WIENER MOLKEREI#

Prater
Bau 2 Millionen Kronen

Die Wiener Molkerei ist eine registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung und hat ihre Hauptniederlassung im dritten Bezirk, Pragerstraße 4, 6, 8. Sie wurde am 1. September 1881 in Betrieb genommen. Gegründet wurde sie von mehreren Gutsbesitzern,. Herrschaften und Gutspächtern, um dem Konsumenten ihre eigenen Molkerei-Erzeugnisse, als gerahmte Milch, wie sie von der Kuh kommt, ferner entrahmte süße Milch, süßes Obers usw. frisch und unverfälscht und bei bester Qualität zu liefern.

Die Wiener Molkerei entrahmt die Milch mittels eines eigenen Zentrifugalverfahrens und zwar 3000 Liter pro Stunde. Die Genossenschaft hat ihr Etablissement in der Pragerstraße nach dem Vorbild der größten Molkereien Deutschlands auf den En-gros Betrieb eingerichtet.; sie besitzt sechs große Zentrifugalmaschinen zum Reinigen und entrahmen der Milch, Filialen in allen Bezirken und verwertete seit der Betriebseröffnung am 1. September 1881 bis Ende Dezember 1883 6 Millionen Liter Milch, und gegenwärtig 10.000 Liter täglich. Am 20. Jänner 1884 nachmittags besichtigte Erzherzog Carl Ludwig das Hauptetablissement der Wiener Molkerei in der Pragerstraße, welche auf der Triester Ausstellung 1882 und der Wiener Kochkunstausstellung 1884 mit dem Ehrendiplom prämiiert wurde.

Für Berlin ist ab 1. August 1887 die neue Polizeiverordnung über den Fettgehalt der Milch in Kraft getreten. Von den Milchpächtern und den vielen Gutsbesitzern ist verschiedentlich dagegen Protest eingelegt worden.

Zunächst hat sich die gemeinsame Verarbeitung und Verwertung der Milch Bahn gebrochen, wobei der richtige Gedanke maßgebend war, dass der kleinere Milchwirt sich die Vorteile des Großbetriebes nur zu Teil werden lassen kann, wenn er die in seiner Wirtschaft erzeugte Milch nicht selbst verarbeitet, sondern wenn dies an einem Zentralpunkt geschieht. Waren auch schon vor Einführung der Milchzentrifuge gemeinsame Molkereien, in Schweden und in Ostpreußen vorhanden, so datiert doch die allgemeine Verbreitung der letzteren erst von der Erfindung der Entrahmungsmaschinen an.

Am Österreichischen Molkereitag im Februar 1904 wurde ausgeführt, dass für die Fütterung der Milch an die Kälber bis heute noch kein Ersatz geschaffen wurde. Vielleicht sollte die Aufzucht nach Vollmilch durch Magermilch ersetzt werden.

Ein anderer Sprecher hob die Wichtigkeit der Magermilch für die Schweinefütterung hervor, damit wurde diese gut verwertet. In Dänemark wird mit Magermilch Butter erzeugt. Je weiter sich das Molkereiwesen entwickle, desto mehr steigere sich auch der Fleischbedarf, und der Deckung desselben sollte man mehr Aufmerksamkeit schenken.

Der nächste Weg zur Verwertung der Magermilch ist die Bereitung von Topfen. Man ging deshalb zur Erzeugung von Kasein zu technischen Zwecken über, Die Schwierigkeiten der Einführung waren groß. Alle bis jetzt erzeugten Produkte hatten große Mängel, insbesondere litten sie an großer Sprödigkeit und konnten daher schwer verwertet werden. Heute sind diese Schwierigkeiten in der Hauptsache überwunden und es werden 20.000 Liter Magermilch darauf verwendet. Das Kasein wird nach Prag geführt, dort getrocknet und verkauft. Eine weitere solche Fabrik ist in Kremsier. Andere Molkereien lassen sich in Österreich nicht herbei.solche Artikel zu erzeugen. Dagegen hat die ungarische Regierung die Molkereien unterstützt, um sie in dieser Richtung anzueifern, während sich bei uns niemand ihrer angenommen hat. Die Verwertung ist nicht sehr hoch, aber es bleibt die Molke zurück. Dieselbe ist bei hoher Temperatur pasteurisiert, daher länger haltbar, und hat einen sehr hohen Futterwert, weil noch Eiweiß und Milchzucker enthalten ist. Daher hat in diesen Bezirken die Schweinehaltung zugenommen. Bei der Molkerei wurden in Pilsen 70 bis 80 % der Magermilch von den Genossen zurückgenommen. Nun kam ein Versuch von Kälberrahm, um die Verwertung zu erhöhen. Besonders im Waldviertel sei die Schweinezucht im Aufschwung begriffen.

