TÜRKISCHE ANDENKEN#
Spaziert man durch die Innere Stadt so entdeckt man an so mancher Häuserecke ein Wahrzeichen aus längst vergangenen historischen Zeiten, die nicht der Vergessenheit anheimfallen dürfen. Es erinnert an ein weltgeschichtliches, dramatisches Ereignis in Wien, dass sich hier 1683 abspielte. Heerscharen von Osmanen umzingelten die Stadt und wollten sie erobern. Doch die Gefahr wurde noch rechtzeitig gebannt, die Türken, alles zurücklassend, mussten die Flucht ergreifen, Wien verwüstet, ein Trümmerhaufen, holte all seine Versäumnisse nach mit prächtigen Barockbauten, befreite sich allmählich von seiner Enge und blühte auf zu einer der schönsten Residenzstädte der Welt. Doch einige bestimmte Erinnerungen blieben, und erinnern an den unliebsamen geschichtlichen Zwischenfall der Belagerung. Hin und wieder waren noch Türkenkugeln, ein Kriegsrelikt von damals zu finden die in alten Häusern eingemauert waren.
Im Haus Sterngasse 3 ist ober dem Tor des Hoftraktes ein von Eisenbändern umschlossener schwerer Stein an der Wand befestigt und wie die Inschrift besagt: „Anno 1683 Jahr dem 20.Juli ist dieser Stein aus einem Mörser von dem Tyrck her aus der Leopold Statt hereingeworffen worden, wegt 79 Pfund.“ Im 19. Wiener Bezirk, vor dem Haus Sieveringerstraße 99, liegen drei auf Sockeln aufgemauerte Steinkugeln mit der Inschrift: „Anno 1683 sah ich auffliegen diese Kugeln“
Am einem Haus in der Gersthofer Straße 133 gibt es eine weitere Erinnerung an die Belagerung der Türken in Wien, die Votivtafel zeigt folgende Inschrift: „Im 1683igsten Jahr ins Land kham wurden die Bildnissen Gottes zerstert, diese aber blibe ganz unversert. 16 Ano 87.“
In Wien XIX., Hackhofergasse 1, wird man davon informiert, dass das stattliche Haus 1685 renoviert werden musste, da die Beschädigungen der unliebsamen und ungeladenen Gäste sehr viel Schäden anrichteten. Das „Moldauerkreuz“ beim alten Gatterhölzl in Meidling war ein Andachtszeichen, das ein Anführer im belagernden Heer, Fürst Serban II., Cantacuzenos, für seine christlichen Moldauer hatte errichten lassen; es wurde übrigens 1785 in der Josephinischen Zeit, als der historische Sinn einen Tiefstand erreicht hatte, gestohlen und es blieb nur die Kapelle übrig, die später zum Schutz des Holzkreuzes erbaut worden war.
Selbst beim Wahrzeichen Wiens, dem Stephansdom hatte man ein türkisches Andenken hinterlassen, denn auf seiner Turmspitze befanden sich ursprünglich Mond und Stern, die vom Papst und Kaiser als Sinnbilder gedeutet wurden und dann noch nicht anstößig waren, als 1529 anlässlich der ersten Türkenbelagerung als die Insignien des Erbfeindes kennenlernte. Nach der zweiten Türkenbelagerung aber war der alte Sinn der Embleme sichtlich vergessen und als der Dachdecker Ressytko 1686 statt dem ominösen Turmschmuck ein Kreuz als wahre Befreiung anbrachte, das später beim neuen Aufbau des Stephansturms durch Dombaumeister Schmidt 1864 durch einen beweglichen Doppeladler ersetzt wurde.
Eine weitere Erinnerung findet man in der Seilerstätte 10, geschmückt mit einem steinernen Türkenkopf als „Zum Türken“ bekanntes Haus. Oder Tabak Trafiken waren einst durch Ladenschilder mit rauchenden Türken gekennzeichnet.
Beim Hauszeichen „Zum Heidenschuß“ an der Ecke der Strauchgasse wird daran erinnert, dass Bäckergesellen auf eine türkische Mine gestoßen waren und in der Neustiftgasse 32, befindet sich das Reiterstandbild des türkischen Großwesirs Kara Mustapha dessen Zelt hier errichtet worden war.
Unter dieser türkischen Vielfältigkeit durfte natürlich der Kaffeesieder Georg Kolschitzky nicht fehlen, der ein Kaffeehaus in der Favoritenstraße eröffnete. Emanuel Pendl war es der 1885 die Figur des Kaffeesieders herstellte
Persönlichkeiten aus dieser Zeit zierten einst die Elisabethbrücke, nun stehen diese Herrschaften vor dem Rathaus am Ring: Graf Ernst Rüdiger Starhemberg vom Bildhauer J. B. Feßler, Erzbischof Graf Kolonits von Vinzenz Pilz, und schließlich der damalige Bürgermeister Johann Andreas von Liebenberg vom Bildhauer Johann Silbernagl.
Allen um den Sieg verdienten Persönlichkeiten ist das anlässlich der Zweihundertjahrfeier 1883 gestiftete und von Edmund Hellmer 1894 beendete Türkenbefreiungsdenkmal im St. Stephansdom gewidmet, das im Zweiten Weltkrieg sehr beschädigt worden ist.
Einer der schönsten und großartigsten Parkanlagen, der Türkenschanzpark , der 1888 im 18. Bezirk errichtet, ist ein nachträgliches Andenken an diese Schreckenszeit.
QUELLE: Radio Wien, 8. September 1933, S 18, Bilder, ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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