Anton E. Schönbach |
Ölbild von Gottlieb Haberlandt, 1896 Universität Graz, Institut für Germanistik |
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Geb. 29. Mai 1848 in Rumburg/Böhmen (Rumburk/Tschechien), gest. 25. August 1911 in Schruns (Vorarlberg). Anton Emanuel Schönbach war der Sohn des Telegrafenfachmannes Joseph Schönbach. Seit 1903 war er mit Anna Pöltl verheiratet. Seine Schulzeit verbrachte Schönbach in Wien, wo er 1867 am Piaristengymnasium maturierte. Im selben Jahr begann er sein Studium an der Universität Wien. Anfangs an historischen Studien interessiert, wechselte er unter Wilhelm Scherers (1841–1886) Einfluss zur Germanistik über und besuchte weiterhin klassisch-philologische Kollegien bei Johannes Vahlen (1830–1911) sowie Vorlesungen zur Romanistik und Anglistik. Nach seiner Promotion im Mai 1871 studierte er zwei Semester in Berlin bei Karl Viktor Müllenhoff (1818–1884). Im Oktober 1872 habilitierte er sich in Wien mit einer Ausgabe der Reimprosa von der heiligen Caecilia und einer ungedruckt gebliebenen Antrittsrede zur Entwicklung der Gralsage. Im Sommer 1873 erhielt Schönbach als Nachfolger Richard Heinzels (1838–1905) ein Extraordinariat, 1876 ein Ordinariat in Graz übertragen, wo er bereits 1873 die Statuten für das zu errichtende Seminar für deutsche Philologie – es war das erste der österreichisch-ungarischen Monarchie – ausarbeitete. Er begründete seinen Antrag auf Gründung eines Seminars damit, "daß die zal der für den unterricht in deutscher sprache und litteratur an mittelschulen approbierten lehrer auch nicht entfernt den dringenden bedürfnißen der lehranstalten entspricht". Diesem "übelstande" könne man "durch errichtung von anstalten" abhelfen, die "den zweck haben müßten, den studierenden die aneignung der nötigen kenntniße auf dem gebiete der deutschen philologie zu erleichtern". Obwohl Schönbach Berufungen an andere Universitäten erhielt, blieb er in Graz, das, nicht zuletzt durch ihn, zu einem Zentrum der germanistischen Forschung wurde. Während seiner rund vierzigjährigen Tätigkeit am Seminar war er in großem Umfang und über seinen eigentlichen Fachbereich hinaus publizistisch und pädagogisch wirksam und engagierte sich besonders im Bereich der Lehrerausbildung. Seine essayistisch gehaltenen Betrachtungen "Über Lesen und Bildung. Umschau und Ratschläge" (1888) wurden mehrfach aufgelegt und zeugen nicht nur von großer Belesenheit, sondern auch von einem weltoffenen Geist. Von 1895–1900 war er Mitherausgeber der "Grazer Studien zur deutschen Philologie". Er beschäftigte sich mit christlicher Kulturgeschichte, besonders mit dem altdeutschen und mittelalterlichen Bildungswesen. Als Kritiker nahm er regen Anteil am literarischen Schaffen seiner Zeit. Von ihm stammen mehr als 550 Rezensionen, die sich auf Werke aus dem Bereich der deutschen Philologie, der Volkskunde, der germanischen Altertumskunde, der Anglistik und Skandinavistik, der historischen Hilfswissenschaften sowie der Geschichte seines Faches bezogen. Ab 1895 war Schönbach korrespondierendes, ab 1903 wirkliches Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften, 1906 wurde er korrespondierendes Mitglied der Münchener Akademie. Schönbachs Arbeitsweise war von einer gewissen Hast geprägt, stets arbeitete er an mehreren Vorhaben gleichzeitig, so dass er bei seinem Tod viele unabgeschlossene Projekte zurückließ. Aufgrund einer Typhus-Erkrankung in seiner Kindheit litt Schönbach unter einer Verkürzung und Athropie des rechtens Beins, was ihn zum Tragen eigens konstruierter Stiefel und einer wartungsintensiven Maschine zwang. Eine Fortbewegung war nur mit Stöcken möglich. Dieses Gebrechen machte ihn von Jugend an zu einem unersättlichen Leser mit mannigfaltigen Interessen, was den Grundstein für seine breit gefächerte Gelehrsamkeit legte. Ein Splitternachlass Schönbachs befindet sich an der Universitätsbibliothek in Graz, ein Teilnachlass am Grazer Institut für Germanistik, weitere Nachlassteile liegen im Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien und im Steiermärkischen Landesarchiv.
Werke (Auswahl): Ueber die Marienklagen. Ein Beitrag zur Geschichte der Geistlichen Dichtung in Deutschland (1874); Ueber die humoristische Prosa des 19. Jahrhunderts (1875); Ueber die Grazer Handschrift des lateinischdeutschen Freidank. In: Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark H. 23 (1875); Vorauer Bruchstücke des Wigalois (1877); Mittheilungen aus altdeutschen Handschriften. In: Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Bd. 94, 97 (1879, 1881); Steirische und kärnthische Taidinge (1881); Über Lesen und Bildung. Umschau und Rathschläge (1888); Über eine Grazer Handschrift lateinischdeutscher Predigten. Festschrift der k.k. Karl-Franzens-Universität zur Jahresfeier am 15. November 1890 (1890); Walther von der Vogelweide. Ein Dichterleben (1890); Altdeutsche Funde aus Innsbruck. VIII-XII. In: Zeitschrift für deutsches Alterthum und deutsche Litteratur Bd. 35 (1891), S.209–237; Ueber Hartmann von Aue. 3 Bücher Untersuchungen (1894); Das Christenthum in der altdeutschen Heldendichtung. 4 Abhandlungen (1897); Die Anfänge des deutschen Minnesanges. Eine Studie (1898); Gesammelte Aufsätze zur neueren Literatur in Deutschland, Österreich, Amerika (1900); Miscellen aus Grazer Handschriften. In: Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark H. 46-50 (1898–1903); Rede auf Schiller. Gehalten am 9. Mai 1905 in der Aula der k.k. Karl-Franzens-Universität Graz (1905); als Herausgeber: Altdeutsche Predigten. 3 Bde. (1886–91). Ein ausführliches Schriftenverzeichnis findet sich bei: Sollinger, Margarete Heidelinde: Anton Emanuel Schönbach (1848–1911). Sein Leben und Wirken als Gelehrter und Publizist. [Mit Porträt und Werkverzeichnis.] Wien, Univ., Diss., 1970.
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Literatur: ÖBL Bd. 11, S. 47f.
Autorin des Artikels: Birgit Scholz, April 2011 |
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Hintergrundbild: Eine Kaplan-Turbine im Walchenseekraftwerk |
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