Joseph von Hammer-Purgstall |
Lithografie von Joseph Kriehuber, 1843 Quelle: Wikipedia |
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Geb. 9. Juni 1774 in Graz (Steiermark), gest. 23. November 1856 in Wien. Hammer kam als Sohn des innerösterreichischen Gubernialrates und früheren Hofdolmetschers Joseph von Hammer (1738–1818) und der Maria Anna geb. Pager (1753–1787) zur Welt. Als Stipendiat zog er nach Wien, wo er zunächst den Präparandenkurs und danach die k.k. Orientalische Akademie besuchte. Er wurde zum Dolmetscher für orientalische Sprachen ausgebildet und war damit für ein Leben im diplomatischen Dienst prädestiniert. Im Frühling 1799 wurde Hammer als "Sprachknabe" zum Internuntius von Konstantinopel, Peter Philipp von Herbert, Freiherrn von Rathekal (1735–1802) geschickt. Ab Februar 1800 bereiste er im Auftrag seines Dienstherrn die Levante. 1801 nahm er am Feldzug gegen Ägypten teil und fuhr nach England, von wo er nach dem Tod Herberts 1802 abberufen und dem neu ernannten Internuntius von Konstantinopel, Staatsrat Baron von Stürmer als Gesandtschaftssekretär zugewiesen wurde. 1806/07 verbrachte Hammer als kaiserlicher Agent in Jassy (damals Fürstentum Moldau, heute Iaşi, zweitgrößte Stadt Rumäniens). 1807 wurde er in die Staatskanzlei nach Wien zurückbeordert, wo er eine Tätigkeit als Hofdolmetscher zugewiesen bekam. Von dieser Aufgabe – er kümmerte sich um die Post aus und nach Konstantinopel – fühlte er sich unterfordert und versuchte mehrfach, wieder an die Internuntiatur nach Konstantinopel entsandt zu werden. Doch sein Herzenswunsch erfüllte sich nicht, Metternich (1773–1859) weigerte sich, ihn mit einer politischen bzw. diplomatischen Aufgabe zu betrauen. Einen besonderen Tiefpunkt für Hammer bedeutete die Berufung seines Rivalen Franz Freiherr von Ottenfels-Gschwind (1778–1851) nach Konstantinopel – 1823 als Legationsrat, 1826 folgte die Ernennung zum Internuntius. Neben der Betreuung der Post blieb Hammer viel Zeit übrig, die er damit zubrachte, im Haus-, Hof- und Staatsarchiv jene Akten zu exzerpieren, die sich mit türkischen Angelegenheiten beschäftigten. Auch seine Beamtenlaufbahn verlief eher bescheiden. 1811 stieg er zum wirklichen Staatskanzleirat und Hofdolmetsch auf, 1817 wurde er zum Hofrat ernannt. Seine schriftstellerische Tätigkeit hatte Hammer schon unmittelbar nach dem Abschluss der k.k. Orientalischen Akademie begonnen. Am Beginn standen vor allem Übertragungen von Poesie aus dem orientalischen Raum und west-östliche Nachdichtungen. Später beschäftigte er sich verstärkt mit historischen, archäologischen, ethnografischen und sprachkundlichen Forschungen. Hammers Autobiografie "Erinnerungen aus meinem Leben" – erst 1940 wurde eine stark gekürzte Fassung des umfangreichen Manuskripts veröffentlicht – lässt vermuten, dass hinter der emsigen Gelehrtentätigkeit auch die Absicht stand, seine Gegner von seinem umfangreichen Wissen und seiner Eignung für eine diplomatische Aufgabe zu überzeugen. Hammer erwarb sich große Verdienste um die Kenntnis des islamischen Orients. Mit seiner Zeitschrift "Fundgruben des Orients" (6 Bände, Wien, 1809–1818) und seinen nachgestalteten Dichtungen ("Der Diwan" des Schems-ed-din-Mohammed Hafis, Stuttgart, Tübingen 1812–1813 u.a.) erschloss er