Literatur- und kulturgeschichtliches Handbuch der Steiermark im 19. Jahrhundert online
Lexikon Alexander Rollett

Alexander Rollett

Quelle: Universität Graz,
Universitätsarchiv

Impressum

Geb. 14. Juli 1834 in Baden (Niederösterreich), gest. 1. Oktober 1903 in Graz (Steiermark).
Physiologe, Histologe, Arzt.

Rollett war Sohn des Badener Schriftstellers und Lokalhistorikers Herrmann Rollett (1819–1904) und Enkel des Arztes und Schriftstellers Anton Rollett (1778–1842).

1852–1857 studierte Rollett Medizin in Wien. 1857 wurde er am Physiologischen Institut Assistent von Ernst Wilhelm von Brücke (1819–1892), 1858 promovierte er zum Dr. med. 1863 wurde er als o. Professor der Physiologie und Histologie an die damals neu errichtete medizinische Fakultät der Universität Graz berufen, wo er auch das Physiologische Institut einrichtete, dessen Neubau 1872 fertig gestellt werden konnte.

In den Studienjahren 1867/68, 1874/75, 1882/83 und 1893/94 hatte er die Funktion eines Dekans inne, für 1902/03 wurde er zum Rektor gewählt. In dieser Funktion eröffnete er an der Spitze der Professorenschaft in Gegenwart von Kaiser Franz Joseph (1830–1916) das neue Universitäts-Hauptgebäude.

Parallel zu Lehre und Forschung betätigte sich Rollett auch in der Standesvertretung sowie als Politiker: 1875 war er erster Geschäftsführer der in Graz abgehaltenen Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte, 1879–1881 gehörte er der Grazer Gemeindevertretung an und vertrat die Universität viermal, 1872, 1883, 1894 und 1902, als deutschnational-liberaler Abgeordneter im Landtag, wo er bedeutende politische Reden hielt, wichtige Referate leitete und entscheidende Impulse für das Spitals-, Fürsorge und Sanitätswesen gab. Ab 1885 war er außerdem Obmann des Grazer städtischen Gesundheitsrates. 1893 wurde er zum Präsidenten der steirischen Ärztekammer gewählt, ein Amt, das er mehrere Jahre hindurch innehatte. Er wurde zum wirklichen Hofrat ernannt und war ab 1871 ordentliches Mitglied der Wiener und ab 1892 korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Rolletts wissenschaftliches Interesse galt vor allem dem Aufbau der Muskelfasern sowie seinen Forschungen über das Bindegewebe, die Hornhaut, die Irisanheftung, die Magendrüsen, die Sehnerven, einzelne Bestandteile des Blutes sowie den Haut-, Geruchs- und Geschmackssinn.

Rollett galt auch als ausgezeichneter Lehrer. 1873 übergab er die Histologie an seinen Schüler Viktor von Ebner-Rofenstein (1842–1925), da er sich nicht mehr in der Lage sah, sich mit diesem rasch entwickelnden Sonderfach innerhalb der Physiologie ausreichend auseinander zu setzen.

Rolletts älteste Tochter war die Ärztin Oktavia Aigner-Rollett (1877–1959), die 1905 als zweite Frau an der Universität Graz das Studium der Medizin abschloss und 1907 ihre eigene Praxis als praktische Ärztin eröffnete, die sie bis 1952 führte.

 

Werke (Auswahl):

Über freie Enden quergestreifter Muskelfäden im Innern der Muskeln. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Sitzungsberichte Bd. 21 (1856); Untersuchungen zur näheren Kenntniss des Baues der quergestreiften Muskelfaser. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Sitzungsberichte Bd. 24 (1857); Untersuchungen über die Structur des Bindegewebes. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Sitzungsberichte Bd. 30 (1858); Physiologische Versuche über binoculäres Sehen. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Sitzungsberichte Bd. 42 (1861); Beiträge zur Lehre vom Sehen der dritten Dimension. Gemeinsam mit O. Becker. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Sitzungsberichte Bd. 43, Abt. 2 (1861); Versuche und Beobachtungen am Blute. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Sitzungsberichte Bd. 46, Abt. 2 (1863); Zur Physiologie der Contrastfarben. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Sitzungsberichte Bd. 55, Abt. 2 (1867); Ueber Zersetzungsbilder der rothen Blutkörperchen. In: Untersuchungen aus dem Institut für Physiologie und Histologie in Graz 1 (1870); Über die verschiedene Erregbarkeit functionell verschiedener Nervmuskel-Apparate. 3 Tle. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Sitzungsberichte Bd. 70-72, Abt. 3 (1875–76); Über die Bedeutung von Newton's Construction der Farbenordnungen dünner Blättchen für die Spectraluntersuchung der Interferenzfarben. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Sitzungsberichte Bd. 75, Abt. 3 (1877); Zur Kenntniss des Zuckungsverlaufes quergestreifter Muskeln. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Sitzungsberichte Bd. 89, Abt. 3 (1884); Untersuchungen über den Bau der quergestreiften Muskelfasern. 2 Tle. In: Denkschriften Wien, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse Bd. 49, 51 (1885–86); Beiträge zur Physiologie der Muskeln. In: Denkschriften Wien, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse Bd. 53 (1887); Untersuchungen über Contraction und Doppelbrechung der quergestreiften Muskelfasern. In: Denkschriften Wien, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse Bd. 58 (1891); Zur Kenntniss der physiologischen Verschiedenheit der quergestreiften Muskeln der Kalt- und Warmblüter. In: Archiv für die gesammte Physiologie des Menschen und der Thiere Bd. 71 (1898); Beiträge zur Physiologie des Geruchs, des Geschmacks, der Hautsinne und der Sinne im Allgemeinen. In: Archiv für die gesammte Physiologie des Menschen und der Thiere Bd. 74 (1899); Die Localisation psychischer Vorgänge im Gehirne. In: Archiv für die gesammte Physiologie des Menschen und der Thiere Bd. 79 (1900); als Herausgeber: Untersuchungen aus dem Institut für Physiologie und Histologie in Graz (1870).

 

Abkürzungsverzeichnis

Literatur:

Wurzbach Bd. 26, S. 301–303.
ÖBL Bd. 9, S. 227f.
GdSG Bd. 4, S. 413.
AEIOU.
DBE.
Kenner, Thomas: Alexander Rollett. In: Kurt Freisitzer [u.a.] (Hrsg.): Tradition und Herausforderung. 400 Jahre Universität Graz. Graz: Akademische Druck- und Verlags-Anstalt 1985, S. 111f., 247–249.

 

Autorin des Artikels:

Birgit Scholz, April 2011

 
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