Johann Nepomuk (Eduard, Ambrosius) Nestroy |
Lithografie von Josef Kriehuber, 1839 Quelle: Wikipedia
Sterbehaus von Nestroy, Elisabethstraße 14, Graz © Margarete Payer, 2011 |
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Geb. 7. Dezember 1801 in Wien, gest. 25. Mai 1862 in Graz (Steiermark). Johann Nestroy war Sohn des Hof- und Gerichtsadvokaten Johann (1763–1834) und dessen Frau Maria Magdalena (1781–1814). Ab 1811 besuchte er das Akademische Gymnasium, ab 1813 das Schottengymnasium in Wien und immatrikulierte 1820 an der juridischen Fakultät in Wien. Wegen seiner Theaterleidenschaft brach er das Studium ab und debütierte 1822 erfolgreich als Sarastro in der "Zauberflöte" am Kärntnertortheater in Wien. Er spielte am Deutschen Theater in Amsterdam (1823–1825), am Nationaltheater in Brünn (Brno/Tschechien) (1825–1826) und trat ab 1826 am Grazer Schauspielhaus auf, wo er als Figaro in Rossinis "Barbier von Sevilla" debütierte, mit welchem das nach dem Brand neu errichtete Ständische Theater eröffnet wurde. Der dortige Leiter Johann August Stöger-Althaller (1791–1861; Leiter des Ständischen Theaters in Graz: 1823 bis 1833) ließ auch Nestroys erstes Stück, den "Zettelträger Papp", 1827 uraufführen, dem 82 weitere Stücke folgten. Bis 1831 blieb Nestroy in Graz, spielte aber auch in Pressburg. Schon in Graz hatte Nestroy Probleme mit der Theaterpolizei. Er wandte sich bereits mehr den Sprechrollen zu und mimte lokale und komische Figuren. In Wien gastierte er am Theater in der Josefstadt (1829), am Kärntnertortheater (1830) und in Lemberg (1831), bevor er 1831 am Theater an der Wien verpflichtet wurde. Dort gelang ihm auch der große Durchbruch als Dramatiker mit dem Zauberspiel "Der böse Geist Lumpacivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt", das am 11. April 1833 uraufgeführt wurde. Nestroy selbst, der sich als Komiker sah, spielte den Schuster Kniereim. Das Zusamenspiel mit Wenzel Scholz (1787–1857) als Schneider Zwirn und später auch mit Direktor Carl Carl (1787–1854) als Tischler Leim in "Lumpacivagabundus" war besonders beliebt. Mit Scholz, dem Nestroy Rollen auf den Leib schrieb, verband ihn eine kongeniale Bühnenpartnerschaft (1832–1852). Das berühmte Komikerduo stellte zwei unterschiedliche Charaktere dar – und sah auch ganz unterschiedlich aus. Mit seinen Stücken hatte Nestroy mit Ausnahme von "Eine Wohnung ist zu vermiethen" (1837) fast immer Erfolg. Mit "Zu ebener Erde und erster Stock" (1835) wurde er sogar als Volksstückdichter gefeiert. Wegen neuerlichen Verstößen gegen Zensur und Theaterordnung wurde er mehrfach mit Arrest bestraft. Nestroy gastierte in vielen Rollen und oft, spielte in Graz (1836), Ofen und Pest (1837), hatte 1839 den ersten Auftritt am Theater in der Leopoldstadt, gab Gastspiele in Brünn und Prag (1840), war dann in Hamburg, mehrfach in Prag und Brünn, Linz, Breslau, Berlin, Frankfurt am Main und München (1841). Seine wohl populärsten Stücke dieser Zeit waren: "Der Talismann" (1840), "Das Mädl aus der Vorstadt" (1840) und "Einen Jux will er sich machen" (1842). 1847 wurde das Carl-Theater mit Nestroys "Schlimmen Buben" eröffnet, im gleichen Jahr spielte er als Gast in Brünn, Prag, Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main, Mainz und Wiesbaden. 1848/1849 reagierte Nestroy auf die Revolutionsereignisse mit Kritik am Metternich-System und verfasste "Freiheit im Krähwinkel", "Höllenangst", "Lady und Schneider", "Judith und Holofernes", "Der alte Mann mit der jungen Frau". 1850 gab er Gastspiele in Ofen, Pest, Lemberg, dann in Triest, Brünn, Prag, Graz und Berlin. 