Leopold von Sacher-Masoch Pseudonyme: Charlotte Arand, Zoë von Rodenbach |
Quelle: Wikipedia |
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Geb. 27. Jänner 1836 in Lemberg/Galizien (Lwíw/Ukraine), gest. 9. März 1895 in Lindheim bei Frankfurt am Main, heute ein Ortsteil von Altenstadt (Hessen). Leopold Franz Johann Ferdinand Maria Sacher Ritter von Kronenthal, ab 1838 Sacher-Masoch Ritter von Kronenthal, kam als Sohn des damaligen Polizeidirektors von Lemberg, Leopold (1797–1874) und der Caroline Josepha geb. Masoch (1802–1870) in Lemberg zur Welt. Er sprach zunächst nur Ruthenisch und Polnisch. Ab 1844 besuchte er das Gymnasium in Lemberg, danach das Gymnasium in Prag, wohin sein Vater 1848 als Stadthauptmann versetzt wurde und wo er erstmals Deutsch lernte. Ab 1852 studierte er an der Universität Prag Philosophie und Geschichte, wechselte 1854 nach Graz, wo sein Vater in diesem Jahr die Funktion des Polizeidirektors übernahm. 1856 promovierte er zum Dr. phil., habilitierte sich 1857 mit einer Arbeit über den "Aufstand in Gent unter Kaiser Carl V." und verbrachte die Jahre 1856–1870 als Privatdozent der österreichischen und allgemeinen Geschichte der neueren Zeit an der Universität Graz. In dieser Zeit verfasste er zunächst Werke zu historischen Themen wie z.B. den Roman "Eine galizische Geschichte" (1858), in dem er den Aufstand der polnischen Adeligen im Februar 1846, der mit Hilfe der kaisertreuen Bauern niedergeschlagen wurde, behandelt. 1862 veröffentlichte er die populärwissenschaftliche Untersuchung "Ungarns Untergang und Maria von Österreich". Sein eigentliches Interesse galt jedoch weniger den historischen Themen als vielmehr dem Erzählen. Ab Mitte der 1860er erschienen fast jedes Jahr ein oder mehrere neue Bücher. Außerdem verfasste Sacher-Masoch "Causerien" und Feuilletons, schrieb Theaterstücke und historische Betrachtungen. 1866–1869 gab er die "Gartenlaube für Österreich" heraus, die bei Pock in Graz erschien und als Gegengewicht zur deutschen "Gartenlaube" gedacht war, die nach Ansicht Sacher-Masochs nach den Ereignissen von 1866 einen Schwenk zugunsten der preußischen Politik vollzogen hatte. Das überregional angelegte Projekt scheiterte jedoch am Boykott der meisten österreichischen Autoren. 1866 wurde seine Novelle "Don Juan von Kolomea" in "Westermann's Monatsheften" erfolgreich veröffentlicht. Das bestärkte ihn darin, sich noch intensiver den Themen seiner galizischen Heimat zu widmen: den Schwierigkeiten des Zusammenlebens von Polen, Ruthenen, Juden und österreichischen Verwaltungsbeamten. Darum sollte es auch in seinem Hauptwerk, dem auf sechs Teile mit je sechs Novellen angelegten "Vermächtniß Kains" gehen. Abgeschlossen wurden jedoch nur die ersten beiden Teile zu den Themen 'Liebe' und 'Eigentum', aus den Bereichen 'Staat', 'Krieg', 'Arbeit' und 'Tod' existieren nur einzelne Novellen. Sacher-Masochs berühmtester Text ist die fünfte Novelle zum Thema 'Liebe' aus dem "Vermächtniß Kains": "Venus im Pelz", zu Lebzeiten des Autors nie selbständig veröffentlicht, prägte zusammen mit dem Roman "Die geschiedene Frau" (1870) sowohl den literarischen als auch den persönlichen Ruf des Autors. So entwickelte der Psychiater