Literatur- und kulturgeschichtliches Handbuch der Steiermark im 19. Jahrhundert online
Lexikon Marie Geistinger

Marie Geistinger

Fotograf: Fritz Luckhardt
(1843–1894)

Porträtsammlung Manskopf, UB der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Quelle: Wikipedia

 

Geburtshaus von Marie Geistinger

Geburtshaus von
Marie Geistinger
Graz, Wickenburggasse 9

© Margarete Payer, 2011

Impressum

Geb. 26. Juli 1836 in Graz (Steiermark), gest. 29. September 1903 in Klagenfurt (Kärnten).
Sängerin, Schauspielerin, Theaterdirektorin.

Marie Geistinger wurde als Tochter des am deutschen Theater in St. Petersburg engagierten Opernsängers Nikolaus Geistinger und dessen Frau Charlotte, Tragödin ebendort und Tochter des braunschweigischen Hofschauspielers Karl Gassmann (1779–1854), in Graz in der Wickenburggasse 9 geboren. 1877 heiratete sie den Schauspieler August Kormann (eigentlich Müller; 1850–1930), von dem sie sich 1881 trennte.

Bereits im Alter von nur acht Jahren trat Geistinger in ihrer Geburtsstadt sowie in Marburg (Maribor/Slowenien) in Kinderrollen auf. 1850 debütierte sie am Schwaigertheater in München in der Rolle des Bäschens im Einakter "Das war ich!" von Johann Hutt (1774–1809). 1852 kam sie nach Wien, wo sie zunächst als Soubrette in der Hernalser Arena auftrat und 1852–1854 durch ihre Interpretation der Pepita in "Die falsche Pepita oder: Luft- und Seitensprünge einer Tänzerin" von Baron v. Rosenberg [d.i. Johann Wilhelm Christern (1809–1877)] am Theater in der Josefstadt bekannt wurde. In den folgenden sieben Jahren spielte sie am Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater in Berlin, am Thaliatheater in Hamburg, am Stadttheater in Riga sowie am Victoriatheater in Berlin. 1865 wurde sie von Direktor Friedrich Strampfer (1823–1890) an das Theater an der Wien engagiert. Dort gelangte sie durch die Interpretation zahlreicher Operetten-Hauptrollen – in "La belle Hélène" und "La Grande-Duchesse de Gérolstein" von Jacques Offenbach (1819–1880), "Die schöne Galathee" von Franz von Suppé (1819–1895), "Die Fledermaus" (-> Rosalinde), "Indigo" (-> Fantasca), "Karneval in Rom" (-> Marie) und "Cagliostro in Wien" (-> Lorenza) von Johann Strauß (1825–1899) – zu Berühmtheit. Bereits mit ihrer Antrittsrolle, der Schönen Helena, feierte sie herausragende Erfolge. Nicht nur ihr heller Sopran, sondern auch ihre blendende Bühnenerscheinung machten sie zum Publikumsliebling. 1869–1875 führte sie gemeinsam mit Maximilian Steiner (1830–1880) die Direktion des Theaters.

Geistinger reüssierte nicht nur als Operettendarstellerin, sondern auch als Volksschauspielerin. Sie war das erste Annerl in Ludwig Anzengrubers (1839–1889) "Pfarrer von Kirchfeld", die Horlacherlies im "G'wissenswurm" sowie die Vroni im "Meineidbauern". Der Schriftsteller und Dramaturg Heinrich Laube (1806–1884) entdeckte ihr Talent für die Tragödie. Nach einem Studium bei Laubes Regisseur August Förster (1828–1889) wurde sie 1877–1880 ans Leipziger Stadttheater berufen, ohne jedoch ihre Tätigkeit in der Operette aufzugeben. Im Wiener Stadttheater und in Leipzig gab sie u.a. die Titelfigur in Friedrich Schillers (1759–1805) "Maria Stuart", die Elisabeth in Heinrich Laubes (1806–1884) "Graf Essex", Dumas' fils (1824–1895) Kameliendame und die Beatrice in Shakespeares (1564–1616) "Viel Lärm um nichts". Geistinger unternahm sieben Gastspiele in die Vereinigten Staaten, wo sie sowohl mit ihrem Operetten- als auch mit ihrem klassischen Repertoire Erfolge feierte, ihren internationalen Ruhm begründete und nicht zuletzt ein stattliches Vermögen verdiente, das es ihr erlaubte, das Gut Rastenfeld bei Bruck an der Mur (Steiermark) zu erwerben. Von da an nahm sie keine festen Engagements mehr an, trat aber bis 1888 weiterhin auf. Ihren Abschied von der Bühne nahm sie am 17. April 1888 in Ödenburg (Šopron/Ungarn) als Therese Krones in Karl Haffners (1804–1876) gleichnamigem Genrebild.

1894 zog die "Königin der Operette", wie sie in Wien genannt wurde, nach Klagenfurt, wo sie als reiche Frau in einem Haus voller Kunstschätze ihren Lebensabend verbrachte und schließlich nach langer Krankheit verstarb.

 

Abkürzungsverzeichnis

Literatur:

oeml Bd. 2, S. 559.
NDB Bd. 6, S. 163f.
ÖBL Bd. 1, S. 418.
GdSG Bd. 4, S. 148.
AEIOU.
DBE.

 

Autorin des Artikels:

Birgit Scholz, Juni 2011

 
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