1854 übernahm er das Carl-Theater; die künstlerische Leitung hatte Karl Treumann (1823–1877) und die administrative Leitung die Hofopernsängerin und Lebensgefährtin Marie Weiler (eigentlich Maria Antonia Cäcilia Lacher, 1809–1864) inne. Nestroy schrieb damals Parodien auf Wagner-Opern und wirkte am Erfolg der Offenbach-Operetten in Wien mit. 1860 ging er in Pension und übersiedelte nach Graz, wo er im April 1862 zum letzten Mal in der Posse "Umsonst" auftrat. Nestroy starb an den Folgen eines Schlaganfalls. Sein Leichnam wurde nach Wien überführt und mit großer Anteilnahme des Wiener Publikums zunächst auf dem Währinger Ortsfriedhof beigesetzt, kam aber 1881 in ein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof. Vor der Lebensgemeinschaft mit Marie Weiler (ab 1828) hatte er 1823 Maria Wilhelmine Philippine Nespiesni (1804–1870) geheiratet. Erst 1845 wurde diese Ehe geschieden. Er hatte mit ihr einen Sohn Gustav Johann Wilhelm (1824–1869) und mit Marie Weiler zwei Kinder, Karl Johann Anton (1831–1880) und Maria Cäcilie (1840–1873), die beide 1858 legitimiert wurden. Als Bühnendichter schrieb Nestroy 83 Stücke, die er als Zauberspiel oder -posse, Quodlibet, Parodie, Travestie, (Lokal-)Posse mit Gesang oder als Burleske mit Gesang bezeichnete. Er knüpfte an die Tradition des Wiener Volkstheaters und der Raimundschen Zauberpossen an, entwickelte aber Satiren, die dem Publikum das biedermeierliche Leben realistisch beklemmend vor Augen führten, etwa die beiden verschiedenen sozialen und sprachlichen Welten in "Zu ebener Erde und erster Stock" (1835), die des Emporkömmlings und der Aristokratie im oberen Geschoss. Seine Komödien, wofür er französische, englische und deutsche Vorlagen benutzte, und sie oft mit der Musik von Adolf Müller senior (1801–1886) versah, nehmen das österreichische Theater des späten 20. Jahrhunderts vorweg. Mit Karl Kraus (1874–1936) begann im 20. Jahrhundert die Wiederentdeckung von Nestroy. Manche Stücke wurden auch verfilmt. Im Rahmen des Internationalen Nestroy-Zentrums Schwechat finden seit 1973 auf Schloss Rothmühle die Nestroy-Spiele und seit 1975 die Nestroy-Gespräche Schwechat statt, die sowohl der Forschung als auch der Aufführungspraxis Raum bieten. In Graz wurde eine Straße nach ihm benannt.
Werke (Auswahl): Friedrich der Prinz von Korsika (zwischen 1822 und 1826/27); Der Zettelträger Papp (1827); Sieben Mädchen in Uniform, auch: Zwölf Mädchen in Uniform (1827); Die Verbannung aus dem Zauberreiche oder Dreißig Jahre aus dem Leben eines Lumpen (1828); Dreißig Jahre aus dem Leben eines Lumpen (1829); Der Einsilbige oder Ein dummer Diener seines Herrn (1829); Der Tod am Hochzeitstage oder Mann, Frau, Kind (1829); Der unzusammenhängende Zusammenhang (1830); Magische Eilwagenreise durch die Komödienwelt (1830); Zwei Schüsseln voll Faschingskrapfen (1831); Der gefühlvolle Kerkermeister oder Adelheid die verfolgte Wittib (1832); Nagerl und Handschuh oder Die Schicksale der Familie Maxenpfutsch (1832); Humoristische Eilwagenreise durch die Theaterwelt (1832); Zampa der Tagdieb oder die Braut von Gips (1832); Der konfuse Zauberer oder Treue und Flatterhaftigkeit (1832); Die Zauberreise in die Ritterzeit oder Die Übermütigen (1832); Genius, Schuster und Marqueur oder Die Pyramiden der Verzauberung (1832); Der Zauberer Februar oder Die Überraschungen (1833); Der Feenball oder Tischler, Schneider und Schlosser (1833); Der böse Geist Lumpazivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt (1833); Robert der Teuxel (1833); Der Tritschtratsch (1833); Der Zauberer Sulphurelectrimagnetikophosphoratus