TOMATEN#
Mit Tomaten, besser unter Paradeiser bekannt wird man das ganze Jahr verwöhnt, sie zählen zur Familie der Nachtschattengewächse und sie sind in verschiedenen Variationen zu bekommen. Außerdem sind die roten Lieblinge sehr gesund.
Das scheint man bereits 1887 erkannt zu haben, denn in der Salzburger Chronik war zu lesen: „Ein Schutzmittel gegen epidemische Krankheiten. Wie die Australische ärztl. Zeitung berichtet, ist der Genuss der Tomaten (Paradiesäpfel) ein vorzügliches Schutzmittel gegen allerlei epidemische Krankheiten, wie Cholera, Typhus, Wechselfieber usw. - Man hat schon längere Zeit beobachtet, dass Getreide, unter welches am Stock getrocknete Tomaten gemischt waren, von Rost, Pilzen und Fäulnis frei blieb und dadurch aufmerksam gemacht, beobachtete man die Wirkung des Genusses der Tomaten in gekochtem und ungekochtem Zustand auf Menschen und Tiere. Gekocht äußerten die Tomaten die oben angegebene heilsame Wirkung, ungekocht aber verursachte der Genuss größerer Quantitäten Krankheits Erscheinungen. Die Ursache dieser pilzkeimtötenden Eigenschaft der Tomate ist in deren bedeutendem Schwefelgehalt zu suchen. Aber auch von ihren medizinischen Eigenschaften abgesehen, sind die Tomaten ihres angenehmen Geschmackes wegen zu Saucen und Salaten nicht genug zu empfehlende Früchte. In Griechenland darf die Tomate in keiner Haushaltung fehlen; die griechische Hausfrau hat für die Zeit, wo es an Früchten fehlt, stets einen großen Vorrat derselben in dick eingesottenem Zustand.
Die nächste Veranlassung so die Villacher Zeitung im Jahr 1907 zu diesem Essay bietet uns ein Konkurrenzausschreiben, welches die Welt Fachschrift „Küche und Keller“ in Hamburg veröffentlicht und womit Berufene aufgefordert werden die brauchbarsten Rezepte für Tomaten und Rhabarber einzusenden, welche dann von einer Jury von Köchen als Preisrichter, beurteilt und von dem Ausführenden Herrn Robert Landauer in Gesundbrunnen bei Würzburg prämiiert werden und und zwar mit dem ausgesprochenen Vorsatz, diese beiden Vegetabilien als Volksnahrung in der deutschen Küche einzubürgern, wir selbst bleiben „hors concours“ und wollen bloß aus Liebhaberei einige Beiträge liefern, da das Thema interessant ist und es sich der Mühe lohnt, sich zu beteiligen.
Wenn wir sagen Volksnahrung, so ist das nicht so zu verstehen, als ob die Tomate oder der Paradeis an und für sich eine nahrhafte Speise böte, sie ist im Gegenteil gar nicht nahrhaft, dafür aber sehr schmackhaft und trotz einem Überschuss von Oxalsäure, sehr gesund. Der große Gehalt von dieser Substanz kann allerdings, bei übermäßigem Genuss zur Verkalkung der Organe beitragen, so sagen die Ärzte; dagegen wirkt sie äußerst vorteilhaft auf die Leber und trägt zur Erfrischung des Teints, überhaupt zu einem gesunden Aussehen bei, also, Achtung, meine Damen!
Die Tomate ist vielmehr als eine Universal-Würze zu betrachten, welche der niederen oder Volksküche des Südens ein eigenes Gepräge verleiht.
Heute ist die Tomate in der italienischen, südfranzösischen , spanischen und orientalischen Küche ebenso unentbehrlich wie die Zwiebel, obwohl diese Frucht, oder Gemüse, wie man die Tomate nennen will, erst vor 200 Jahren in Europa aus Südamerika eingeführt worden ist. In Paris erschienen die ersten Tomaten zur Zeit der großen Revolution, wo sie die Jakobiner aus Marseille mitbrachten und galten als eine teure und seltene Delikatesse; selbst in Norditalien datiert die allgemeine Popularität der Tomate und der Massengebrauch derselben, erst seit etwa 100 bis 125 Jahren und ist mit der italienischen Küche unausrottbar verwachsen bis zum unsinnigen Missbrauch.