die morgenländische Literatur für das Abendland und regte damit auch Goethes "Westöstlichen Diwan" an. Berühmt wurden seine "Geschichte des Osmanischen Reiches" (10 Bände, Pest, 1827–1835) und die preisgekrönte Schrift "Über die innere Länderverwaltung unter dem Chalifate" (Berlin, 1835). Hammers eigenständige literarische Werke gelten heute als wenig bedeutsam. Eine größere Würdigung hat Hammer als Wissenschaftler erfahren: Er gilt als Begründer der österreichischen Orientalistik. Hammer heiratete 1816 Karoline von Henikstein (1797–1844), mit der er zwei Söhne und zwei Töchter hatte: Carl (geb. 1817), Isabelle (geb. 1819), verheiratete Trenck von Tonder, Eveline (geb. 1824), verheiratete von Berndt, und Maximilian (1825–1846). (Letzterer wird in den meisten Nachschlagewerken nicht angeführt, im Grazer Teilnachlass des Anastasius Grün befindet sich jedoch seine Todesanzeige.) Mit dem Grafen Gottfried Wenzel von Purgstall (1773–1812) verband Hammer eine langjährige Freundschaft. Jener hatte 1797 die Schottin Jane Anne Cranstoun, später bekannt als Johanna Anna von Purgstall (gest. 1835) geheiratet. Der gemeinsame Sohn Wenzel starb bereits 1817. Gemäß dem Testament der letzten Gräfin von Purgstall, der Hammer ebenfalls in tiefer Freundschaft zugetan war, wurde er Erbe der Herrschaft Hainfeld in der Steiermark, unter der Bedingung, Name und Wappen der in der männlichen Linie ausgestorbenen Grafen von Purgstall mit seinem eigenen Namen und Wappen zu vereinigen. Hammer-Purgstall setzte sich sehr für die Gründung der Akademie der Wissenschaften in Wien ein und war 1847–1849 ihr erster Präsident.
Werke (Auswahl): Das Fest des zwölften Februars (1796); Asia, eine Ode (1797); Die Befreyung von Akri (Ged. mit Noten) (1799); Die Steyermark (Ode) (1799); Zeichnungen auf einer Reise von Wien über Triest nach Venedig ... (1800); Ancient Alphabets and Hieroglyphic Characters Explained (London 1806); Schirin. Ein poetisches romantisches Gedicht nach morgenländischen Quellen (1809); Topographische Ansichten gesammelt auf einer Reise in die Levante (1811); Dschafer oder der Sturz der Barmeziden. Ein historisches Trauerspiel (1813); Des osmanischen Reichs Staatsverfassung und Staatsverwaltung. 2 Bde. (1815); Die Geschichte der Assassinen aus morgenländischen Quellen (1818); Geschichte der schönen Redekünste Persiens (1818); Umblick auf einer Reise von Constantinopel nach Brussa und dem Olympos (1818); Morgenländisches Kleeblatt (Dichtung) (1819); Codices arabicos, persicos, turcicos, bibliothecae caesareo-regio-palatinae Vindobonensis (Katalog orientalischer Handschriften in der Österreichischen Nationalbibliothek) (1820); Denkmal auf das Grab der beyden letzten Grafen von Purgstall. Gesetzt von ihrem Freunde Joseph von Hammer (1821); Constantinopolis und der Bosporos, örtlich und geschichtlich beschrieben (1822); Memnon's Dreiklang, nachgeklungen, in Dewajani, einem indischen Schäferspiele; Anahid, einem persischen Singspiele; und Sophie, einem türkischen Lustspiele (1823); Mohammed oder Die Eroberung von Mekka (Schausp.) (1823); Dewajami, ein indisches Hirtenspiel in 7 Ritus, das ist: Jahrszeiten oder Aufzügen (1823); Geschichte des osmanischen Reiches. 