und die Fee Walpurgiblocksbergiseptemtrionalis oder Die Abenteuer in der Sclaverey oder Asiatische Strafe für europäische Vergehen oder Des ungeratenen Herrn Sohnes Leben, Taten und Meinungen, wie auch dessen Bestrafung in der Sklaverei und was sich all dort Ferneres mit ihm begab (1834); Müller, Kohlenbrenner und Sesseltrager oder Die Träume von Schale und Kern (1834); Das Verlobungsfest im Feenreiche oder Die Gleichheit der Jahre (1834); Die Fahrt mit dem Dampfwagen (1834); Die Familien Zwirn, Knieriem und Leim oder Der Welt-Untergangs-Tag (1834); Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab (1835); Eulenspiegel oder Schabernack über Schabernack (1835); Zu ebener Erde und erster Stock oder Die Launen des Glückes (1835); Der Treulose oder Saat und Ernte (1836); Die beiden Nachtwandler oder Das Notwendige und das Überflüssige (1836); Der Affe und der Bräutigam (1836); Eine Wohnung ist zu vermieten in der Stadt, Eine Wohnung ist zu verlassen in der Vorstadt, Eine Wohnung mit Garten ist zu haben in Hietzing (1837); Moppels Abenteuer im Viertel unter Wiener Wald, in Neu-Seeland und Marokko (1837); Das Haus der Temperamente (1837); Glück, Mißbrauch und Rückkehr oder Das Geheimnis des grauen Hauses (1838); Der Kobold oder Staberl im Feendienst (1838); Gegen Torheit gibt es kein Mittel (1838); Die verhängnisvolle Faschingsnacht (1839); Der Färber und sein Zwillingsbruder (1840); Der Erbschleicher (1840); Die zusammengestoppelte Komödie (1840); Der Talisman (1840); Das Mädl aus der Vorstadt oder Ehrlich währt am längsten (1841); Einen Jux will er sich machen (1842); Die Ereignisse im Gasthofe (1842); Die Papiere des Teufels oder Der Zufall (1842); Liebesgeschichten und Heiratssachen (1843); Das Quodlibet verschiedener Jahrhunderte (1843); Nur Ruhe! (1843); Eisenbahnheiraten oder Wien, Neustadt, Brünn (1844); Hinüber Herüber (1844); Der Zerrissene (1844); Die beiden Herren Söhne (1845); Das Gewürzkrämerkleeblatt oder Die unschuldigen Schuldigen (1845); Unverhofft (1845); Der Unbedeutende (1846); Zwei ewige Juden und Keiner (1846); Der Schützling (1847); Die schlimmen Buben in der Schule (1847); Martha oder Die Mischmonder Markt-Mägde-Mietung (1848); Die Anverwandten (1848); Freiheit in Krähwinkel (1848); Lady und Schneider (1849); Judith und Holofernes (1849); Der alte Mann mit der jungen Frau (1849); Höllenangst (1849); Sie sollen ihn nicht haben oder Der holländische Bauer (1850); Karikaturen-Charivari mit Heiratszweck (1850); Alles will den Propheten sehen (1850); Verwickelte Geschichte (1850); Mein Freund (1851); Der gemütliche Teufel oder Die Geschichte vom Bauer und der Bäuerin (1851); Kampl (1852); Heimliches Geld, heimliche Liebe (1853); Theaterg’schichten durch Liebe, Intrige, Geld und Dummheit (1854); Nur keck! (1856); Umsonst (1857); Tannhäuser (1857); Ein gebildeter Hausknecht (1858); Zeitvertreib (1858); Lohengrin (1859); Frühere Verhältnisse (1862); Häuptling Abendwind oder Das greuliche Festmahl (1862).
Ausgaben, Briefe und Ikonographie (Auswahl): Johann Nestroy: Sämtliche Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe hrsg. von Fritz Brukner und Otto Rommel. 15 Bde. Wien 1924–1930. [Nachdruck 1974.]
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Literatur: ÖBL Bd.7, S. 73–75.
Autorin des Artikels: Margarete Payer, April 2011 |
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Hintergrundbild: Dank von Carla Gräfin Attems im Auftrag von Erzherzogin Maria Josepha an Katharina Prato für das 200.000 Exemplar der "Süddeutschen Küche", 1899 |
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