In England ist sie in den letzten 30 Jahren allgemein und populär geworden und zwar so sehr, dass man sie dort nicht nur als Salat roh verspeist, sondern überhaupt roh genießt, ohne alle Zutat.
In vielen Gegenden Deutschlands ist sie noch unbekannt, was jammerschade ist.
In den deutschen Grenzprovinzen Österreichs, dann in den größeren Städten Graz, Wien, Prag, Innsbruck, Klagenfurt hat sie sich allmählich verbreitet, leider nur als Paradeis-Sauce, zum Rindfleisch, in welcher die Wiener Köchinnen exzellieren; aus Mehl, verbrannten Zwiebeln, Zucker, Fett und wenig Paradeismark , das schmeckt wie Ochsenblut und der menschliche, gesunde Geschmack muss davor zurückschaudern.
Jedes Mal, wenn man uns in alpinen Touristenhotels diesen abstoßenden Mischmasch auftischt, wünschen wir die Tomaten dorthin wo der Pfeffer wächst.
Von der Naivität und Ignoranz gewisser nichtswürdiger Küchengeister, hinsichtlich der Verwendung der Tomate, wollen wir folgendes Exempel erzählen, das wir in der Welt Saisonstadt Salzburg unlängst in einem sogenannten Hotel erlebten: Wir befahlen Reissuppe mit „Paradeis“, besorgten die frischen Früchte selbst, lieferten sie in der Küche ab und erklärten vorsichtshalber die Verwendung derselben; darauf erhielten wir eine zu Schleim eingekochte, nach Knochenleim riechende Reissuppe in einer Terrine und gleichzeitig auf einer Extra-Untertasse drei Stück in Wasser weich gekochte Tomaten Tableau! So geschehen in Salzburg 1906 .
Nun kamen wir nach Villach und im Hotel Post erwartete uns eine Überraschung. Ein Lungenbraten Gulasch, das mit Tomatenmark und anderen feinen Zutaten bereitet war, ein Meisterwerk.
In der Hauptsache ist und bleibt die Tomate eine unschätzbare Würze, eine Geschmack gebende Zutat zu gewissen Speisen, an die man sich gewöhnt und sie nicht mehr missen möchte.
1917 weiß man über die Tomate, deren Heimat Südamerika ist, und in den Küstengebieten von Peru ist sie noch jetzt wildwachsend anzutreffen, die Früchte sind jedoch kleiner. In Europa ist sie seit dem 16. Jahrhundert bekannt und man nannte sie damals peruanischer Apfel. In den verschiedenen englischen Kolonien wird sie jedes Jahr in großem Umfang herangezogen. Auch in Italien sind große Flächen mit Tomaten bebaut.
Bei der Fettknappheit ist die Tomate häufig auch als Brotbelag genossen worden. Ausreichend mit Zwiebel und etwas Pfeffer und Salz bestreut, hat sie einen außerordentlich erfrischenden Geschmack.
Ihren eigentlichen Wert erkannte man erst, als während der Lebensmittelknappheit die Wissenschaft sich allenthalben mit den Fragen der Ernährung genauer zu beschäftigen gezwungen war und die Vitamine entdeckt und in ihrer Wichtigkeit erkannt waren. Diese unbedingt nötigen Ergänzungsstoffe sowie auch die Nährsalze fand man in reichlicher Menge gerade in den Tomaten
1927: Wer weiß in Wien, dass die Paradeiser zu den nahrhaftesten Gemüsen zählen? Dass sie in sehr vielen Ländern roh gegessen werden. Es gibt Kinderärzte, die vom Nährgehalt der Tomate so viel halten, das sie die wunderschöne Frucht den Kindern als Lebertran Ersatz verschreiben, wenn sich die kleinen Patienten an den unangenehmen Geschmack der fetten Medizin nicht gewöhnen können: die Tomate ist stark an Vitaminen und besonders gesund im rohem Zustand.
So manche Hausfrauenzeitung bringt nun für die Hausfrau und Köchin Rezepte deren Bestandteil die Tomate ist, damit sie außer den gewohnten und üblichen Gerichten Neues ihren Lieben vorsetzen könne.
QUELLEN: Salzburger Chronik 28. September 1887, S 3, Villacher Zeitung 18. April 1907, S 7. Freiheit 11. August 1931, S 5, Neue Zeitung 1. September 1917, S 6, Das kleine Blatt 20. Juni 1927, S 8, ANNO Österreichische Nationalbibliothek.
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