Literatur- und kulturgeschichtliches Handbuch der Steiermark im 19. Jahrhundert online
Lexikon Hugo Schuchardt

Hugo Schuchardt

© Universität Graz,
Universitätsarchiv

Impressum

Geb. 4. Februar 1842 in Gotha/Sachsen-Coburg-Gotha (heute: Thüringen), gest. 21. April 1927 in Graz (Steiermark).
Romanist, Linguist.

Schuchardts Eltern waren Ernst Julius Schuchardt, herzoglicher Notar, und seine aus der französischen Schweiz stammende Frau Malvine von Bridel-Brideri (1815–1899). Nach ihr benannte Schuchardt seine Villa, die der unverheiratet und kinderlos Verstorbene der von ihm ins Leben gerufenen Malvinen-Stiftung vermachte, in deren Besitz sie sich noch heute befindet.

Nachdem er 1859 in Gotha sein Abitur abgelegt hatte, begann Schuchardt ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Jena. 1860 wechselte er zur Philologie bei Kuno Fischer (1824–1907) und August Schleicher (1821–1868). 1861 ging er nach Bonn, wo er bei Friedrich Ritschl (1806–1876), Otto Jahn (1813–1869) und Anton Springer (1825–1891) studierte. 1862 schloss er sein Studium ab und promovierte 1864 bei Ritschl und Friedrich Diez (1794–1876), dem "Altvater der romanischen Philologie", mit einer Dissertation unter dem Titel "De sermonis Romani plebei vocalibus". Diese arbeitete er anschließend zu einem dreibändigen Werk über den "Vokalismus des Vulgärlateins" (1866–68) aus.

Während seiner Auslandsaufenthalte in Genf und Rom beschäftigte Schuchardt sich mit literarischen und dialektologischen Studien. 1870 habilitierte er sich in Leipzig mit einer Studie "Über einige Fälle bedingten Lautwandels im Churwälschen" und einer erst 1900 veröffentlichten Probevorlesung "Über die Klassifikation der romanischen Mundarten". 1873 wurde er als o. Professor nach Halle an der Saale berufen, 1876 als o. Professor für romanische Philologie nach Graz.

In den 1870er Jahren unternahm er zwei längere Reisen nach Wales (1875) und nach Spanien (1879), auf denen er nicht nur Material für zahlreiche neue Veröffentlichungen (vgl. die zahlreichen keltischen Studien) sammelte, sondern auch Bekanntschaften knüpfte, die er lebenslänglich aufrechterhielt. In den 1880ern kamen zwei neue Forschungsfelder, die Kreolistik und die Baskologie, hinzu. Um 1890 erreichte Schuchardt den ersten Höhepunkt seines wissenschaftlichen Rufes. Zwei universitäre Rufe, die er zu dieser Zeit erhielt, nach Budapest und nach Leipzig, lehnte er jedoch ab. Seine baskischen Studien sind immer auch mit den für ihn typischen Fragestellungen nach Verwandtschaften und Herkunft verbunden. So beschäftigte er sich ab den 1890er Jahren mit dem Kaukasischen, dem Berberischen, dem Hamitischen und verschiedenen anderen Sprachen, deren Verwandtschaft zum Baskischen in der Literatur angenommen wurde.

Ab 1882 war er korrespondierendes, ab 1891 wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien. Als Schuchardt sich 1900 krankheitshalber pensionieren ließ, war seine wissenschaftliche Tätigkeit damit nicht zu Ende: Mehr als die Hälfte seiner wissenschaftlichen Arbeiten entstand danach. Im Laufe seines Lebens veröffentlichte er rund 770 Werke, darunter 16 Bücher.

Schuchardt unternahm umfangreiche Reisen nach Süditalien (1901), Ägypten (1903) und Skandinavien (1904), auf denen er stets Material für seine Sachwort-Studien sammelte. Er korrespondierte mit den bedeutendsten Fachkollegen seiner Zeit.

Schuchardts Nachlass, der u.a. mehr als 13.000 Briefe umfasst, befindet sich an der Universitätsbibliothek Graz.

Die baskischen Volkskulturgüter – besonders Fischereigeräte – aus dem Nachlass Schuchardts wurden 1959 dem Österreichischen Museum für Volkskunde in Wien übergeben.

 

Werke (Auswahl):

Der Vokalismus des Vulgärlateins. 3 Bde. (1866–68); Über einige Fälle bedingten Lautwandels im Churwälschen (1870); Ritornell und Terzine (1874); Camõens (1880); Slawo-Deutsches und Slawo-Italienisches (1884); Über die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker (1885); Romanisches und Keltisches (1886); Auf Anlaß des Volapüks (1888); Weltsprache und Weltsprachen (1894); Tchèques et Allemands (1898); Über die Klassifikation der Romanischen Mundarten (1900); Hugo Schuchardt an Adolf Mussafia (1905); Epistolario H. S. – M. Menéndez Pelayo, eingeleitet von J. de Urquijo. In: Revista de Estudios Hispánicos (1935), S. 523–525; Epistolario de R. J. Cuerro con H. S. Hrsg. von D. Bross. (= Publicaciones del Inst. Caro y Cuerro. Archivo epistolar columbino. 2.) (1968); Carteggio Hašdeu – S. Hrsg. von B. Mazzoni. (= Romanica Neapolitana. 15.) (1983).

 

Abkürzungsverzeichnis

Literatur:

NDB Bd. 23, S. 623f.
ÖBL Bd. 11, S. 282f.
GdSG Bd. 4, S. 440.
DBE.
Website des Hugo Schuchardt Archivs: http://schuchardt.uni-graz.at/ (u.a. mit ausführlicher Biografie, Nachrufen, eingescannten Originaldokumenten. Das Archiv arbeitet unter der Leitung von Bernhard Hurch an der elektronischen Gesamtedition des Nachlasses.)
Wolf, Michaela: Hugo Schuchardt Nachlaß. Schlüssel zum Nachlaß des Linguisten und Romanisten Hugo Schuchardt (1842–1927). Graz: Leykam 1993.


Autorin des Artikels:

Birgit Scholz, April 2011

 
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