Richard von Krafft-Ebing (1840–1902) ausgehend von diesen beiden Werken, in denen Sacher-Masoch die Abhängigkeit von Männern von dominanten Frauen schildert und dabei eigene Liebesbeziehungen aufarbeitet – seine im Frühjahr 1869 begonnene Beziehung zu Fanny Pistor in der "Venus" sowie seine Liaison mit der Arztgattin Anna von Kottowitz (*1833) in der "Geschiedenen Frau" –, den Begriff des 'Masochismus'. Krafft-Ebing fokussierte damit das Interesse an Sacher-Masoch auf diesen einen Aspekt, was zur Zerstörung von dessen Ansehen als Schriftsteller beitrug. Die Reduzierung seines Werks auf das "Masochistische" erfolgte zu Unrecht. Sacher-Masoch gehört zu den wichtigsten Autoren von Realismus und Gründerzeit. 1873 heiratete Sacher-Masoch Angelica Aurora Rümelin (1845– nach 1906), mit der er drei Kinder hatte und die unter dem Namen der Heldin aus "Venus im Pelz" als 'Wanda von Dunajew' literarisch tätig war ("Die Dame im Pelz", 1882). Das Paar lebte in Wien, Graz, Bruck an der Mur und Budapest, ab 1881 in Leipzig, wo Sacher-Masoch die internationale Revue "Auf der Höhe" gründete und von 1881–1884 herausgab. 1886 geschieden, heiratete der Autor 1890 seine Mitarbeiterin, die Übersetzerin Hulda Meister (1846–1918), mit der er ebenfalls drei Kinder hatte. Die beiden lebten, unterbrochen von längeren Aufenthalten in Paris und Mannheim, in Lindheim nahe Frankfurt am Main. Sacher-Masochs Werk ist heute ungeordnet und zum Teil vergessen.
Werke (Auswahl): Von dem hohen Werthe der agendarischen Spendeformel (1856); Der Aufstand in Gent unter Kaiser Carl V. (Habilitationsschrift (Geschichte), 1857); Eine galizische Geschichte 1846 (Rom.) (1858); Ungarns Untergang und Maria von Österreich (1862); Der Emissär. Eine galizische Geschichte (1863); Ausgewählte Psalmen metrisch nachgebildet (1863); Die Verse Friedrichs des Großen (hist. Lsp.) (1864); Kaunitz (kulturhist. Rom.) 2 Bde. (1865); Der Mann ohne Vorurtheil (hist. Lsp.) (1866); Der letzte König der Magyaren (hist. Rom.) 3 Bde. (1867); Die Papiere eines Revolutions-Agenten. Aus dem Tagebuch eines österreichischen Polizeibeamten (1869); Unsere Sclaven. Eine sociale Komödie (1869); Aus dem Tagebuch eines Weltmannes. Causerien aus der Gesellschaft und der Bühnenwelt (1870); Die geschiedene Frau. Passionsgeschichte eines Idealisten. 2 Bde. (1870); Das Vermächtnis Kains (Nov.) 1. Tl.: Die Liebe: 2 Bde.: Bd. 1: Der Wanderer (Prolog). Don Juan von Kolomea. Der Capitulant. Mondnacht – Bd. 2: Die Liebe des Plato. Venus im Pelz. Marzella oder Das Märchen vom Glück. – 2. Tl.: Das Eigenthum: 2 Bde.: Bd. 1: Vorwort. Volksgericht. Der Hajdamak. Hasara Raba. – Bd. 2: Ein Testament. Basil Hymnen. Das Paradies am Dnjester (1870, 1877); Zur Ehre Gottes! Ein Zeitgemälde (1872); Die Keuschheitskommission in Wien 1758 (Lsp.) (1872); Falscher Hermelin. Kleine Geschichten aus der Bühnenwelt (1873); Wiener Hofgeschichten (hist. Nov.) 2 Bde.: Bd. 1: Maria Theresia und die Freimaurer. – Bd. 2: Das Rendezvous zu Höchstädt. Die Keuschheitskommission (1873); Russische Hofgeschichten (hist. Nov.) 4 Bde.: Bd. 1: Die letzten Tage Peter des Großen. Die Hochzeit im Eispalast. Frauenrache. Eine weibliche Schildwache. – Bd. 2: Diderot in