Geb. 1. Dezember 1810 (laut anderen Quellen: 1809) in Zsámbék (Ungarn), gest. 31. Jänner (laut anderen Quellen: 1. Februar) 1889 in Weimar (Thüringen).
Oboist, Komponist, Kapellmeister.
Joseph Gungl, Sohn eines Strumpfwirkers, arbeitete drei Jahre lang als Lehrergehilfe in kleineren Dörfern sowie in Ofen (Buda, heute: Budapest) und studierte daneben beim dortigen Regens Chori Semann. Am 2. April 1828 trat er als Kanonier ins 5. Feld-Artillerie-Regiment in Pesth (Budapest) ein, wo er sieben Jahre lang diente, ohne sich der Musik widmen zu können. 1835 trat er als Oboist ins Musikkorps des in Graz stationierten 4. Artillerieregiments über. Als der Regimentskapellmeister des Musikkorps seinen Abschied nahm, übernahm Gungl diese Funktion, die er bis 1843 ausüben sollte. Der Berliner Musikverleger Gustav Bock, der 1839 sein erfolgreiches Erstlingswerk, den 1836 komponierten "Ungarischen Marsch" verlegte, wurde sein Berater und veröffentlichte sämtliche 436 im Druck erschienenen Kompositionen Gungls. Dieser stellte als erster Militärkapellmeister in Graz ein militärisches Streichorchester auf und führte Orchestermusik an öffentlichen Vergnügungsstätten ein, was ihm den Beinamen "Grazer Strauss" eintrug. Von Graz aus bereiste er mit einer eigenen Kapelle München, Augsburg, Nürnberg, Würzburg und Frankfurt am Main.
1843 quittierte er den Militärdienst und übersiedelte auf Anraten seines Verlegers nach Berlin, wo er seine berühmte, 36 Mann starke Zivilkapelle gründete. 1848 von den Ereignisse der Märzrevolution aus Preußen vertrieben, begab er sich mit seinen Musikern auf eine elfmonatige Konzerttournee nach Amerika, wo er zur Amtseinführung von Zachary Taylor (1784–1850), dem 12. Präsidenten der Vereinigten Staaten, die "Inaugurations-Quadrille" (op. 91) komponierte. Nicht so erfolgreich wie erhofft, kehrte er Ende August 1849 zurück nach Berlin und gastierte in den darauffolgenden Jahren (1850–1855) in Russland: Für die Sommer wurde er von der Zarskoje Selo-Eisenbahngesellschaft in St. Petersburg engagiert, winters spielte er in Moskau.
1856 ließ sich Gungl in Wien nieder, konnte sich jedoch nicht gegen seinen Rivalen Johann Strauss (Sohn; 1825–1899) behaupten. Aus diesem Grund nahm er 1858 die Stelle des Militärkapellmeisters des 23. Infanterieregiments in Brünn (Brno/Tschechien) an. 1864 ging er nach München und gründete erneut eine Zivilkapelle, mit der er Konzerttourneen nach Berlin, Kopenhagen, Stockholm, Amsterdam und durch die Schweiz unternahm. Der "Deutsche Krieg" von 1866 (Preußen und Österreich kämpften um die Führung im Deutschen Bund) wirkte sich äußerst ungünstig auf die Konzerttätigkeit von Gungls Kapelle aus, so dass dieser an den Rand des finanziellen Ruins geriet. 1870 musste die Formation aufgelöst werden und Gungl war nur noch als Gastdirigent tätig: 1872 in Berlin, 1873 in Warschau, London und Manchester. 1873 zog er zu seiner Tochter, der Sängerin Virginie (1848–1915), nach Schwerin, danach lebte er in München, ab 1876 in Frankfurt am Main, anschließend in Köln und zuletzt in Weimar, wo er im Alter von 79 Jahren starb.
Gungl war neben Johann Strauss Vater (1804–1849) und Sohn, Joseph Lanner (1801–1843), Benjamin Bilse (1816–1902) und Joseph Labitzky (1802–1881) einer der führenden Tanzkapellmeister seiner Zeit.
Werke (Auswahl):
ca. 400 Tänze und Märsche: Ungarischer Marsch (op. 1); Kriegers Lust (Feldmarsch) (op. 26); Klänge aus der Heimat (op. 31); Mein erster Walzer in Berlin (op. 39); Immortellen-Walzer (op. 82); Yankee-Galopp (op. 84); Souvenir de Philadelphia (op. 87); Inaugurations-Quadrille (op. 91); Franz Joseph Marsch (op. 142); Friedrichs-Marsch (op. 145); Amorettentänze (Walzer) (op. 161); Soldatenlieder-Walzer (op. 83); Defilier-Marsch (op. 191); Perpetuum mobile (op. 317); Am Königssee (op. 361).
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