbieten, zuletzt um die Wende des XVIII. Jahrhunderts.

St. Nikolaus erscheint im Bischofsgewand mit dem Ketten rasselnden, rot züngigen Gesellen in der Kinderstube, prüft die Kinder und beschenkt sie mit Äpfeln, Nüssen und Bäckereien. Erscheint er nicht am Vorabend, so kommt er in der Nacht, weshalb man die Kinderschuhe aus Fensterbrett stellt, damit der Heilige die Geschenke darin ablegen kann. Der Schuhbrauch am Nikolausabend besteht auch in romanischen und slawischen Ländern. Es ist fraglich, ob dieser Schuhbrauch sinnbildlich mit dem Totenschiff in Zusammenhang zu bringen ist, eher ist er aus dem Rechtsleben der alten Völker zu erklären, denn schon im alten Testament wird der Schuh als Rechtssymbol der Schenkung, der Übergabe von Gütern erwähnt. In manchen Gegenden werden übrigens anstatt der Schuhe Körbchen, Schüsseln und Teller benutzt. Oft wird in den Schuh etwas Heu gesteckt, damit das Ross des Heiligen etwas zu fressen hat, wie es im Volksmund heißt. In den nördlichen Zonen erscheint an Stelle des hl. Nikolaus Knecht Ruprecht, über den die Forschung mehrere Erklärungen gibt. Mit dieser mythischen Gestalt sind auch besondere Bräuche verknüpft, deren Ursprung in der deutschen Heidenzeit zu suchen ist.

In manchen Gegenden war es einmal Brauch, dem Nikolaus auf dem Feld ein Licht anzuzünden, und um ihn daran zu erinnern, dass es Zeit sei, vom Himmel herabzusteigen, läutete man abends die Kirchenglocken. Das nannte man das Herunterläuten. Anderswo wurde am Abend der „Wunschzettel“ für Weihnachten an die Tür angenagelt, denn in seiner Nacht kommt der Heilige und schreibt alle Wünsche ab. Am Nikolausabend wurden sogar kleine geistliche Spiele aufgeführt, die meist aus Wechselreden zwischen Nikolaus und den Kindern bestanden und für gewöhnlich durch das große Angstgeschrei der Kinder unterbrochen wurden. Auch mit Spottliedern wurde der Kinderfreund sowohl bei den Deutschen als Romanen reichlich bedacht. Da Nikolaus viele Geschenke für die Kinder braucht, entstanden die Nikolomärkte, die besonders in Nürnberg, München und Wien zu den Sehenswürdigkeiten des Advents gehörten. Auf diesen Abendmärkten wird auch das beliebte Nikolaus Gebäck angeboten, plastische Nachbildungen aus Teig des Bischofs, des Krampus, des Rosses und allerlei Tiergestalten.

In manchen Gebirgsgegenden Österreichs erscheint Nikolaus mit der weiß gekleideten „Nikolofrau“, dem Krampus und der sagenhaften Habergeiß. Die weiß gekleidete „Nikolofrau“ erinnert an die weiße Totenmutter, an die germanische Perchta, die in den Rauhnächten am Geisterzug teilnimmt. Die Habergeiß, die gewöhnlich als Naturgeist geschildert und mitunter sogar mit dem Teufel identifiziert wird, ist, wie einige mit ihr verbundene Volksbräuche beweisen, ein Zerrbild der Segen spendenden Ziege, die besonders bei den Kelten, Griechen und Römern als heiliges Tier hoch verehrt wurde. Spuren dieser Heiligkeit findet man noch in jedem Bauernhaus. Hat der Bauer Vieh im Stall, so muss dabei eine Ziege sein. Er weiß dies nur damit zu begründen, dass es gut fürs Vieh ist. Ebenso steht es mit der heiligbringenden Wirkung der Ziegenmilch, des Ziegenblutes, des Fettes usw. Dieses heilige Tier der antiken Völker ist zu einem Popanz entweiht worden, der als hölzerner Ziegenbockkopf, getragen von einem oder zwei, mit einem Leintuch umhüllten Burschen, bei jeder Gelegenheit allerlei Ulk treiben muss.

In Schwaben war es einmal üblich, dass das Nikolausfest zwei Nächte hindurch gefeiert wurde. In der ersten Nacht gingen die Knechte, in der zweiten die Herren als Klausen oder „Klausbauf“ in schrecklichen Gestalten von Haus zu Haus mit der Drohung, die bösen Buben einzusacken und mitzunehmen, während die braven ihre Leckerbissen erhielten. Noch heute werden diese beiden Nächte für unheimlich gehalten, wenn wie das Volk sagt, ist es nicht allein der gute Heilige, der umgeht, sondern auch ein anderer, der sein böses Spiel treibt. Und dazu erzählt die Sage, dass einmal achtzehn ledige Burschen des Nachts in der Schmiede des Dorfes zusammen kamen, um den „Klaubauf“ zu spielen. Wie sie einander zählten, ob alle beisammen wären, war es immer eine mehr als achtzehn. Da schauten sie einander verwundert an und bemerkten endlich, dass einer Bockfüße hatte. Erschrocken gingen sie auseinander und seitdem war's aus mit dem „Klaubaufspiel“.

QUELLE: Radio Wien, 6. Dezember 1925, S 9, ANNO Österreichische Nationalbibliothek.

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