Petersburg. Ein Damenduell. Der neue Paris. – Bd. 3: Das Märchen Potemkins. Venus und Adonis. Amor mit dem Korporalstock. Eine Frau auf Vorposten. Ungnade um jeden Preis. – Bd. 4: Eine Kaiserin beim Profoß. Nero im Reifrock. Nur die Todten kehren nicht wieder. Die Kunst geliebt zu werden. Zwei Soiréen der Eremitage (1873, 1874); Soziale Schattenbilder. Aus den Memoiren eines österreichischen Polizeibeamten (1873); Ein weiblicher Sultan (hist. Rom.) 3 Bde. (1873); Die Messalinen Wiens. Geschichten aus der guten Gesellschaft (1873); Über den Werth der Kritik. Erfahrungen und Bemerkungen (1873); Liebesgeschichten aus verschiedenen Jahrhunderten (Nov.) 1.-3. Slg.: 3 Bde. (1874, 1877, 1886); Gute Menschen und ihre Geschichten (Nov.) (1874); Die Ideale unserer Zeit (Rom.) 4 Bde. (1875); Galizische Geschichten (Nov.) (1875); Harmlose Geschichten aus der Bühnenwelt (1878); Der neue Hiob (Rom.) (1878); Judengeschichten (1878); Die Republik der Weiberfeinde (Rom.) 4 Bde. (1878); Ein Mann wird gesucht (Rom.) (1879); Silhouetten (Nov. u. Skizzen) 2 Bde. (1879); Die Ästhetik des Häßlichen (Erz.) (1880); Basyl, der Schatzgräber und andere seltsame Geschichten (1880); Neue Judengeschichten (1881); Das schwarze Cabinett (Nov.) (1882); Der alte Castellan (Nov.) (1882); Der Ilau (1882); Der Judenraphael (Nov.) (1882); Die Gottesmutter (1883); Frau von Soldan (Rom.) (1884); Der kleine Adam. Sascha und Saschka (1885); Polnische Ghetto-Geschichten (1886); Ewige Jugend und andere Geschichten (1886); Kleine Mysterien der Weltgeschichte (1886); Die Seelenfängerin (Rom.) 2 Bde. (1886); Polnische Geschichten (1887); Deutsche Hofgeschichten. Geschichten aus der Zopfzeit (1887); Seraph. Zwei Königinnen. Die vier Temperamente (Nov.) (1888); Rococo. Bilder aus der Zopfzeit (1888); Der Flötenspieler von Bornim (1889); Die Schlange im Paradies. Russischer Sittenroman. 3 Bde. (1890); Die Einsamen (1891); Tante Lotte. Ein Novellenstrauß (1891); Im Reich der Töne. Musikalische Novellen (1891); Jüdisches Leben in Wort und Bild (1891); Zu spät. Die Kartenschlägerin (Nov.) (1891); Die Abenteuer des Frans van Mieris und andere Malergeschichten (1891); Märtyrer der Liebe (Rom.) (1892); Bühnenzauber. Theater-Roman. 2 Bde. (1893); Neue Erzählungen (1893); Lustige Geschichten aus dem Osten (1893); Die Satten und die Hungrigen (Rom.) 2 Bde. (1894); Terka. Die Maus. Maria im Schnee (Nov.) (1894); Im Böhmerwald. Mein Freund Wodakoski (2 Nov.) (um 1895); Die Stumme (Rom.) – Turandot (Nov.) (1897); Entre nous (Rom.) (1898); Hinterlassene Novellen. 3 Bde. (1901, 1905); Afrikas Semiramis (Rom., hrsg. von C. F. v. Schlichtegroll) (1901); als Herausgeber: Die Gartenlaube für Österreich (1866–67); Auf der Höhe. Internationale Revue (1881–85); Naturalistische Cabinetstücke. 2 Bde. (1891).
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Literatur: Kosch Bd. 13, Sp. 643–648.
Autorin des Artikels: Birgit Scholz, April 2011 |
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Hintergrundbild: Dank von Carla Gräfin Attems im Auftrag von Erzherzogin Maria Josepha an Katharina Prato für das 200.000 Exemplar der "Süddeutschen Küche", 1899 |
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