10 Bde. (1827–35); Sur les origines russes (1827); Wien's erste aufgehobene türkische Belagerung (1829); Italia in Hundert und einem Ständchen besungen von einem Morgenländer (1830); Mithriaca ou les Mithriaques (1833); Über die Länderverwaltung unter dem Chalifate (1835); Geschichte der Osmanischen Dichtkunst bis auf unsere Zeit. Mit einer Blüthenlese aus 2200 Dichtern (1836–38); Rosenkranz arabischen Schönheitslobes zur Vermählung der Fürstin Rosa Esterhazy-Galantha (1837); Gemäldesaal der Lebensbeschreibungen großer moslimischer Herrscher der 1. sieben Jahrhunderte der Hidschret. 6 Bde. (1837–39); Kern der Osmanischen Reichsgeschichte (1837); Geschichte der goldenen Horde in Kiptschak, das ist: der Mongolen in Russland (1840); Über die rechtmässige Thronfolge nach den Begriffen des moslemischen Staatsrechtes, besonders in Bezug auf das osmanische Reich (1840); Geschichte der Ilchane, das ist: der Mongolen in Persien. 2 Bde. (1842–43); Die Gallerinn auf der Riegersburg. 3 Bde. (Hist. Roman mit Urkunden) (1845); Khlesl's des Cardinals, Directors des geheimen Cabinetes Kaisers Mathias Leben. 4 Bde. (1847–51); Abhandlung über die Siegel der Araber, Perser und Türken (1850); Literaturgeschichte der Araber. Von ihrem Beginne bis zu Ende des 12. Jahrhunderts der Hidschret. 7 Bde. (1850–56); Geschichte der Chane der Krim unter osmanischer Herrschaft (1856); Erinnerungen aus meinem Leben 1774–1852 (1940); Erinnerungen aus meinem Leben 1774–1852. Nachträge (1942); als Übersetzer und Herausgeber: Encyklopädische Übersicht der Wissenschaften des Orients aus 7 arabischen, persischen und türkischen Werken übersetzt. 2 Bde. (1804); Die Posaune des heiligen Kriegs aus dem Munde Mohammeds Sohn Abdallah des Propheten (1806); Fundgruben des Orients. 6 Bde. (1809–18); Der Diwan von Mohammed Schemsed-Din-Hafis. 2 Bde. (1812–13); Rumeli und Bosna, geographisch beschrieben von Mustafa Ben Abdalla Hadschi Chalfa (1812); Rosenöl. Erstes Fläschchen, oder Sagen und Kunden des Morgenlands. 2 Bde. (1813); Juwelenschnüre Abul-Maanis (1822); Der Tausend und Einen Nacht noch nicht übersetzte Mährchen. 3 Bde. (1823–24); Montenebbi, der größte arabische Dichter (1824); Baki's, des größten türkischen Lyrikers, Diwan (1825); M. Edler von Collin: Nachgelassene Gedichte (1827); Wamik und Asra (pers. Ged.) (1933); Gül und Bülbül, das ist: Rose und Nachtigall, von Fasli (türk. Ged.) (1834); Samaschari's goldene Halsbänder (1835); Duftkörner, aus persischen Dichtern gesammelt (1836); Mahmud Schebisteri's Rosenflor des Geheimnisses (1838); Falknerklee ... (aus türk., griech. Werken über Falknerei) (1844); Zeitwarte des Gebetes in sieben Tageszeiten (1844); Inschriften zu Hainfeld in Steiermark. In Text und Übersetzung (1859); Das Arabische Hohe Lied der Liebe, das ist Ibnol-Faridh's Taijet (1854); Porträtgalerie des Steiermärkischen Adels (1855); Geschichte Wassaf's (1856); Les aventures d'Antar. 3 Bde. (1868–69).
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Literatur: Kosch Bd. 7, Sp. 241–243.
Autorin des Artikels: Birgit Scholz, April 2011 |
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Hintergrundbild: Dank von Carla Gräfin Attems im Auftrag von Erzherzogin Maria Josepha an Katharina Prato für das 200.000 Exemplar der "Süddeutschen Küche", 1899 |
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