YACHT MIRAMAR#
1894: Vor einigen Tagen, so schreibt ein Mitarbeiter der „N. Fr. Pr.“, am Sylvestertag des soeben abgeschlossenen Jahres, traf ich mit österreichischen Kameraden, den Offizieren der nun seit sieben Monaten an der Schichau Werft in Danzig liegenden kaiserlichen Yacht „Miramar“, bei den strahlenden Kerzen eines deutschen Weihnachtsbaumes zusammen. Es waren fröhliche, treffliche Menschen die auf dem Schiff auch während des Festes zu tun hatten, denn kurz nach Weihnachten trafen aus Pola an zwei aufeinander folgenden Tagen sechzig Mann Besatzung ein,. so dass die Yacht jetzt komplett ist und im Ganzen über eine Bemannung von 160 Mann verfügt. Es waren schmucke Soldaten; die truppweise von der Bahn geführt wurden und in ihren kleidsamen Trachten Aufsehen erregten. Unten an der Schichau Werft, die auch bei unseren österreichischen Kameraden einen guten Ruf genießt, da liegt die Kaiser Yacht und harrt nach ihrem nun fast vollendeten Umbau des Befehles. Danzig zu verlassen und der Kaiserin wieder zur Verfügung gestellt zu werden. Hier verlautet, dass noch vor dem 15. Jänner die „Miramar“ in See stechen werde. Gestern, 30. Dezember, wurde bereits eine Probefahrt nach der See hinaus unternommen, und das Resultat war ein treffliches.
Die liebenswürdigen österreichischen Offiziere, für welche nun auch die Scheidestunde schlägt, können nicht genug die Gastfreundschaft unseres alten Danzig und die vielen Aufmerksamkeiten der Schichau Beamten rühmen. Mit ihrer Erlaubnis stattete ich der „Miramar“ einen Besuch ab. Es war gegen 5 Uhr Nachmittags. Schon von fern grüßte das elektrische Licht, mit dem die Yacht jetzt auch versehen ist, aus großen Bogenlampen herüber und ließ das weiße und reich in Gold gezierte Schiff nur noch glänzender erscheinen. Soeben hatte der Oberpräsident unserer Provinz, der frühere Staatsminister von Gossler, mit einer kleinen Gesellschaft die Räume der Yacht besichtigt und sich in außerordentlich schmeichelhaften Ausdrücken zu dem Kommandanten derselben, dem Linienschiffskapitän Franz Ritter von Perin, der seit einigen Wochen erst das Kommando übernommen hat, und dem Linienschiffsleutnant Sellner, der während der sieben Monate des Umbaues das Kommando führte und den Bau leitete, über die Einrichtung der Yacht ausgesprochen. Außer den genannten Offizieren lernte ich auch die übrigen Herren ; nämlich die Linienschiffsleutnants Morelli, Ferenczy und Schanzer sowie die Ingenieure Totz und Michel kennen.
Der Umbau des Schiffes ist hier so vorgenommen worden, dass nämlich das ganze Schiff bis zum zweiten Zwischendeck mit Ausnahme der Außenhaut und unter Verwendung des brauchbaren Materials neu umgebaut worden ist. Um den Proviant zu konservieren, ist eine Eisbereitungsmaschine und Kühlanlage auf dem Schiff, ferner eine Badeeinrichtung mit Süß- und Seewasser. An Bord befindet sich auch ein Signalapparat vom Linienschiffsleutnant Sellner, der in allen Marinen eingeführt und gegenwärtig das einzige Mittel ist, um zur Nachtzeit den Verkehr und die Kommandos zwischen den Schiffen zu vergleichen. Die kaiserlichen Gemächer nehmen in dem Schiff nur einen geringen Raum ein. Die elegante Treppe führt vom Oberdeck zunächst in einen Speisesaal, der durch zwei Luster mit je acht Glühlampen und außerdem noch durch zehn Lampen in den Ecken glänzend erhellt wird. In den vier Nischen des Saales stehen kleinere zierliche Buffets, an den Saal stoßen rechts die Gemächer des Kaisers, links jene der Kaiserin. In dem kleinen Arbeitszimmer des Kaisers steht ein kleiner, bequemer Schreibtisch und eine Chaiselongue, das ist alles. Daran stößt das ebenso einfache Schlafzimmer. Um das Schaukeln des Bettes zu verhüten, wurden in die Matratze einige Zentner Blei eingenäht. Heller sieht es in den Appartements der Kaiserin aus. In ihrem kleinen Salon herrscht die rote Seide vor, von demselben Stoff sind auch die Potieren. Da findet sich ein kleiner Divan, ein kleiner Schreibtisch, ein kleines Buffet. Im Schlafzimmer steht auch ein Spiegel, der durch einen Mechanismus aus der Wand hervortreten kann. An die kaiserlichen Gemächer schließen sich die Räume für die Suiten und die Dienerschaft. Mit großer Bequemlichkeit ist die Hofküche eingerichtet; mächtige Feuerungen, Leitungen und Spülungen, Eiswasserreservoir sind zu jedem Zweck zur Hand.
Auf dem Deck befindet sich ein kleiner reizender Blumenpavillon, austapeziert mit hellen Seidenstoffen in den zartesten Mustern. Dort soll die Kaiserin beim Ausblick auf die See ungestörte Ruhe genießen können. Aus der alten „Miramar“ ist eine neue Kaiser Yacht entstanden und man kann der Schichau Werft die Anerkennung für diese schöne Arbeit nicht versagen.
QUELLE: Dillinger Reisen der ÖNB, Bildmaterial I. Ch. Graupp
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