Bei den Molkereien reißen sich die Leute um die entrahmte Milch. Bei einem niederösterreichischen Kasino wird die entrahmte Milch sogar um 4 Heller zurückgekauft und eine Verwertung von 6 Heller erzielt. In Wien ist noch viel zu wenig Werbung für den Genuss von Magermilch gemacht worden. Die Frauen in Wien verstehen unter Magermilch vielfach eine entwässerte, mindere Milch, würde man sie als entrahmte süße Milch bezeichnen, so müsste sie bei entsprechendem Preis, etwa 8 Heller, genug Abnehmer unter den ärmeren Familien finden. Man sollte die Magermilch auch dem Militär anbieten.

Käsebesitzer Michelitsch aus St. Rupprecht an der Raab fragte an, ob Magermilch im Sommer in kleiner Menge eventuell auch auf Kevir verarbeitet werden könnte, eine Frage die bejahend beantwortet wurde.

Die Milchwirtschaft hat in den letzten Jahren unleugbar große Fortschritte gemacht, doch ist sie in Österreich noch lange nicht auf jener Stufe, welche in anderen Ländern bereits zukommt. Die in Österreich erzeugte Milchmenge mit etwa 500 Millionen Kronen bewerten, während der Wert des Getreide etwa mit 832 Millionen Kronen zu beziffern ist.

Die Einzelbetriebe sind naturgemäß sehr verschieden. Wir finden sie von der einfachsten Form der Bauernwirtschaft bis zum Großgrundbesitz mit den modernsten Molkereibetrieben. Der kleine Landwirt muss seine Milch und die daraus erzeugten Produkte noch vielfach an den Zwischenhändler, der dieselben natürlich zu niederen Preisen übernimmt, während die Großbetriebe den Vorteil des Großhandels teilnimmt. Die Einführung der Handseparatoren im Kleinbetrieb hat zwar sehr vorteilhaft gewirkt, doch wurden damit die Nachteile desselben die Verschiedenheit der erzeugten Ware, das Angewiesensein beim Zwischenhändler nicht aufgehoben.

Das Genossenschaftswesen im Molkereibetrieb blickt in Österreich auf eine langjährige Entwicklung zurück, denn schon in der Vergangenheit bestanden in den Alpenländern kleine Molkereigenossenschaften, die nur auf mündliche Überlieferungen und Abmachungen stützten.

Wie sehr sich das Molkereigenossenschaftswesen sich in Österreich entwickelt hat zeigt, dass in Österreich 1887 erst 75 Molkereigenossenschaften bestanden, während es 1902 bereits 1639 gab, davon der größte Teil in Tirol und Vorarlberg mit 1150, 490 auf die übrigen Kronländern entfielen. 1902 wurden zirka 230 Millionen Liter etwa 4.5% der gesamten Milchmenge verarbeitet.

Die Entwicklung der Molkereigenossenschaften war besonders durch einzelne Gesetze beeinflusst, nämlich das Gesetz über die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 9. April 1873, das Gesetz betreffend die Abänderung der Erwerbs- und Einkommensteuer, das Gebührenäquivalent, das Erwerbssteuergesetz vom Jahr 1896 und das Gesetz betreffend die Revision der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom Jahr 1903. Die durch Abg. Licht und Genossen 1896 eingebrachte Reformvorlage zum Gesetz vom 1873 ist bisher unerledigt geblieben, und ebenfalls schon reformbedürftig. Ferner muss auch das Rekursrecht auf die Genossenschaftsverbände und die landwirtschaftlichen Zentralstellen ausgedehnt werden.

Was die Statuten einer Molkereigenossenschaft betrifft, so sollen diese die Grundsätze der Verwaltung, die Rechte und Pflichten der Mitglieder und einen Auszug aus den gesetzlichen Bestimmungen enthalten.

In Österreich wird viel über den Mangel an genossenschaftlichen Geist geklagt und es wurde vorgeschlagen, den genossenschaftlichen Unterricht in den landwirtschaftlichen Schulen einzuführen, populäre Schriften über das Genossenschaftswesen herauszugeben und durch die Wanderlehrer auf die Bevölkerung einzuwirken; es sind alles geeignete Mittel aber die beste Schule bleibt die Genossenschaft selbst.

1906: Wir beginnen unsere Rundschau der Wiener Industrie-Etablissements mit einem der hervorragendsten und um die Approvisionierung Wiens hochverdienten Etablissement, der Wiener Molkerei.

