Richard von Krafft-Ebing |
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Geb. 14. August 1840 in Mannheim (Baden-Württemberg), gest. 22. Dezember 1902 in Graz (Steiermark). Richard Freiherr von Krafft-Ebing wurde als Sohn des badischen Oberamtmannes Friedrich von Krafft-Ebing (1807–1889) und der Klara Antonia geb. Mittermaier (1820–1855) geboren. Seine Ehefrau war die aus Baden-Baden stammende Maria Luise Kißling (1846–1903), mit der er zwei Söhne und eine Tochter hatte. Seine Schul- und Studienzeit verbrachte Krafft-Ebing in Heidelberg. Zur Nachkur einer Typhuserkrankung reiste er für einen Sommer nach Zürich, wo ihn die psychiatrischen Demonstrationen des Psychiaters und Internisten Wilhelm Griesinger (1817–1868) für die Psychiatrie begeisterten. 1863 promovierte Krafft-Ebing über "Die Sinnesdelirien" in Heidelberg und schloss kurze Hospitationen in Wien – bei Karl von Rokitansky (1804–1878, Anatom), Josef von Skoda (1805–1881, Anatom und Internist) und Johann von Oppolzer (1808–1871, Internist) – sowie in Prag und Berlin an. 1864 bot ihm Christian Friedrich Wilhelm Roller (1802–1878), der Gründer und langjährige Leiter der Heil- und Pflegeanstalt Illenau in Achern (Baden-Württemberg) eine Assistentenstelle in seiner Anstalt an, wo Krafft-Ebing bis 1868 blieb. Danach praktizierte er kurz als Nervenarzt in Baden-Baden und leistete 1870/71 im Deutsch-französischen Krieg als Arzt Kriegsdienst. 1872 wurde er an die damals neu errichtete Psychiatrische Klinik der Universität Straßburg berufen, 1873 folgte der Ruf nach Graz, wo er Leiter der damals neu gegründeten "Landesirrenanstalt" im Feldhof (heute: LSF: Landesnervenklinik Sigmund Freud) wurde, womit auch die Professur für Psychiatrie an der Universität Graz verbunden war. 1886 gründete er das Mariagrüner Sanatorium für Nervenkranke. Seine wohl berühmteste Veröffentlichung, die "Psychopathia sexualis" (1886), stammt aus der Grazer Zeit. 1889 ging Krafft-Ebing nach Wien, wo er als Nachfolger von Maximilian Leidesdorf (1816–1889) Leiter der I. Psychiatrischen Klinik der niederösterreichischen Landesirrenanstalt und 1892–1902 als Nachfolger von Theodor Meynert (1833–1892) Leiter der psychiatrischen Universitätsklinik des Allgemeinen Krankenhauses wurde. Mit seinen Arbeiten über Nervosität und neurasthenische Zustände, über Psychosen in Zusammenhang mit der Menstruation sowie über die Psychopathologie des Geschlechtslebens schuf Krafft-Ebing wissenschaftliche Beiträge, die heute noch von Bedeutung sind. In der "Psychopathia sexualis" fasste er, in Anlehnung an die Novelle "Venus im Pelz" (1870) von Leopold von Sacher-Masoch (1836–1895), eine Gruppe bestimmter Verhaltensweisen unter der Bezeichnung "Masochismus" zusammen. Sacher-Masoch wehrte sich vergeblich dagegen, der Terminus setzte sich durch und der Namensgeber des Masochismus und seine Literatur gerieten in Verruf. Auch der Begriff "Sadismus" wurde von Krafft-Ebing geprägt, benannt nach dem französischen Schriftsteller Donatien Alphonse François Marquis de Sade (1740–1814). Mit seiner vor allem in den Jahren in Illenau geprägten, rein deskriptiven (und nicht erklärenden) Betrachtungsweise der Anstaltspsychiatrie befand sich Krafft-Ebing im Widerspruch zu dynamischeren Kollegen wie dem späteren Nobelpreisträger Julius Wagner von Jauregg (1857–1940). 1902, im Alter von 62 Jahren zog sich Krafft-Ebing aus gesundheitlichen Gründen nach Graz in das von ihm geschaffene Sanatorium Mariagrün zurück, wo er ein halbes Jahr später nach mehreren Schlaganfällen verstarb.
Werke (Auswahl): Die Sinnesdelirien (1864); Die Lehre von der Mania transitoria (1865); Beiträge zur Erkennung und richtigen forensischen Beurtheilung krankhafter Gemüthszustände (1867); Über die durch Gehirnerschütterung und Kopfverletzung hervorgerufenen Krankheiten (1868); Die transitorischen Störungen des Selbstbewusstseins (1868); Beobachtungen und Erfahrungen über Typhus abdominalis (1871); Grundzüge der Criminalpsychologie auf Grundlage der deutschen und österreichischen Gesetzgebung (1872); Die Melancholie (1874); Lehrbuch der gerichtlichen Psychopathologie (1875); Der Stand der Irrenpflege in Steiermark (1879); Lehrbuch der Psychiatrie. 3 Bde. (1879–80); Über Nervosität (1884); Über gesunde und kranke Nerven (1885); Psychopathia sexualis (1886); Eine experimentelle Studie auf dem Gebiete des Hypnotismus (1888); Der klinische Unterricht in der Psychiatrie (1890); Neue Forschungen auf dem Gebiete der Psychopathia sexualis (1890); Hypnotische Experimente (1893); Die zweifelhaften Geisteszustände vor dem Civilrichter des Deutschen Reiches nach Einführung des bürgerlichen Gesetzbuchs (1893); Der Conträrsexuale vor dem Strafrichter (1894); Gutachten über die Bedeutung der hypnotischen Suggestion als Heilmittel (1894); Nervosität und neurasthenische Zustände (1895); Die progressive allgemeine Paralyse (1895); Zur Geschichte der Pest in Wien, 1349–1898 (1899); Psychosis menstrualis (1902); Über Morphinodipsie (1902); Arbeiten aus dem Gesammtgebiet der Psychiatrie und Neuropathologie. 4 H. (1897–1899) [Sammlung von Aufsätzen in Zeitschriften].
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Literatur: NDB Bd. 12, S. 649f.
Autorin des Artikels: Birgit Scholz, April 2011 |
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Hintergrundbild: Eine Kaplan-Turbine im Walchenseekraftwerk |
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