Obwohl die im Jahr1880 zum Zweck der Gründung der „Wiener Molkerei“ erfolgte Vereinigung der hervorragendsten Herrschafts- und Wirtschaftsbesitzer Niederösterreichs von Anbeginn an die Gewähr für die Beistellung von gesunder, nahrhafter und unverfälschter Milch bot, hatte man dennoch gegen die in jeder Art grundlose Verdächtigung anzukämpfen, als ob die Milch auf chemischem und maschinellem Weg künstlich erzeugt würde. Diese Verdächtigungen, von einer wenig skrupulösen Konkurrenz ausgestreut, besiegt und bei dem Publikum die richtige Beurteilung der segensreichen Tätigkeit der Molkerei erreicht zu haben, ist ein Verdienst des im Jahr 1882 an die Spitze des Vorstandes berufenen Rudolf Freiherrn von Doblhoff, unter dessen von einer bewährten Mitarbeiterschaft unterstützten Leitung das Etablissement eine der ersprießliche Wirksamkeit entwickelte, dass der Geschäftsrahmen von Jahr zu Jahr an Vergrößerung gewann. In welch steigender Progression sich das vollzog, zeigt ein Vergleich der Produktionszahl des Gründungsjahres mit derjenigen des abgelaufenen Betriebsjahres 1905. Während nämlich im Jahr 1881/82 der Jahresumsatz von Milch und Obers schon 1, 935.911 Liter trug erreichte derselbe im Geschäftsjahr 1904/05 die kolossale Höhe von nahezu 19 Millionen Liter, eine Zahl, die sich im laufenden Jahr allem Anschein nach auf 22 Millionen steigern wird.

Bei den bedeutenden Aufschwung, den die Wiener Molkerei jährlich nahm, hatten die alten Betriebsgebäude ausgedient, den sie wurden ihren Ansprüchen nicht mehr gerecht.

Das neue Prachtgebäude im Prater, an der Stelle, wo einst die weite Sängerhalle sich befand. Ein imponierender, edler Renaissancebau auf einen Areal von rund 10.000 m² der äußerlich schon auf den unerreicht dastehenden Molkereibetrieb schließen lässt. Die Brüder Drexler waren als Architekten für den Bau verantwortlich. Der überwältigende Eindruck den dieses Gebäude wie auch das Innere auf jeden der Besucher ausübte, Zweckmäßigkeit und Gediegenheit der Einrichtungen, Übersichtlichkeit des Betriebes, Sauberkeit und Eleganz der Ausstattung sind die hervorragenden Merkmale dieser Musteranstalt. Dieses so angenehme Resultat hatte man dem Betriebsdirektor Kaiser zu danken.

Die Milchabfertigungshalle, war nicht nur das Herz der Molkerei sondern auch ein sehenswertes modernes Objekt indem die Milch zur Verteilung kam. Imponierend das Getriebe, das von 9 Uhr abends bis 2 Uhr morgens entwickelt, das muss man gesehen haben.

Sehenswert war auch die Flaschenfüllung und Plombierung, die sich im vorderen Teil der Milchabfertigungshalle abspielte. Die „Wiener Molkerei“ hat den größten Flaschenbetrieb der Welt. Jede Nacht werden nämlich 40.000 bis 45.000 Flaschen gefüllt. Etwa 70 geschulte Personen verrichten mit Hilfe von fünf Füllmaschinen die ganze Arbeit in wenigen Stunden.

Eine weitere Spezialität bildete die Butterei. In einem luxuriös ausgestatteten Raum wird die zur Berühmtheit gelangte Wiener Teebutter erzeugt. Selbstverständlich wird hier, ebenso wie in die Käserei, nur in der mustergültigsten und rationellsten Weise vorgegangen.

Die Bereitung der Säuglingsmilch interessierte vor allem die Mütter. Ein Produkt, das die „Wiener Molkerei“ mit Stolz erfüllt. Diese Milch kam in ihrer Zusammensetzung der Muttermilch sehr nahe, dass sogar der große Kinderarzt Prof. Monti der in der Kinderbrutanstalt der Jubiläumsausstellung 1898 als erfolgreiches Nahrungsmittel für frühgeborene Kinder eingeführt.

Das gesamte Personal der Wiener Molkerei ist unter Kontrolle eines eigens angestellten Hausarztes. Und auf den Gütern der Genossenschaftsmitglieder sind zahlreiche Tierärzte tätig, um den Gesundheitszustand der nahezu 12.000 Stück zählenden Kühe zu überwachen.

Für den funktionierenden Betrieb der „Wiener Molkerei“ sind 600 Angestellte erforderlich, der Verkauf wickelt sich in 132 Filialen ab, in Wien sowie in den Sommerfrischen der Umgebung. Während beim Zustelldienst 400 Menschen benötigt werden, 100 Wagen mit 154 Pferden und 133 Handwagen in Verwendung stehen. Für die Arbeiter und Beamten gibt es verschiedene Einrichtungen die völlig selbstverständlich sind.

Nach dem Urteil berufener Fachleute des In- und Auslandes steht fest, dass die „Wiener Molkerei“ als unerreichtes Vorbild für städtische Molkereien gelten darf, dafür sprechen auch die zahlreichen Auszeichnungen die sie bei diversen Ausstellungen erhalten und als höchste Auszeichnung bekam das Unternehmen im Mai 1903 in Hamburg die große goldene Medaille.

QUELLEN: Wiener landwirtschaftliche Zeitung, 20. Februar 1904, S 3, Wiener Vorstadt Presse 28. Jänner 1887, S 2, Wiener Montags Presse, 9. Juli 1906, S 4. ANNO Österreichische Naionalbibliothek.

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Hinweis:

Wiener Molkerei (Bilder)

Molkerei (AustriaWiki)